Iran und Israel: Wie sich Faeser ganz viele Terroristen erfindet
Von Dagmar Henn
Wenn man vergessen will, was Recht und Gesetz eigentlich bedeuten, ist es sicher hilfreich, Innenministerin Nancy Faeser zu lauschen. Oder wenn man ein Modell für vollständigen rechtlichen Wahn sucht. Nicht, dass sie damit allein wäre, sie ist nur ein besonders extremes Exemplar.
Als es gestern in Berlin einige Menschen wagten, sich über den iranischen Raketenschlag gegen Israel zu freuen, griff sofort die Polizei ein. Aber fangen wir doch mit dem Bericht an, den der rbb darüber lieferte:
"Bei einer pro-palästinensischen Demonstration in Berlin-Wedding ist nach dem iranischen Raketenangriff auf Israel Jubel ausgebrochen. 'Raketen auf Israel abgeschossen', rief ein Mann am Dienstagabend, woraufhin zahlreiche Demonstrierende jubelten, klatschten und zum Teil trommelten, wie auf einem Video eines Reporters der Deutschen Presse-Agentur (DPA) zu sehen ist."
Die Berliner Polizei, richtig, diese Polizei, die jüngst erst einen Zwölfjährigen jagte, weil er eine palästinensische Fahne geschwenkt hatte, hat sofort eingegriffen. Es soll zu mindestens sieben Strafanzeigen gekommen sein und zu vier Festnahmen. Um welche Richtung es dabei geht (falls irgendjemand Zweifel hegen sollte), macht die Äußerung des Regierenden Bürgermeisters, Kai Wegner, klar:
"Wer in unserer Stadt Angriffe von Terror-Organisationen und Terror-Staaten bejubelt, wird eine deutliche Antwort des Rechtsstaats spüren."
Und damit ist, wen wundert es, nicht Israel gemeint, das mit Einsatz von 80 Tonnen Bomben, unter beiläufiger Zerstörung von mehreren Wohnhäusern und Hinnahme dutzender, in jeder Hinsicht unschuldiger Opfer einen hochrangigen Politiker eines Nachbarstaates ermordete. Was etwas befremdlich ist, denn die Ermordung von Hassan Nasrallah war nicht nur völkerrechtlich, sondern auch strafrechtlich ein Verbrechen. Terrorismus eben.
Nein, mit dem Wort Terrorstaat ist Iran gemeint. Bei der Gelegenheit würden etwas weniger Verblendete an die Tatsache erinnern, dass es da diesen Angriff bei der Amtseinführung des iranischen Präsidenten gab, nämlich gegen den Verhandlungsführer der Hamas, Ismail Haniyya, der auf offizielle Einladung im offiziellen Gästehaus war und bei dieser Gelegenheit durch einen israelischen Anschlag ermordet wurde. Leider wird weder in den deutschen Medien noch in der deutschen Politik so weit gedacht, dass, wenn ein derartiger Anschlag als legitim betrachtet wird, andere es ebenso legitim finden könnten, beispielsweise mit dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu ebenso zu verfahren, sollte er sich versehentlich auf Staatsbesuch in Berlin befinden.
Tatsächlich gibt es Staaten, die so etwas tun und für angemessen halten, und solche, die das nicht tun. Wenn man die deutsche Reaktion auf die Ermordung Nasrallahs betrachtet, fragt man sich durchaus, ob beispielsweise Russland, dem immer vorgeworfen wird, einen tschetschenischen Terroristen in Berlin ‒ ja, richtig ‒ "ermordet" zu haben, schlicht den Fehler begangen hat, dies nicht durch eine Rakete zu lösen. Das ist aus Berliner Sicht schließlich völlig in Ordnung.
Aber das Gerede des Herrn Wegner ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn da gibt es auch noch Frau Faeser. "Die Raketenangriffe des Irans seien durch nichts zu rechtfertigen", wird sie zitiert.
Wo genau sich Frau Faeser befunden hat, als während ihres Jurastudiums das Thema Völkerrecht dran war, bleibt unbekannt, im Hörsaal war sie jedenfalls nicht. Denn zum einen war dieser Angriff tatsächlich allein durch den erwähnten Mordanschlag in Teheran, der eine Kriegshandlung war, absolut gerechtfertigt, und zum anderen richtete sich der ganze iranische Angriff, das steht inzwischen fest, einzig gegen völlig legitime militärische Ziele. Übrigens ist das bei der Hisbollah ähnlich. Während die Israelis ganze Wohnsiedlungen bombardieren, jetzt auch im Libanon, hält sich die Hisbollah an völkerrechtlich erlaubte Ziele. Und zumindest bezogen auf Iran kann man klar sagen, dass es ihm technisch möglich wäre, Netanjahu in seinen Bunker Besuch von einigen Hyperschallraketen zu schicken ‒ dies aber nicht geschieht.
Der völkerrechtliche Kernpunkt ist nicht einmal die Frage von Angriff und Antwort. Es ist ein viel einfacherer Grundsatz, der sich in der UN-Charta findet: der Grundsatz von der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten anderer Staaten. Es ist schon besonders niedlich, wenn die gleichen Akteure, die ständig, wegen völlig normaler Medientätigkeit, Ländern wie Russland und China Einmischung in innere Angelegenheiten vorwerfen, nur weil deren Standpunkt vielleicht nicht ganz ausgeblendet werden kann, ganz und gar keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Libanon sehen, wenn Israel mal eben ein Regierungsmitglied wegbombt.
Jede Unterstützung "für die Terror-Organisationen Hamas und Hisbollah" sei schließlich in Deutschland verboten, so Faeser. "Jede Unterstützung ist damit eine Straftat. Propaganda für diese Terroristen kann konsequent verfolgt werden. Hier braucht es auch aus meiner Sicht glasklare Stoppzeichen."
