Meinung

Die neuen Tricks der Faeserei

Messerverbotszonen? Ein guter Witz, sollte man denken. Aber bei Nancy Faeser ist am Ende etwas ganz anderes beabsichtigt, als öffentlich behauptet wird. Ihre Gesetze muss man mit der gleichen Aufmerksamkeit lesen, wie man durch ein Minenfeld gehen würde.
Die neuen Tricks der FaesereiQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.

Von Dagmar Henn

Gesetzentwürfe aus dem Hause von Bundesinnenministerin Nancy Faeser sind schlimmer als Versicherungsverträge. Es ist eine Qual, sie zu lesen, und man kann sich sicher sein, dass die unangenehmsten Bestimmungen besonders gut verborgen werden. Die beiden jüngsten Entwürfe, der "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems" und der "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung" entsprechen in dieser Hinsicht voll der Erwartung.

In beiden Fällen handelt es sich um eine bunte Sammlung von Detailänderungen, stets von mehreren Gesetzen und in Bezug auf ihre Lesbarkeit ganz auf der Höhe der Zeit, sprich, man kann sie nicht lesen, man muss sie dechiffrieren. Lebten wir nicht in Zeiten des Internets, die es möglich machen, fünf verschiedene Gesetze gleichzeitig einzusehen, man müsste daran verzweifeln. Eine komplette Übersicht über die möglichen Fallstricke wäre extrem zeitaufwendig, also will ich hier nur einige Punkte herausgreifen, um die Richtung zu verdeutlichen, und ich gestehe von vorneherein: Wer erwartet, dass wieder einmal in Bürgerrechte eingegriffen wird, erwartet richtig.

Der Anlass für beide Pakete war der Messerangriff auf das Volksfest in Solingen am 23. August; in Wirklichkeit finden sich allerdings einige Veränderungen, die Madame Faeser einige Zeit davor bereits wünschte. Einfaches Beispiel: ein erweiterter Zugriff des Verfassungsschutzes auf Kontendaten. Der findet sich in Paket eins und sieht folgendermaßen aus:

"In § 8a Absatz 1 Satz 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), das zuletzt durch (…) geändert worden ist, werden die Wörter 'Im Falle des § 3 Abs. 1 Nr. 1 gilt dies' durch die Wörter 'Für Satz 1 Nummer 1, 4 und 5 gilt dies im Fall des § 3 Absatz 1 Nummer 1' ersetzt."

Paragraf 8a trägt die Überschrift "Besondere Auskunftsverlangen". Im ersten Absatz wird beschrieben, bei wem sich der Verfassungsschutz Informationen einholen darf. Der Paragraf 3 (1) des Verfassungsschutzgesetzes ist die Aufgabenbeschreibung, "Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen über"... , und unter Nummer 1 findet sich die Beobachtung politischer Gegner: "Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben."

Das ist die Schublade, in der alles landet, was gerade als unpassend definiert wird, beispielsweise die erst vor wenigen Jahren erfundene "Delegitimierung der Regierung" oder die "Desinformation"; wie das aktuelle Etikettenangebot gerade aussieht, kann man dem jeweils frischesten Verfassungsschutzbericht entnehmen – oder eben den Erklärungen aus dem Hause Faeser.

Jetzt haben wir also entschlüsselt, was sich im erwähnten Paragraf 3 Absatz 1 Nummer 1 befindet. Vermutlich jeder einzelne Leser dieses Textes. Aber was soll da nun geändert werden?

Die derzeitige Version hat eine Einschränkung in Bezug auf innere politische Gegner. Da dürfen nämlich nur dann Gott und die Welt – also Fluggesellschaften, Banken und Telefondienstleister – befragt werden bei:

"Bestrebungen, die bezwecken, oder auf Grund ihrer Wirkungsweise geeignet sind,

  1. zu Hass oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder deren Menschenwürde durch Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden anzugreifen und dadurch die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu fördern und den öffentlichen Frieden zu stören oder
  2. Gewalt anzuwenden oder vorzubereiten, einschließlich dem Befürworten, Hervorrufen oder Unterstützen von Gewaltanwendung, auch durch Unterstützen von Vereinigungen, die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten oder androhen."

