Terrorunterstützung: Was bedeutet die Anklage beim UN-Gericht gegen Deutschland und die Schweiz?
Von Afanassij Gontscharow
Am 4. Oktober 2024 veröffentlichte die russische Botschaft die Zusammenfassung eines Interviews mit Maria Sacharowa, der Pressesprecherin des Außenministeriums der Russischen Föderation. Im Text wird verlautbart, dass derzeit die offizielle Vorbereitung einer Anklage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen vier europäische Staaten im Gange ist. Anlass der Anklage ist der Vorwurf ‒ insbesondere an die Bundesrepublik Deutschland ‒, die offiziellen kriminalistischen Ermittlungen zu verschleppen, indem der terroristische Anschlag auf die beiden Nord-Stream-Pipelines nicht untersucht wird und die bereits vorliegenden Ergebnisse der sehr kurzatmigen Ermittlungen in Dänemark sowie Schweden zurückgehalten werden.
"Die Sprengung der Gasleitungen Nord Stream und Nord Stream 2 ist ein himmelschreiender Akt des internationalen Terrorismus. Derlei Anschläge werden in mehreren internationalen Verträgen geächtet, die die Staaten verpflichten, sie zu verhindern, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und mit anderen Staaten hierzu zusammenzuarbeiten", sagte Sacharowa. Mit dieser Aussage lieferte sie die Begründung für Russlands Pläne, die Vertuschung des Verbrechens nun auf juristischem Wege zu ahnden (RT DE berichtete). Welche Schritte vorgesehen sind und in welcher Reihenfolge sie vollzogen werden, hat Sacharowa in dieser Erklärung zusammengefasst:
"In diesem Zusammenhang hat die Russische Föderation in Übereinstimmung mit dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der terroristischen Bombenanschläge von 1997 und dem Internationalen Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus von 1999 vorgerichtlich Vorwürfe gegen Deutschland, Dänemark, Schweden und die Schweiz auf dem Amtsweg erhoben. Derzeit läuft die Phase einer vorgerichtlichen Beilegung, die in den Übereinkommen verbindlich vorgesehen ist.
Sollte diese Frage in dem Stadium nicht entschieden werden, will die Russische Föderation vor Gericht ziehen und diese Länder wegen Verstoßes gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen vor dem Internationalen Gerichtshof anklagen."
Die Finanzierung des Terrorismus ist ein schwerer Vorwurf, wobei die Kapitalströme, die terroristische Aktivitäten über Jahrzehnte nähren, weitgehend unentdeckt bleiben. Zu den primären Zwecken des Terrors gehört die Förderung der widerständigen Kräfte, und zwar auf allen Seiten. Dies destabilisiert Gesellschaften und führt zu Zwiespalt und Radikalität. Die Nord-Stream-Sprengung ist zweifelsohne ein Akt des Terrors, auch wenn bei der Attacke kein Mensch zu Schaden kam. Denn das Resultat dieser beispiellosen Aktion ist nicht nur die Kappung einer wirtschaftlichen Ader, sondern auch, dass gegenseitige Vorwürfe erhoben werden und eine Entfremdung auf zwischenstaatlicher Ebene erfolgt.
Die Entfremdung findet in erster Linie zwischen Russland und Deutschland statt. Die Attacke auf die grundlegende Infrastruktur, die beide Volkswirtschaften zum gegenseitigen Vorteil verbindet, hat im September 2022 die jahrzehntelangen Bemühungen um die Versöhnung zwischen Russen und Deutschen endgültig durchkreuzt. Der Versöhnungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg (eigentlich ein Wunder der Geschichte!) wurde in Deutschland seit Anfang der 2010er Jahre durch die Anschwärzung Russlands in den Medien und die Intervention in der Ukraine regelrecht torpediert. Zu Letzterer gehört die offene Beteiligung der Merkel-Regierung und der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) am antirussischen Regime-Change in Kiew. Doch zu dieser Entwicklung gab es in den Jahren danach ernstzunehmende Widerstände in der deutschen Politik und Wirtschaft.
Die Nord-Stream-Sprengung machte nicht nur den Weg für die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine frei, was in Russland nicht ohne Grund als erneuter Versuch eines nazistischen Feldzugs wahrgenommen wurde. Die Sprengung sollte ganz einfach dafür sorgen, dass die wirtschaftliche Erholung, insbesondere nach der sogenannten Pandemie, einfach nicht stattfindet. Und da es sich bei Deutschland um einen Energie-Hub durch die Nordanbindung an das paneuropäische Liefernetz handelt, werden davon auch alle anderen europäischen Staaten massiv beeinflusst. Das Ergebnis dessen sieht man aktuell: Stagnation der Wirtschaft und Innovation, Abwanderung von Betrieben, massive Insolvenzen ‒ auch als Nachwirkung der Pandemie ‒ und der Niedergang des Europäischen Wirtschaftsraums auf mindestens ein Jahrzehnt. Das lässt die Aggressivität wachsen, und die Suche nach dem "Schuldigen" für ihre Misere kann die verarmten Europäer wieder schnell in die Wälder und Steppen Russlands treiben – zumal in Russlands "Vorgarten", dem Baltikum, ohnehin schon seit Jahren "vorsorglich" durch Deutsche, Briten und andere NATO-Kräfte militärisch stark aufgerüstet wird.
Während Deutschland vor der Nord-Stream-Sprengung noch zögerte, Angriffswaffen wie Leopard-Panzer für die Auseinandersetzung mit Russland zu liefern, baut die Bundeswehr nun medienwirksam eine ständige militärische Präsenz in Litauen auf und bereitet sich energisch auf einen Krieg mit Russland vor. Dieser könne nach NATO-Berechnungen mit großer Wahrscheinlichkeit in fünf bis sechs Jahren stattfinden. Ohne die Sprengung von Nord Stream wäre diese Entwicklung erheblich erschwert worden.
