Meinung

Gedanken des Balkonisten – Von langweiligen Drehbüchern und schlechten Verlierern

Unser Balkonist ist am Sonntag vor dem Fernseher eingeschlafen. Ob das an den langweiligen Drehbüchern der Tatort-Folgen liegt, die dem Publikum in letzter Zeit zugemutet werden? Oder doch eher an den Drehbüchern der Westmedien, die dem Zuschauer allzu oft die alte Leier vom Wahlbetrug und der Notwendigkeit von Farbrevolutionen weismachen wollen?
Gedanken des Balkonisten – Von langweiligen Drehbüchern und schlechten VerlierernQuelle: Gettyimages.ru © Peter Turnley/Corbis/VCG

Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer

Vergangenen Sonntag ereignete sich des Abends ein seltsames Schauspiel: alle drei, Balkonist, Ehefrau Gertrude und Kater Murr III waren beim Fernsehen eingeschlafen, kurz nach den Tagesnachrichten, und somit während des vorab so hochgelobten Krimis. Etwas Derartiges kam, soweit sich unser Freigeist erinnern kann, nur äußerst selten vor. Diesmal war es Murr III, der die anderen mit einem gähnenden "Miau" und anhaltendem lauten Schnurren weckte und gleichzeitig anregte, auf einen anderen Fernsehsender zu wechseln.

Aber warum, fragte sich unser Balkonist insgeheim, waren sie derart müde geworden? Die Lösung dünkte ihm recht einfach: Es musste an den sich stets wiederholenden, oftmals durchsichtigen und langweiligen Drehbüchern liegen. Beim Krimi können den Schreibern schon mal die Ideen ausgehen, gerade weil so viele zeitgeistige Vorgaben berücksichtigt werden müssen. Waren das noch Zeiten mit Hauptdarstellern wie dem unvergessenen Götz George, der sich in den Filmsequenzen, eigentlich in Personalunion mit Schimanski, durchschlug, leibte und lebte; oder auch der zwischenzeitlich offenbar in Ungnade gefallene Til Schweiger, der nicht jeder Mode der political correctness hinterherhechelt! Aber für die heutigen Programmmacher ist solcherlei doch ein wenig zu derb, überraschend und polarisierend.

Das Drehbuch der Abendnachrichten war gleichsam durchsichtig und monoton: Es wurde nahegelegt, ja wahrscheinlich gemacht, dass das Wahlergebnis in Georgien manipuliert worden wäre. Dies hatte ja sogar die pro-europäische Präsidentin Surabischwili in einer Art "Kungelshow" zusammen mit den Oppositionskandidaten vor mitlaufenden Westkameras zum Besten gegeben. Folglich rief sie die vielen Unterstützer aus Europa und USA auf, der georgischen Opposition zu helfen – was dieselben ja auch im Vorfeld der Wahlen, ganz getreu dem diplomatischen Neutralitätsgebot, getan hatten!

Ebenso absehbar war denn auch, dass die EU-Granden und deren folgsame "Regierende" der halbsouveränen europäischen Staaten das Wahlergebnis ebenfalls anzweifeln würden. Die Medien gaben gar zum Besten, dass die (zusammengewürfelte) Opposition eigentlich das Rennen gemacht hätte – so als ob fast 54 Prozent der Wählerstimmen für die führende Regierungspartei gegenüber den 11 Prozent der zweitplatzierten (Oppositions-) Partei nicht so oder so ziemlich eindeutig wären!

Nun ja: Georgien ist eben nicht Frankreich, Österreich oder Deutschland, wo man Wählerstimmen-starke Oppositionsparteien noch durch parteipolitische Blockbildungen ins Abseits drängen kann – zu eindeutig ist das georgische Wählervotum!

Und schaut man auf der anderen Seite, sieht man, wie euphorisch die politmediale Elite das in der Tat merkwürdige Ergebnis der moldawischen Wahlen gefeiert hatte, als "Sieg der Demokratie" und "für eine rosige Zukunft Moldawiens in der EU" (also in dem blühenden europäischen Bürokratendschungel). Wobei die, rein statistisch gesehen, höchst unwahrscheinliche plötzliche Wendung des EU-Beitrittsvotums durch die im Ausland abgegebenen Stimmen, die zuvor deutliche Stimmenmehrheit vollkommen ausblendete. Ganz davon zu schweigen (was die bestdeutsche Medienlandschaft in beinahe geschlossener Einheitlichkeit auch getan hatte), dass in Moldawien durchaus aussichtsreiche, aber EU-kritische Oppositionskandidaten von vornherein ausgeschlossen worden waren.