Nun weiß jeder, der die Strafverfahren verfolgt hat, die in letzter Zeit wegen "Volksverhetzung" eingeleitet wurden, dass das Kriterium der "Störung des öffentlichen Friedens" inzwischen ein Witz ist; wenn schon wegen Facebook-Beiträgen mit Minimalreichweite so getan wird, als hätten sie einen Aufruhr verursacht. Aber immerhin, so schwammig und wenig hilfreich diese Begrenzung bereits sein mag, es ist noch eine.

Und genau hier greift die Änderung. Dort, wo jetzt vom "Falle des § 3 Absatz 1 Nummer 1" die Rede ist, soll künftig stehen: "Für Satz 1 Nummer 1, 4 und 5 gilt dies im Fall des § 3 Absatz 1 Nummer 1". Bedeutet: Die bisherige Einschränkung, die zumindest eine gewisse öffentliche Wirksamkeit voraussetzt, entfällt für Auskunftsbegehren nach den Nummern 2 und 3, wobei 3 weggefallen ist. Und was verbirgt sich hinter Nummer 2?

Abfrage bei "Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Wertpapierinstituten und Finanzunternehmen zu Konten, Konteninhabern und sonstigen Berechtigten sowie weiteren am Zahlungsverkehr Beteiligten und zu Geldbewegungen und Geldanlagen, insbesondere über Kontostand und Zahlungsein- und -ausgänge".

Nachdem wir uns mühsam durch das Gewirr an Paragrafen gekämpft haben, ergibt sich also Folgendes: Mit diesen wenigen Sätzen will Faeser es dem Verfassungsschutz erlauben, den kompletten Zahlungsverkehr auf den Bankkonten aller Personen abzufragen, die irgendwie unter die vielen Definitionen politischer Gegner fallen.

Das hat natürlich rein gar nichts mit dem Messerangriff von Solingen zu tun, den erstens die komplette Konteneinsicht nicht verhindert hätte, und der zweitens gar nicht unter Paragraf 3 (1) 1 Verfassungsschutzgesetz fiele, sondern eher unter Paragraf 3 (1) 2, sofern man das tatsächlich in die Richtung IS schiebt, während es ansonsten um Verhinderung von ganz gewöhnlichen Gewalttaten ginge, die ohnehin nicht in die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes fallen, sondern in die der Polizei. Oder der Psychiatrie.

Das ist ein typischer Fall von Faeserei. Ganz klammheimlich und unter einer täuschenden Überschrift wird ein Grundrechtseingriff vorgenommen, der ausgesprochen gravierend ist. In diesem Zusammenhang gehört aber auch noch eine ganz kleine Änderung aus Paket Nummer zwei. Der Zusammenhang ist nicht zwingend; aber es verbirgt sich in dem Gesamtpaket eine Richtung, die geradezu unheimlich ist.

Jetzt sind wir bei einer Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes. Warum das mit der Änderung des Verfassungsschutzgesetzes zu tun hat, erschließt sich erst später. Jedenfalls soll dort Paragraf 9 durch einen siebten Absatz ergänzt werden, der es dem BKA ermöglicht, "Verpflichtete nach § 2 Absatz 1 des Geldwäschegesetzes", das sind alle Banken, Versicherungen und Finanzdienstleister, aber auch Anwälte, anzuweisen, auch wenn das BKA eine Datenabfrage gemacht hat, die Leistungen nicht einzustellen oder zu verteuern, sondern bis zu sechs Monate weiterzumachen; für diesen Fall werden sie straffrei gestellt.

