Meinung

Amsterdam: Wie die Tagesschau ihr Publikum belügt

Ein antisemitischer Mob soll auf unschuldige israelische Fußballfans losgegangen sein. Dieses Narrativ verbreitete die Tagesschau zur besten Sendezeit. Wie andere Medien berief sie sich auf Videos. Diese zeigen allerdings das Gegenteil, was sie selbst in ihrer nachträglichen "Korrektur" verschleiert.
Amsterdam: Wie die Tagesschau ihr Publikum belügtQuelle: www.globallookpress.com © Ilia Yefimovich/dpa

Von Susan Bonath

Mit westlichen Waffen und einer Hungerblockade tötet Israels Armee seit einem Jahr massenhaft und ungestört palästinensische und libanesische Zivilisten. Deutsche Leitmedien deuten das weiterhin als bloße "Selbstverteidigung" eines angegriffenen Staates. Die angeblich "antisemitischen" Übergriffe auf vermeintlich harmlose israelische "Fußballfans" in Amsterdam passten gut in dieses Opfernarrativ. Besser gesagt: Viele Medien passten ihre "Berichterstattung" diesem Narrativ eigenmächtig an: Sie erfanden, manipulierten, verdrehten.

Diesem Drehbuch folgte auch die ARD-Tagesschau zur besten Sendezeit, und zwar höchst manipulativ: Für ihre 20-Uhr-Nachrichten bediente sie sich offenbar ungefragt am Videomaterial einer niederländischen Reporterin, um es anschließend wahrheitswidrig zu interpretieren. Als sich die Urheberin öffentlich dagegen wehrte, ersetzte es das deutsche Meinungsschlachtschiff zwar nachträglich durch andere Aufnahmen. Die angebliche "Korrektur" erfolgte aber still und heimlich – und verschleiert den tatsächlichen Hergang weiter.

Fehlgedeutete Aufnahmen

Was ist passiert? Am Abend des 8. November präsentierte die Tagesschau Ausschnitte von Szenen der vergangenen Nacht in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam. Diese zeigten angeblich "antisemitische Angreifer" aus dem "propalästinensischen Lager", die auf israelische Fans des für seine gewalttätigen Hooligan-Anhänger bekannten Fußballclubs "Maccabi Tel Aviv" losgehen. Letzterer hatte zuvor gegen den niederländischen Erstligisten Ajax Amsterdam verloren.

Das Problem daran: Die Geschichte stimmt nicht – sie trug sich genau umgekehrt zu. Das stellte sich heraus, nachdem die niederländische Urheberin Annet de Graaf auf X den Missbrauch ihres Videomaterials durch zahlreiche Medien beklagt hatte. Mit den Worten "Sie verbreiten falsche Nachrichten" wandte sie sich an die Presse, die unter Rückgriff auf ihr Material Fehlinformationen verbreitet hatte. De Graaf stellte richtig:

"Das ist eine Gruppe von Maccabi-Anhängern, die eine Schlägerei anzetteln und einen Niederländer verprügeln."

Die Tagesschau reagierte schließlich und wechselte nachträglich das Videomaterial des Beitrags aus. Den gesprochenen Text änderte sie allerdings nicht. Unter ihrem Beitrag teilt sie nun mit, sie habe die Ausgabe vom 8. November "wegen Fehlers nachträglich bearbeitet". Weiter heißt es in der "Korrektur":

"In einer früheren Fassung des Beitrags zur Gewalt in Amsterdam wurden Bilder von @iAnnetnl in einem falschen Zusammenhang gezeigt. Diese Bilder zeigen nicht Angriffe auf israelische Fußballfans. Die Bilder wurden ausgetauscht."

Verschleierungskorrektur

Tatsächlich ist das aber keine "Korrektur". Denn erstens: Wer nur die allabendlichen Nachrichten im Fernsehen verfolgt und nicht nachprüft, ob diese auch stimmen – dazu dürften die Meisten gehören –, erfährt von diesem "Fehler" gar nichts. Zweitens: Die Wenigen, die darauf stoßen, erfahren weiter nicht, was eigentlich passiert ist. Drittens: Als "Quelle" verweist das ARD-Format lediglich auf den X-Account der Urheberin – womit sie eigene Recherchen ihrer Zuschauer zusätzlich erschwert.

