Meinung

USA: Der Attentäter, ein mörderischer Ukraine-Fan – und wie sich deutsche Medien verbiegen

Es ist schon komisch. Anders als bei dem Attentäter in Butler gibt es diesmal Unmengen an Material über den verhinderten Schützen. Selbst die US-Medien erwähnen seine Verbindung zur Ukraine. Die deutschen versuchen aber, dieses Detail zu umgehen.
USA: Der Attentäter, ein mörderischer Ukraine-Fan – und wie sich deutsche Medien verbiegen© LinkedIn/X

Von Dagmar Henn

Es ist schon ungewöhnlich, wenn die deutschen Medien noch rigider mit unpassenden Informationen umgehen als selbst die Medien in den USA. Der zweite versuchte Anschlag auf Donald Trump ist wieder einmal eine Gelegenheit, die entscheidenden Informationen in einem schwarzen Loch verschwinden zu lassen.

Kaum jemand dürfte wirklich überrascht sein, dass es zu diesem zweiten Versuch kam. Und ebenso wenig dürfte es überraschen, dass der gescheiterte Attentäter wie ein geradezu ideales Werkzeug wirkt. Was man allerdings nicht erfährt, wenn man die deutsche Presse konsumiert.

Die Tagesschau schreibt beispielsweise unter Berufung auf US-Medien, der Mann, Ryan Routh, habe sich "in der Vergangenheit in Onlinediensten kritisch gegenüber Trump geäußert." Und dann wird noch erwähnt:

"Im März 2022 hatte R. etwa im Onlinedienst X angekündigt, in die Ukraine reisen zu wollen. Er sei bereit 'zu kämpfen und zu sterben.'"

In der Frankfurter Rundschau steht nur ein Satz:

"In einem Interview mit der New York Times im vergangenen Jahr hatte der Mann gesagt, er sei nach der russischen Invasion in die Ukraine gereist und wollte afghanische Soldaten rekrutieren, um dort zu kämpfen."

Der Stern ist wenigstens so nett, einen Link auf eine US-Seite zu setzen, die ihn 2023 interviewt hat, und erwähnt, dass er Söldner für die Ukraine angeworben hat (die natürlich, weil das die "Guten" sind, hier "Freiwillige" genannt werden). Es sei nicht einfach, mit den ukrainischen Behörden zusammenzuarbeiten, wird er zitiert.

Auch die Zeit ist in diesem Punkt ausgesprochen zaghaft.

"In einem Interview mit der New York Times im vergangenen Jahr hatte der Mann gesagt, er sei nach der russischen Invasion in die Ukraine gereist und wollte afghanische Soldaten rekrutieren, um dort zu kämpfen."

CNN gibt deutlich mehr Details. Es wird erwähnt, dass er angeboten habe, in Afghanistan Kämpfer zu werben. Es wird auch ein Screenshot gezeigt, der ihn auf dem Maidan-Platz in Kiew zeigt, "bei einer Demonstration zur Unterstützung der ukrainischen Truppen, die damals in der ukrainischen Stadt Mariupol gegen russische Kräfte kämpften."

Die "ukrainischen Truppen", um die es dabei geht, haben jedoch einen Namen: Asow. Ryan Routh, der sogar ein Buch zur Ukraine geschrieben hat, das er auf Amazon anbietet, war spätestens seit 2022 vor allem mit der Ukraine beschäftigt, war mehrmals dort, hat auf verschiedenste Weise versucht, Kämpfer für die ukrainischen Truppen anzuwerben und sich dabei – das ist auch für CNN unstrittig – als jemand ausgegeben, der im Auftrag ukrainischer Stellen handelt.

CNN wäre nicht CNN, wenn das erwartbare Dementi aus dem ukrainischen Militär nicht sogleich mitgeliefert würde. Wie glaubwürdig das ist, sei jedem selbst überlassen; immerhin blieb seine Tätigkeit in den USA unbehelligt, was dem Dementi eher widerspricht.

