Prügeln, treten, würgen: Deutsche Presse verschweigt Polizeigewalt gegen Palästina-Demonstranten
Von Susan Bonath
Totalzerstörung der Lebensgrundlage und Massenmord an der in einem Trümmerfeld eingesperrten Bevölkerung: Der sichtbare Vernichtungsfeldzug der Israelischen Armee (IDF) – auch mit deutschen Waffen – im Gazastreifen nimmt kein Ende. Jede Woche demonstrieren auch in der Bundesrepublik Menschen dagegen. Die deutschen Leitmedien stürzen sich auf jede unliebsame Parole, die möglicherweise fiel. Ihre Botschaft lautet: alles Kriminelle und Antisemiten. Nur über die exzessive Polizeigewalt berichtet sie nicht.
Berliner Polizei im Prügelrausch
Um von der Gewalt in Nahost geschockt zu sein, mit welcher der Besatzer-Staat Israel gegen die von ihm unterdrückte palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen sowie im Westjordanland vorgeht, muss man weder vertriebener Palästinenser noch besonders propalästinensisch eingestellt sein. Es reicht ein wenig Mitgefühl und ein halbwegs klarer Blick auf die realen Verhältnisse in diesem Konflikt. Diese zeigen doch sehr deutlich, wer der Unterdrücker und der Unterdrückte ist.
Gewalt ist offenbar auch Bestandteil der deutschen Staatsräson, die zwar kein Gesetz ist, aber maßgeblich das Handeln der Bundesregierung bestimmt. Bedingungslos unterstützt Letztere Israel mit Waffen und Ignoranz gegenüber schwersten Menschenrechtsverletzungen, die dieser Staat nicht erst seit dem 7. Oktober 2023 an Palästinensern verübt. Gewalt begleitet vielfach auch den Umgang der Polizei mit Gegnern der deutschen Israel-Politik, die Palästinenser ganz offensichtlich als Menschen zweiter Klasse betrachtet.
Polizeigewalt gegen nicht staatstragende Proteste sind in Deutschland nichts Neues. Viele Menschen auch außerhalb linker Gruppen und der Friedensbewegung haben solche in den letzten Jahren erfahren müssen, beispielsweise während der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen. Doch über Polizeigewalt im eigenen Staat haben deutsche Leitmedien niemals gern berichtet. Und wenn es einmal nicht zu leugnen ist, greift die bekannte Erzählung: Schuld seien natürlich immer nur kriminelle Demonstranten.
So verhält es sich auch bei den Palästina-Demos. Im Internet kursieren viele Videos, die exzessive Gewalt durch Berliner Polizisten zeigen. Auf Aufnahmen, die der Journalist Hanno Hauenstein veröffentlichte, schlägt beispielsweise ein Beamter einen fixiert am Boden liegenden Jugendlichen mehrfach mit der Faust in die Seite. Ein weiterer Polizist greift von hinten eine Frau aus der Menge und schleudert sie brutal zu Boden. An anderer Stelle würgt ein Beamter eine festgesetzte, hilflos vor ihm liegende Frau und herrscht sie an, sie solle aufhören zu schauspielern.
Wegschauen ist keine Lösung
Man mag einwenden, dass die Aufnahmen nicht zeigen, was vorher vorgefallen war. Doch wenn es tatsächlich eine Straftat gewesen sein sollte: Das berechtigt die staatliche Exekutive nicht, derart rohe Gewalt gegenüber unbewaffneten Personen anzuwenden, die sich bereits in einer hilflosen Situation befinden – dies keineswegs nur in Einzelfällen, sondern offensichtlich systematisch.
Polizeigewalt kann letztlich jeden treffen, der gegen die Regierung oder bestimmte politische Entscheidungen protestiert, ganz egal, ob man sich öffentlich gegen Waffenlieferungen nach Israel oder in die Ukraine ausspricht, soziale Kürzungen anprangert oder sich gegen staatliche Repressionen wie zu Corona-Zeiten wehrt. Selbst wenn es sich um Forderungen handelt, die man selbst nicht teilt, oder Personen betroffen sind, die man nicht mag: Wegschauen bei Polizeigewalt ist keine gute Lösung.