Grundlage für das Auskunftsbegehren des BKA ist "eine schwere Straftat nach § 100a Absatz 2 Strafprozessordnung". Die Liste ist lang, und ich spare es mir, sie komplett einzukopieren. Wichtig ist allerdings, dass sie alle Straftaten enthält, die gleich in einem ganz anderen Zusammenhang wieder auftauchen werden. Übrigens, dieser Paragraf 100a der Strafprozessordnung enthält die Liste der Straftaten, wegen denen eine Telefonüberwachung angeordnet werden kann, und auf dieser Liste findet sich auch der aktuelle Liebling für politische Strafverfahren, Paragraf 130 des Strafgesetzbuches (Volksverhetzung), für den derzeit wohl so etwas wie "Free Palestine" genügt.

Die Verknüpfung zwischen der ersten und der zweiten Änderung ist folgende: Sobald der Verfassungsschutz nachfragt, kündigen bisher die Banken sofort das Konto. Das ist für die Behörde aber unbefriedigend, weil sie beispielsweise die Namen von Spendern haben wollen. Die Änderung im Gesetz des Bundeskriminalamtes liefert jetzt eine Handhabe dafür, die Fortführung anzuordnen, um die Datenquelle nicht zu verlieren. Das muss über das BKA-Gesetz laufen, weil der Verfassungsschutz keine Exekutivbefugnisse hat (zumindest offiziell).

In Kombination ergibt sich aus diesen beiden Änderungen, die in zwei verschiedenen Gesetzespaketen verborgen sind, die angeblich islamistischen Terrorismus bekämpfen sollen, eine Option, Bankkonten zum großzügigen Abfischen von Daten zu nutzen. Was beispielsweise bedeuten kann, dass sich der Verfassungsschutz auf das Konto der AfD Thüringen setzt und jeden einzelnen Zahlungsein- und -ausgang mitliest. Das Gleiche gilt aber auch für die Organisatoren von Friedenskundgebungen oder die Betreiber alternativer Nachrichtenportale. Für sie alle gibt es ein jeweils passendes Etikett der Behörde, und sie alle sollen finanziell komplett überwacht werden dürfen.

Ein weiterer wichtiger Punkt im ersten Paket ist eine Änderung des Waffengesetzes. Auch da finden sich Merkwürdigkeiten. Man muss schon besonders abergläubisch sein, um zu meinen, dass eine Waffenverbotszone etwas Reales bewirkt, selbst wenn sie mit Piktogrammen markiert wird. Interessant ist hier der Punkt der Durchsetzung dieses Verbots, der neue Paragraf 42c Waffengesetz.

Wo eine Waffenverbotszone besteht, kann "die zuständige Behörde (...) Personen kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen sowie die Personen durchsuchen". Und nun der gut verborgene Pferdefuß: "Die Auswahl der nach Satz 1 kontrollierten Personen anhand eines Merkmals im Sinne des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund ist unzulässig."

Nun gibt es sicher einige, die das erst einmal erfreut lesen, weil damit das berüchtigte "Racial Profiling" ausgeschlossen ist (auch wenn bei Messerangriffen, zumal mit terroristischer Absicht, die Wahrscheinlichkeit eines mitteleuropäischen Täters gering ist); aber ganz nebenbei umfasst der Artikel 3 des Grundgesetzes auch das Geschlecht. Die Konsequenz, die sich aus dieser Formulierung ergibt, hat mit dem vermeintlichen Grund gar nichts mehr zu tun. Die "Messerverbotszonen" sollten ehrlicherweise "Durchsuchungszonen" genannt werden, denn durch diese Formulierung wird auch die Oma von nebenan zum Ziel der Durchsuchung.

Derartiges, dass auf bestimmten Plätzen oder auf Bahnhöfen, aber auch in öffentlichen Verkehrsmitteln jeder zum Verdächtigen gemacht wird und sogar einer Leibesvisitation unterzogen werden kann, wäre nie und nimmer durchsetzbar, wäre es offen auf den Tisch gelegt worden. So gibt es den Vorwand, nämlich konkrete Angriffe aus einer konkreten Gruppe, aber weil man ausnahmsweise so grundgesetzestreu ist, müssen dann leider, leider alle durchsucht werden können, weil das ja sonst diskriminierend wäre. Die Folgewirkung geht so weit über das Erforderliche hinaus, dass man fast annehmen möchte, die Taten, die diese Maßnahmen ermöglichen, wären erwünscht gewesen. Wie praktisch, wenn man an vielen zentralen Stellen jede beliebige Person anhalten und durchsuchen kann.