Er war außerdem mehrfach Interviewpartner verschiedener US-Medien. So erklärte er im April 2022 aus Kiew gegenüber AFP:

"Putin ist ein Terrorist, und er muss beseitigt werden, also brauchen wir jeden rund um den Erdball, um aufzuhalten, was sie tun, und jetzt hierherzukommen, und die Ukrainer dabei zu unterstützen, diesen Krieg zu beenden."

CNN zitiert seinen Sohn mit der Aussage, es klinge "nicht wie der Mann, den ich kenne, etwas Verrücktes, und noch weniger Gewalttätiges zu tun." Aber es wird auch ein Auftraggeber Rouths aus Hawaii zitiert, nach dem Routh, nach der Umsetzung eines Auftrags befragt, erst beleidigend wurde und dann hinzufügte, er sei in der Ukraine gewesen, um gegen die Russen zu kämpfen. "Ich habe gewissermaßen beschlossen, ich sollte das im Interesse meiner Familie auf sich beruhen lassen", erzählte der Mann.

Es gibt in den US-Medien also gewisse Hinweise. Wenn man beiseitelässt, dass jetzt natürlich niemand mehr irgendetwas mit ihm zu tun gehabt haben will – in Wirklichkeit ist es weder realistisch, dass jemand, der immer wieder in der Ukraine unterwegs ist und für diese Söldner anwerben will, keinen Kontakt zur CIA hatte, die immerhin nach semioffiziellen Aussagen in der New York Times dort um ein Vielfaches stärker vertreten ist als in der Bundesrepublik während des Kalten Krieges, noch, dass diese Aktivitäten auf heimischem Boden der NSA oder dem FBI entgehen. Auch wenn die Konten von Routh auf Facebook und X inzwischen gelöscht sind – das, was daraus in den verschiedensten Kanälen kursiert, belegt, dass er kontinuierlich mit dem Thema Ukraine befasst, wenn nicht davon geradezu besessen ist.

Mittlerweile lassen sich sogar Auszüge aus seinem Buch online finden. Im Kapitel 19 schreibt er beispielsweise unter der Überschrift "Warum kein Atomkrieg?":

"Wir müssen zuerst zuschlagen. (...) Es muss schnell sein und ein entscheidender und mächtiger Schlag, um das ein für alle Mal zu beenden. Wir müssen der Ukraine alle Atomsprengköpfe zurückgeben, die wir genommen haben, mit der einzigen Auflage, dass sie alle genutzt werden müssen."

Das ist unübersehbar Irrsinn, aber ein Irrsinn, der sehr nahe an dem ist, was Tag für Tag aus der Riege der Kriegstreiber zu hören ist, sei es Antony Blinken, der US-Außenminister, oder der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Es ist diese Ähnlichkeit, die zur schnellen Löschung beigetragen haben dürfte.

Selbst die Hindustan Times berichtet von der Löschung der Konten des Verdächtigen:

"'Mark Zuckerbergs Facebook hat sich gerade in die Wahlen 2024 eingemischt, indem es das Konto von Ryan Routh gelöscht hat', schrieb ein Nutzer auf X, nachdem er Bildschirmfotos des Facebook-Kontos teilte, auf denen 'nicht länger verfügbar' steht.' Nutzer können seine Seite nicht mehr erreichen, um all seine Posts gegen Trump und für Kamala und Biden zu sehen."

Der Nutzen dürfte sich aber in Grenzen halten, denn Unzählige haben Posts aus diesen Konten kopiert. Ein kleines Beispiel:

Der Kommentar über den Schnappschüssen lautet:

"Ich weiß nicht, ob ich irgendwelche Regeln verletzte, aber hier sind alle Posts, die ich von Ryan Rouths Konto auf X/Twitter archivieren konnte. Der Kerl war BESESSEN vom Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Persönliche Sicht; nachdem er frustriert war vom ständigen Schreien in die Leere, wollte er bemerkt werden."