Hier wie dort gab es allem Augenschein nach gewisse und nicht nur verbale Auseinandersetzungen im Vorfeld und während der Wahlen, wobei jedoch die ausgestrahlten Fernsehbilder keinerlei Zuordnung erlauben, wer wen zuerst provoziert hatte. Somit wären solche Aussagen wie "es gab Versuche der Einschüchterung von Wählern" etc. erst einmal kritisch zu hinterfragen – doch: Fehlanzeige! Und wie gesagt: Ähnliche Szenen gab es wohl auch in Moldawien, aber damit wollte man den deutschen Fernsehzuschauer nicht belästigen …

Nun aber wurden in Bezug auf Georgien, noch dazu besonders unisono, bezüglich möglicher Unregelmäßigkeiten einzelne Wahlbeobachter zitiert. Das heißt: Wahlbeobachter von OECD, Europarat, Europäischem Parlament und NATO. Wohlgemerkt soll es sich bei diesen ihrem Auftrag gemäß um neutrale und völlig unbefangene Beobachter handeln, die keinerlei Interessenkonflikte hegen dürfen (zum Beispiel hinsichtlich EU- und NATO-Strategien)! Unser Balkonist lernt dazu: Für eine einfache Botschaft an den Zuschauer dürfen unwesentliche Details im Drehbuch auch einfach mal weggelassen werden.

Als wäre dieses ganze Drehbuch nicht schon widersprüchlich und zugleich durchschaubar genug, folgt noch ein besonderer Aktionismus durch die offenbar wutschnaubende EU: die EU-Beitrittsgespräche mit Georgien jetzt "auf Eis zu legen". Eine Steigerung dieser selbstherrlichen Megalomanie wäre seitens der EU nur noch (analog zum Vorgehen gegenüber Venezuela), den artifiziellen Block der unterlegenen Oppositionsfraktionen zum rechtmäßigen Wahlsieger zu ernennen. Oder kommt dies vielleicht auch noch?

Zumindest aber gießt die georgische Präsidentin, mutmaßlich mit Unterstützung diverser Kräfte und Inkognitos aus dem Ausland, Öl ins lodernde Feuer der hochgekochten Emotionen: indem sie das Wahlergebnis nicht anerkennen will und zu Protestkundgebungen aufruft. So wie es eben schlechte Verlierer meistens machen und damit, psychologisch gesehen, eigentlich ihr Scheitern eingestehen.

Dennoch ist dies ein äußerst gefährliches und unverantwortliches Spiel mit dem Feuer; aber auch Groschenromane verwenden zumeist einen ähnlich simplen Handlungsablauf …

Und noch ein weiterer Aspekt kennzeichnet diese Art von Drehbüchern. Leider haben wir in letzter Zeit erleben müssen, dass Attentatsversuche überzufällig häufig hochrangige Personen treffen, welche von einer "hochmoralischen Elite der wertebasierten internationalen Ordnung" als hinderlich oder konträr erachtet werden. Erschrocken über diese Beobachtung, verleiht der Balkonist vor sich hin murmelnd seiner Hoffnung Ausdruck, dass um Gottes willen dergleichen nicht geschehen dürfe!

Soweit scheint auch der schnurrende Kater den Gedankengängen unseres Balkonisten wie mit telepathischer Begabung gefolgt zu sein. Nun aber unterbricht er abrupt sein ruhiges Schnurren, um den Kopf zum Bücherregal zu wenden, wo das gelbgebundene kleine Notizbuch des Balkonisten liegt. Der letzte Eintrag vor wenigen Tagen betraf seine Gedanken zum Drehbuch der sogenannten Farbenrevolutionen … Oder hat Murr III nur eine imaginierte Mehlmotte namens Saakaschwili am Bücherregal erspäht?

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