Aber wo wir schon einmal beim Waffengesetz sind – die Regelungen für einen Waffenschein werden deutlich verschärft, allerdings nur bezogen auf bestimmte Straftaten. Wer in Deutschland einen Waffenschein beantragt oder besitzt, muss die "erforderliche Zuverlässigkeit" aufweisen. Die galt bisher als nicht gegeben, wenn jemand wegen eines Verbrechens oder wegen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. Hier kommt nun eine gewaltige Änderung, die auf den ersten Blick völlig unsinnig erscheint.

Es wird nämlich eine ganze Liste von Straftaten eingefügt, bei denen bereits eine Verurteilung zu 90 Tagessätzen genügt. Erinnern wir uns daran, dass hier angeblich terroristische Straftaten von Islamisten der Grund sein sollen. Einige der Straftaten, die angeführt werden, können aber nur von Deutschen begangen werden, wie in Paragraf 84 im Strafgesetzbuch "die Fortführung einer für verfassungswidrig erklärten Partei" zum Beispiel. Abgesehen davon, dass derzeit das Angebot an derartigen Parteien bei null steht. Andere Straftaten auf dieser Liste, bei der ein Viertel des sonst üblichen Strafmaßes genügt, sind der Verstoß gegen ein Vereinsverbot, landesverräterische Agententätigkeit (noch so ein Exklusivdelikt für deutsche Staatsbürger), die Offenbarung von Staatsgeheimnissen ... die Liste endet zum Glück beim Paragraf 129b, der Liebling Paragraf 130 ist also nicht dabei.

Es handelt sich aber fast nur um Staatsschutzdelikte. Mit einem leichten Schlag in Richtung Spionage, Sabotageverdacht und Ähnlichem. Auch das sind wieder Handlungen, die sicher nichts mit dem Solinger Messeranschlag zu tun haben, aber sehr an die politische Rhetorik erinnern, die sich zuletzt immer weiter verschärft und versucht, schon aus Meinungsäußerungen einen Fall von Agententätigkeit zu machen. Warum plötzlich Verurteilungen wegen bestimmter Vergehen schwerer wiegen sollen als andere, wird nicht weiter begründet. Aber im Zusammenhang mit der Schlagseite der politischen Propaganda (und insbesondere wegen der Nennung des Paragrafen 84 im Strafgesetzbuch, dem gerade das Objekt fehlt) hinterlässt das ein unheimliches Gefühl. Schließlich dient die gleiche Liste auch als Grundlage, bereits erteilte Waffenscheine wieder zu entziehen.

Diese hübsche Liste macht nur unter einer Voraussetzung Sinn – wenn eine Absicht besteht, genau diese Straftaten zur Grundlage politischer Verfolgung zu machen. Denn bisher sind sie so selten, dass sie in der bundesdeutschen Kriminalstatistik nicht einmal auftauchen. Warum sollte man also den Aufwand treiben, sie aufzuzählen und für sie eine gesonderte Regelung zu schaffen? Weil insgeheim die deutschen Straßen vor James Bonds wimmeln, die aber alle brav einen deutschen Waffenschein beantragen?

Das ist wohlgemerkt nur ein kleiner Teil der nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen, in denen sich auch noch solche Späße verbergen wie die Ausbildung von künstlicher Intelligenz, damit die Auswertung von Daten zur Gesichtserkennung schneller erfolgen kann. Aber es sind die Änderungen, die am deutlichsten erkennen lassen, dass es um den nächsten Schritt der fortgesetzten politischen Freiheitsberaubung geht, an dem Madame Faeser arbeitet, die gefährlichste Besetzung eines deutschen Innenministeriums seit Wilhelm Frick. Aber der Bundestag dürfte auch dieses Paket wieder durchwinken.

Mehr zum Thema"Sicherheitspaket" der Bundesregierung: Kritik von IT-Organisationen an Massenüberwachung 

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.