Aber kann es auch sein, dass die Ursprünge der unterseeischen Terrorattacke auf die russisch-europäische Gaspipeline zurück in die Nazi-Vergangenheit Deutschlands führen? Zumindest, was deren Finanzierung angeht. Denn Krieg und Terror sind das, was vom Nazismus stets angefacht wird. Es wäre denkbar, wenn wir ein Muster des Umgangs mit Nazi-Kapital anhand des Beispiels von François Genoud anlegen. Dieser Schweizer Hitler-Verehrer und Nazi-Banker hat so ziemlich alles im Rechtsextremismus und internationalen Terrorismus des 20. Jahrhunderts finanziert. Wikipedia gibt dazu ausführlich Auskunft. Überall in der Welt, wo es brannte, war Genoud mit seinen Geldern dabei. Cordula Schacht, die Tochter des NS-Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht, ist seine Nachlassverwalterin. Zu diesem Nachlass gehören auch die Urheberrechte an den Werken von Joseph Goebbels – nur um das Bild des Wirkens dieses Nazi-Finanziers zu vervollständigen.
Ein weiteres Muster liefert die Finanzierung der Paramilitärs der ukrainischen Organisation OUN als Stay-behind-Armee gegen die Sowjetunion im Kalten Krieg. Heute ist diese terroristische Organisation weltweit vernetzt und in die staatlichen Strukturen der Ukraine eingegliedert. Ab Anfang der 1950er Jahre wurde die OUN durch finanzielle Mittel aus Rücklagen des zerschlagen geglaubten Nationalsozialismus unterstützt, die im Zuge der Operation Safehaven zwischen 1944 und 1946/47 ermittelt worden waren.
Zu nennen ist auch die Unterstützung der Mudschaheddin in Afghanistan in der Zeit bis 1989 und dessen Führung durch Osama bin Laden, der Al-Qaida, der Organisation des Islamischen Staates, der Muslimbruderschaft und anderer terroristisch operierender Organisationen. Den Höhepunkt dazu bildet die als "9/11" bezeichnete Operation, die der Al-Qaida zugeschrieben wurde. Strukturen, die mutmaßlich vom unbeachteten Nazi-Kapital finanziert werden können, sind international bestens vernetzt und agieren stets global. Wer genau heutzutage über dieses Kapital verfügt, ist bekannt, allerdings weder veröffentlicht noch durch die staatlichen Stellen der Bundesrepublik umfassend untersucht worden.
Zu beachten ist auch die Tatsache, dass der gewaltsame Tod von 27 Millionen sowjetischen Bürgern nicht durch die bedingungslose Reparationsleistung oder in angemessener, den nachhaltigen Schaden sühnender Wiedergutmachung restituiert oder zurückerstattet worden ist. Dies wurde durch die Haager Landkriegsordnung und diverse weitere völkerrechtliche Vereinbarungen geregelt. Verspätete und kleinere Beihilfen an die festgelegten Opfergruppen konnten an diesem Umstand kaum etwas ändern, zumal sich die deutsche Seite nach wie vor weigert, an die nichtjüdischen Opfer der Hungerblockade Leningrads etwas zu zahlen.
Eine von russischen Diplomaten im Jahre 1945 errechnete Pro-Kopf-Zahlung für die menschlichen Opfer des Vernichtungskrieges fand nicht statt. Laut russischen Medien hätten die Deutschen in Geld- und Gegenstandswert nur fünf Prozent des gigantischen Schadens, der dem Land und seiner Wirtschaft entstanden ist, zurückerstattet. Russland und Weißrussland haben vor Kurzem das Vorgehen der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gegen das Sowjetvolk offiziell als Genozid eingestuft. Früher haben die Behörden dieser Staaten lange darauf verzichtet, um den Prozess der Versöhnung mit den Deutschen nicht zu beeinträchtigen.
Im Zuge der Einschätzung der deutschen Kriegsverbrechen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als Massenmord ‒ insbesondere auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR, heute der Ukraine, Weißrusslands und Russlands ‒ stehen ebenso die Fragen der Reparation beziehungsweise Restitution sowie der endgültigen und nachhaltigen Neutralisierung aller wirtschaftlichen Konstrukte, die über die Jahre aus NS-Kapital aufgebaut und erwirtschaftet wurden, zur unbedingten Disposition. Dazu haben die heutige Bundesregierung und alle anderen vorherigen Regierungen Stellung zu beziehen, aber auch aktiv die notwendigen Schritte einzuleiten, dieses längst überfällige Thema nachhaltig zum Wohle aller Menschen nicht nur in Deutschland beziehungsweise Europa als Hausaufgabe der Zeitgeschichte zu erledigen.
Sicher werden auch andere geschädigte Staaten wie Polen und Griechenland sowie jüdische Strukturen Fragen haben, was genau es damit auf sich hat, offene Reparationsrechnungen nicht ordentlich zu begleichen. Vermutlich wird man im Auswärtigen Amt oder im Bundeskanzleramt keine Antwort darauf finden, wo beispielsweise die Parteikasse der NSDAP verrechnet wurde oder der Fonds des Freundeskreises Reichsführer Heinrich Himmler immer noch Untergrundaktivitäten weltweit finanziert. "Staatsräson" ist die eine Sache ‒ Menschen und Staaten gegeneinander aufzubringen, dazu entsprechende Strukturen und Stimmungen zu schaffen, ist eine andere.
Angesichts dieser Umstände ist in Zukunft von russischer Seite mit zahlreichen Forderungen und Ansprüchen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zu rechnen. Je feindseliger sie sich gegen Russland positionieren wird, desto eher.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.