Meinung

Journalismus – Standards und Oberflächlichkeiten

Wissen, "was ist", ist die Grundlage für unser alltägliches Tun und Lassen. "Sagen, was ist", ist in unserer real existierenden Demokratie die alltägliche Aufgabe des Journalismus. Dazu gehört dann auch, zu wissen und zu sagen, was im Journalismus ist. Ein Zwischenruf.
Journalismus – Standards und Oberflächlichkeiten© Screenshot Titelseite "Der Spiegel", Nr. 52, 22.12.2018

Von Em Ell

Noam Chomsky soll sinngemäß gesagt haben, dass die meisten keine Ahnung haben und dass sie noch nicht einmal davon eine Ahnung haben, keine Ahnung zu haben.

Wenn wir davon reden, "was ist", müssen wir davon reden, woher wir es wissen. In unserer modernen Medienwelt müssen wir daher vom Journalismus reden. Dafür sollten wir also etwas Ahnung haben, ganz generell.

Um sich über Sachverhalte sachdienlich auszutauschen, braucht es ein Verständnis der Sache – allein dafür, dass weitergehendes Verständnis überhaupt sinnvoll und hilfreich ist.

Standards in Journalismus und Wissenschaft sollen sachdienlichen Austausch ermöglichen, indem sie ihn sachlich nachvollziehbar machen.

Journalismus soll berichten, "was ist", das heißt von Tatsachen. Tatsache ist, dass wir von der Wirklichkeit berichtet bekommen. Also kann und muss man dann als Tatsache nur berichten, dass dies oder das berichtet wird. Dass es diese Berichte gibt, können wir überprüfen. Die Wirklichkeit, von der berichtet wird, können wir zumeist selbst nicht überprüfen. Wer Berichte über die Wirklichkeit als Wirklichkeit an sich darstellt, stellt Tatsachenbehauptungen auf, statt über Tatsachen zu berichten.

Das ist kein Journalismus und keine Kleinigkeit. Im Gegenteil. Berichte über die Wirklichkeit bestimmen unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit, unsere Handlungen in der Wirklichkeit und damit diese selbst. Nimmt man bloße Behauptungen über die Wirklichkeit für die Wirklichkeit an sich, so ist klar, welche Wirkungen darüber in Gesellschaften erzielt werden können. Die Corona-Krise hat dies drastisch gezeigt.

Das veranschaulicht unter anderem die in der Corona-Zeit allseits präsente Formulierung "Maßnahmen gegen das Virus". Tatsache ist, dass dies von offizieller Seite gesagt wird. Ob es tatsächlich so ist und die Maßnahmen etwa wirklich dazu dienen beziehungsweise dienen sollen, können wir selbst nicht überprüfen und damit nicht wissen. Wir können glauben, dass es stimmt, was offiziell gesagt wird, und dies als unsere Meinung äußern. Aber wir können nicht journalistisch als Tatsache berichten, dass es "so ist". Tun wir es doch, so geben wir Behauptungen anderer und unsere Meinungen über die Wirklichkeit als Wirklichkeit an sich aus – Manipulation statt Journalismus.

Sieht man sich als weiteres Beispiel das Auftreten von Aya Velázquez als "Journalistin" nach der Veröffentlichung der ungeschwärzten Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI) an – etwa wenn sie als Tatsachen von deren Echtheit, Vollständigkeit und vom mutmaßlichen Urheber der Veröffentlichung berichtet –, so sind journalistische Standards nicht erfüllt (mehr dazu hier). Und zwar ohne Not. Das heißt, der Verstoß gegen diese Standards ist völlig vermeidbar. Ob Velázquez unbewusst oder bewusst handelt, so oder so ist es kein seriöser Journalismus. Das provoziert zwangsläufig Fragen zu ihrer Rolle und Wirkung im Journalismus, die zur eigentlichen Sache, um die es gehen sollte, hinzukommen – und allein damit Zeit, Mittel und Aufmerksamkeit binden sowie für Verwirrung und Spaltung sorgen.

Hier wird "journalistisch" so unsauber verfahren wie in der Corona-Krise selbst, die durch Tatsachenbehauptungen der Medien in dieser Dimension mit all ihren gesellschaftlichen Auswirkungen und Verwerfungen erst ermöglicht wird.

Ähnliches gilt für Behauptungen etwa von Ernst Wolff und Tom-Oliver Regenauer, wonach der Westen und die BRICS unter einer Decke stecken. Das kann ihre Meinung sein. Die Frage ist, wie fundiert diese Meinung ist. Angesichts ihrer Argumentation über Verbindungen und Analogien ist es zu oberflächlich. Erst recht, wenn es als Tatsache behauptet wird. Um solche Aussagen seriös zu treffen, braucht es weitergehende Untersuchungen der Zusammenhänge. Einen Eindruck davon bietet soziologische Feldanalyse. An ihr kann man vor allem erkennen, welches weitergehende Verständnis überhaupt nötig ist, um in der Sache sachdienliche Aussagen tätigen zu können.

Was man angesichts solcher Standards sagen kann, ist, dass diese oder jene Aussagen und Darstellungen in dieser oder jener Sache zu oberflächlich sind. Das heißt nicht, weitere Beschäftigungen mit der jeweiligen Sache nicht zu unterstützen – hier etwa zu den RKI-Protokollen und zu den BRICS. Das wäre selbst unsachlich. Es heißt, Ahnung davon zu haben, dass es um ein Prinzip geht und wie wesentlich dieses Prinzip ist. Und dass das, was als "Aufklärung" im "Journalismus" daherkommt, mit altem Wein in neuen Schläuchen vom Regen in die Traufe führt, wenn im Prinzip dort genauso gearbeitet wird wie in den Medien, deren Tun und Lassen man angeblich auch aufklären und überwinden will.

Und ...

Grundsätzlich kann man sagen, dass solche sachlichen Oberflächlichkeiten systemisch sind, wenn die gesellschaftlichen Institutionen Medien, Wissenschaft und Justiz, von denen es in unserer real existierenden Demokratie heißt, dass sie Tatsachenbehauptungen und Tatsachen auseinanderhalten sollen, dies gerade dann nicht tun, wenn es besonders darauf ankommt.

So gibt es in der Corona-Zeit bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht von der Justiz keine unabhängigen Tatsachenermittlungen, wie sie zudem von Amts wegen vorgesehen sind. Wenn doch, werden sie stattdessen strafrechtlich verfolgt. Wolfgang Kubicki benennt im Zusammenhang mit den RKI-Protokollen diesen grundlegenden und offen zutage tretenden politischen Zustand, für dessen Erkennen es die RKI-Protokolle daher nicht braucht. Noch deutlicher äußert sich der Jurist Volker Boehme-Neßler. Im Interview mit dem Soziologen Marcus Klöckner spricht er die gesellschaftlichen Umstände für das Wirken der Institution Justiz und der Persönlichkeiten ihrer Amtsträger an.

Es geht um Prinzipielles, das sich im sachlichen wie persönlichen Auftreten und Wirken zeigt – und bei dem gewisse Verhaltensweisen von Akteuren und Publikum auch auf vermeintlich kritischer Seite letztlich genauso systemkonform sind.

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