Mit anderen Worten: Die Korrektur dient in Wahrheit der weiteren Verschleierung. Niemand erfährt, was wirklich vorgefallen ist: Tatsächlich haben Maccabi-Hooligans randaliert, rassistisch herumgegrölt, Menschen angegriffen und die später folgende Gegenwehr mit allen Mitteln provoziert – dies nicht nur vor dem Spiel, wie inzwischen hinlänglich belegt und vom Mainstream eher vage eingeräumt, sondern auch danach.

Das ist nicht nur schäbig, sondern ein klarer Verstoß gegen das Presserecht. Dieses verlangt nämlich nicht nur, dass verbreitete Fehlinformationen irgendwie inhaltlich berichtigt werden müssen, sondern dies "an vergleichbarer Stelle" erfolgen muss – in diesem Fall also in den nächsten 20-Uhr-Nachrichten der Tagesschau. Nichts davon geschah.

Was die Aufnahmen wirklich zeigen

Am 9. November teilte die Journalistin Annet de Graaf zunächst mit, dass sich die Tagesschau bei ihr – anders als gegenüber ihren Zuschauern – "für den Missbrauch meines Filmmaterials" entschuldigt habe. 

Dann zählt sie weitere große Medien auf, von denen sie dies bis dahin vergeblich verlangt habe: die Bild, CNN, BBC World, den Guardian und die New York Times. Von ihnen fordert sie:

"Eine Entschuldigung, eine Entfernung meines Filmmaterials und die Wahrheit. … Schreiben Sie auf: Maccabi-Anhänger haben nach dem Spiel Amsterdamer Bürger vor dem Hauptbahnhof angegriffen. Im Journalismus geht es darum, die Wahrheit herauszufinden. Nicht darum, mit einer Wendung des Drehbuchs Geld zu verdienen. Es ist Zeit, der Realität etwas Respekt zu zollen. Das ist Ihr Job."

Überdies bezog sich de Graaf auf weiteres Filmmaterial des jugendlichen Reporters Ome Bender. Dieser habe ausführlicher über das Geschehen vom Ort des Geschehens berichtet, erklärte sie. Die Aufnahmen der beiden im Vergleich decken sich demnach. Das gesamte Video von Bender ist unter anderem auf YouTube zu sehen.

Ganz klar geht daraus Folgendes hervor: Israelische Hooligans ziehen nach dem Spiel in großen Pulks, rassistische Parolen grölend, zum Amsterdamer Bahnhof. Einige reißen Eisenstangen und Holzlatten aus ihren Verankerungen. Damit bewaffnet randalieren sie und gehen auf Passanten los. An einer Stelle bedrohen sie sogar den 14-jährigen Reporter und versuchen, ihn an der Dokumentation des Geschehens zu hindern.

Propagandalügen fürs Narrativ

Wahrscheinlich wird es unmöglich bleiben, das gesamte Geschehen detailliert zu rekonstruieren. Fest steht allerdings schon jetzt: Die Darstellung in der deutschen Presse besteht zum großen Teil aus Weglassungen und Erfindungen, um das Narrativ eines "antisemitischen Pogroms" zu verbreiten – das es in Wahrheit jedoch nie gegeben hat.

Was man sagen kann, ist wohl Folgendes: Die israelischen Fußball-Hooligans zogen zwei Tage lang gewalttätig randalierend und pöbelnd durch Amsterdam – sowohl vor als nach dem Spiel. Sie feierten das Töten von Palästinensern und griffen arabisch aussehende Menschen, darunter Taxifahrer, an.

Wie die Junge Welt mit Verweis auf weiteres Videomaterial berichtet, gingen sie überdies auf dunkelhäutige Menschen mit einem "Affengrunzen" los. Selbst am Amsterdamer Flughafen, von wo aus sie nach dem angeblichen "Pogrom" von der israelischen Armee "evakuiert" wurden, johlten sie rassistische Gesänge, wie ein weiteres Video nahelegt

Im Klartext: Gewalttätige Hooligans haben randaliert, Leute rassistisch beleidigt, bedroht und geschlagen, privates Eigentum zertrümmert und verbrannt – und dafür dann, auf Deutsch gesagt, ordentlich "aufs Maul bekommen". Das medial verbreitete Narrativ, die Hooligans seien unschuldige Opfer eines "antisemitischen Mobs" geworden, ist schlicht eine Propagandalüge, manipulativ "untermauert" mit offensichtlich unrechtmäßig genutzten und fehlgedeuteten Filmaufnahmen – und ganz vorn dabei die Tagesschau.

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