Es ist kaum übersehbar, dass Routh eine Macke hatte. Aber wenn man gezielt nach jemandem suchen würde, der einen solchen Anschlagsversuch unternimmt, wirkt Routh geradezu wie eine Idealbesetzung. Es würde nicht viel gebraucht haben, um ihn zu motivieren, und da man aufgrund seiner Aktivitäten spätestens seit 2022 davon ausgehen kann, dass Kontakte zur CIA und/oder dem ukrainischen SBU ohnehin vorhanden waren, wäre das noch nicht einmal zeitaufwendig, weil die ganze Phase, Vertrauen herzustellen, entfällt.

Natürlich ist es dennoch denkbar, dass er tatsächlich aus ganz eigenem Antrieb gehandelt hat. Allerdings irritiert die Kamera ein wenig, die er an dem Zaun installiert hatte, hinter dem er mit seinem Gewehr auf Lauer lag. Warum? Wenn eines sowohl für das Personal des Weißen Hauses als auch für das Regime in Kiew charakteristisch ist, dann ist es die Besessenheit mit PR. Dafür werden ganze Divisionen geopfert. Wenn es eines gibt, dass die US-Demokraten am Sehnlichsten für ihren Wahlkampf herbeiwünschen, dann sind das Bilder, die die Aufnahmen von Trump in Butler auslöschen, den Moment, in dem er aufstand und die Faust in den blauen Himmel reckte. Die einzige Weise, diese Bilder auszulöschen, wären Gegenbilder, die zeigen, wie Trump fällt.

Unter "normalen" Bedingungen wäre jemand wie Rouch unter Beobachtung durch das FBI. Außer, versteht sich, seine Anwerbungstätigkeit, sein Einsatz für Asow geschahen mit Billigung der US-Behörden. Sprich, hätte es keine Verbindungen zu US-Diensten gegeben, wären seine Pläne womöglich aufgefallen, ehe er versuchte, sie umzusetzen. Die entscheidende Frage, die übrig bleibt, ist, ob der Auftraggeber in Langley oder in Kiew sitzt, oder in Langley via Kiew.

Das deutsche Publikum wird allerdings von all diesen Fragen verschont bleiben. Stattdessen lässt sich der künftige Umgang mit diesem zweiten Mordversuch an Donald Trump heute bereits in der Berliner Morgenpost erahnen. Dort heißt es:

"Das zweite Attentat kann die Dynamik des zuletzt klar in Richtung von Kamala Harris gelaufenen Wahlkampfs abrupt beenden und Trump neuen Auftrieb geben. (...) Ab heute steht wieder die religiös verklärte Opfer-Figur Trump im Mittelpunkt. Seine Anhänger werden erneut an dem Mythos ihres angeblich von finsteren Kräften des 'tiefen Staates' verfolgten Anführers basteln."

Selbst Tipps für die Gegenkandidatin hält man für angebracht:

"Für Kamala Harris bedeutet die neue Lage, dass sie ihre Angriffe neu kalibrieren muss. Jedes harte Argument gegen Trump wird auf sein Potenzial abgeklopft werden, ob es Wirrköpfe inspirieren könnte, den Rechtspopulisten mit Gewalt von der politischen Bühne zu holen.

Bittere Nebenwirkung: Sachthemen über die Zukunft der Vereinigten Staaten werden es nun noch schwerer haben. Der Beinahe-Tod auf dem Golfplatz übernimmt die Regie."

Als hätte Harris, als deren Wahlkampfmotto "Joy", Freude, erkoren wurde, in Bezug auf Sachthemen je etwas zu bieten gehabt. Aber wohin man auch sieht im deutschen Mainstream-Medienzirkus, das Votum ist eindeutig, man will Harris. Und weil man sich in dem Attentäter sehen könnte wie in einem Spiegel, wird man die entscheidenden Punkte über ihn weiter verschweigen.

Die Vereinigten Staaten sind ein zweites Mal mit Glück durch einen Moment gekommen, der einen Bürgerkrieg hätte auslösen können, und vielleicht gibt es wenigstens jetzt dort einige, die angesichts der erwähnten Ähnlichkeiten erschrecken und nicht nur aus rein taktischen Gründen die "Angriffe neu kalibrieren". In der deutschen Zweigstelle der US-Neocon-Kriegstreiber sind die Aussichten dafür leider noch schlechter als in den USA.

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