Natürlich, in der Bundesregierung steht Faeser damit nicht allein. Bundeskanzler Olaf Scholz stellte sogar eine Forderung auf, die glasklar gegen das Völkerrecht verstößt (wer hat da gerade "territoriale Integrität" gesagt?):
Die Hisbollah muss sich aus dem Grenzgebiet des Libanon zurückziehen. Alle Beteiligten tragen Verantwortung für eine diplomatische Lösung. Darüber habe ich mit @gantzbe gesprochen. Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah darf nicht zu einem regionalen Flächenbrand werden. pic.twitter.com/8BJnL2AgNl
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) September 26, 2024
Man drückt sich in Deutschland gern um die Erkenntnis, aber die Hisbollah ist schlicht die Verteidigung des Libanon gegen Israel, das jahrelang Teile des Landes besetzt hielt und mehrfach bis Beirut eingefallen ist. Eine alte Aufnahme der Sängerin Julia Boutros, selbst maronitische Christin, lässt das erleben ‒ ein Stück, dessen Text auf einem Schreiben Nasrallahs beruht. Für das Land, das jahrzehntelang immer wieder israelischem Terror ausgesetzt war, war Nasrallah nicht einfach nur der Führer der Hisbollah, er war der Mann, der die Souveränität wiederhergestellt hat. Wir reden nicht von einem Angriff Israels auf die Hisbollah, wir reden von einem Angriff auf den Libanon. Allein die Tatsache, dass im Libanon nach dem Mord eine dreitägige Staatstrauer beschlossen wurde, ist deutlich genug.
Darum geht es beim Prinzip der Nichteinmischung: Es gibt nun einmal kollidierende Interessen zwischen Staaten, sodass des einen Schurke des anderen Held sein kann. Die einzige Weise, wie dennoch ein rationaler Umgang miteinander möglich ist, ist, diese Bewertungen aus den Beziehungen zwischen Staaten herauszuhalten.
Die logische Konsequenz hätte schon vor langem sein müssen, die Hisbollah, die Teil der libanesischen Regierung ist, nicht länger als "Terrororganisation" zu etikettieren. Die blinde Kooperation mit Israel macht das unmöglich. Wenn man aber darüber nachdenkt, wer tatsächlich terroristisch agiert, ist das weit eher der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Wie viele Bomben auf seinen Bunker wären also legitim?
Und wie ist es mit all den heuchlerischen, beschönigenden Berichten in der deutschen Presse, über die "Tötungen", bei denen es sich klar um politische Morde handelt? Mit den Euphemismen "Bodenoffensive" (Deutschlandfunk) und "Vorrücken" (Tagesschau) für den völkerrechtswidrigen israelischen Angriffskrieg gegen den Libanon? Handelt es sich bei all dem nicht um "Billigung einer Straftat"? Wäre es dann nicht angebracht, die Rathäuser mit libanesischen Flaggen zu behängen und die israelischen zu verbieten?
Die "islamistische Terrorpropaganda", die Faeser nun "schnellstmöglich von den Plattformen" löschen lassen will, ist nicht etwa Werbung für den IS, sondern Sympathiebekundung für Palästina, Libanon und Iran, die in diesem Zusammenhang Opfer sind und nicht Täter. Faeser kommt nicht einmal der Gedanke, dass sich unter jenen, die in Berlin über die iranischen Raketen gejubelt haben, mit Sicherheit Menschen befinden, die durch den israelischen Terror im Gazastreifen oder im Libanon Angehörige verloren haben. Sie macht einfach weiter wie immer, so wie Bundeskanzler Scholz kein Wort der Kritik wegen der Ermordung Nasrallahs fand, nicht einmal wegen der über tausend libanesischen Zivilisten, die bereits den israelischen Angriffen zum Opfer fielen, aber jetzt meint, die iranischen Raketen verurteilen zu müssen.
Nach zehntausenden Opfern des israelischen Genozids, angesichts der Ausweitung dieses mörderischen Wahns auf das Gebiet des Libanon, haben sie sich alle keinen Zentimeter von der unbegründeten und absolut widerrechtlichen Position entfernt, die sie bereits zu Beginn des Gaza-Kriegs eingenommen haben. Auch wenn inzwischen ein Blinder mit Krückstock erkennen kann, dass die israelische Politik absolut selbstzerstörerisch ist, und der einzige Gefallen, den sie der israelischen Bevölkerung tun könnten, darin bestünde, diesen genozidalen Irren in den Arm zu fallen.
Nein, das, was Faeser heute erklärt hat, lässt schon ahnen, womit die deutschen Gerichte in den kommenden Monaten überschwemmt werden: mit unzähligen Anzeigen wegen unerwünschter Sympathie für Palästina. Oder Libanon. Oder eben Iran. Deren Fahnen vermutlich demnächst alle nicht mehr gezeigt werden dürfen.
Währenddessen werden die U-Boote für Israel in Kiel weiter gebaut. Übrigens gab es einen Korruptionsskandal um diesen Auftrag, und Netanjahu hatte ihn durchgedrückt. 587 Millionen Euro von den 1,8 Milliarden, die diese U-Boote mindestens kosten, werden vom deutschen Steuerzahler beglichen. "Die Lieferungen der U-Boote nach Israel sind umstritten, weil diese nach Experteneinschätzung theoretisch mit Atomwaffen ausgerüstet werden können", schrieb der Spiegel noch 2022. Für das, was Scholz und Faeser da derzeit betreiben, müsste man ein neues Wort erfinden. Heuchelei oder Doppelmoral trifft es nicht einmal mehr ansatzweise.
Mehr zum Thema ‒ Ein unerschütterlicher Kämpfer gegen zionistische Unterdrückung ist tot
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.