Dass ein Großteil der nicht betroffenen Bevölkerung dennoch wegschaut, liegt allerdings auch an den Medien. Zu Tatsachen, die einem nicht bekannt sind, kann man sich schlecht positionieren. Desinformieren durch Verschweigen unliebsamer Fakten und Aufblasen von Nebenaspekten, dazu ein paar negativ wertende Adjektive an entscheidende Stellen gesetzt: Fertig ist die Propaganda.
Manipulative Berichterstattung
Hat die Presse ihre Leserschaft erst einmal genügend emotionalisiert, ist so ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit schwer wieder aus vielen Köpfen zu bekommen. Wie so ein Zerrbild geschaffen wird, zeigt beispielhaft ein Bericht des öffentlich-rechtlichen rbb vom vergangenen Donnerstag.
Der Artikel beginnt mit einem Verweis auf einen Prozess gegen eine 28-jährige "propalästinensische Aktivistin vor dem Berliner Kriminalgericht", der letztlich wegen vieler Beweisanträge der Verteidigung vertagt wurde. In der Überschrift heißt es: "Festnahmen, Böllerwürfe und Rangeleien bei Pro-Palästina-Demo vor Berliner Gericht".
Dann schweift der rbb ab und erläutert, es sei bei Protesten vor dem Gericht "zu Tumulten und Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen" und die Beamten hätten zwölf Teilnehmer festgenommen. Später ist von "100 Demonstranten" die Rede, die "lautstark und aggressiv" Parolen gerufen und einige Böller geworfen hätten.
Was genau wie abgelaufen ist, bleibt unklar. Offenbar handelt es sich hier um die Version der Polizei. Über die regelmäßige Gewalt der Beamten gegen Teilnehmer, gerade in Berlin, verliert der Sender kein Wort. Hängen bleibt nur eins: das Bild von aggressiven, kriminellen Demonstranten.
Verzerrte Wirklichkeit
Erst zum Schluss erfährt der Leser, warum die Frau denn vor den Kadi muss: Sie habe im März auf einer Demo die von der Regierung verbotene – was mehrere Gerichte allerdings anders sahen – Parole "From the river to the sea – Palestine will be free" skandiert, zu Deutsch: "Vom Fluss bis zum Meer – Palästina wird frei sein". Per Strafbefehl wurde sie zu 40 Tagessätzen zu je 40 Euro verdonnert, also 1.600 Euro wegen einer Parole. Dagegen ist sie vorgegangen, was zu diesem Prozess führte.
Das klingt schon anders, und man darf sich durchaus fragen: Gewöhnlich werden Parolen auf Demos von einer größeren Menge skandiert. Schwer vorstellbar, dass die Frau die Einzige war, die sie gerufen haben soll. Geht der Staat hier etwa nach dem Motto vor: Bestrafe einen, erziehe Hunderte? Und: Warum beginnt der rbb ausrechnet mit allerlei ungeklärten Vorwürfen gegen Demonstranten, die mit diesem Prozess offensichtlich nichts zu tun haben? Auch der Kontext der Polizeigewalt fehlt komplett.
Man kennt diese Art der Manipulation – nennen wir es Propaganda – in anderen Zusammenhängen. Wie oft blickten Gegner der Corona-Maßnahmen ungläubig auf Medienberichte, die sich lasen, als erzählten die Journalisten über eine ganz andere Veranstaltung? So ging es schon vielen Regierungskritikern, etwa den Teilnehmern der sogenannten Friedensmahnwachen, die sich ab 2014 gegen den Maidanputsch in der Ukraine richteten, oder den Demonstranten gegen den G20-Gipfel im Jahr 2017 in Hamburg.
Täter ermitteln gegen sich selbst
Um so heuchlerischer ist es, wenn sich Politiker, Medien oder die Bundesregierung regelmäßig über Polizeigewalt, Zensur und Propaganda in sogenannten "autoritären Diktaturen" echauffieren. Zur Erinnerung: RT wurde nicht in China oder Iran, sondern in der EU verboten. Und Israelis können den Sender Al Jazeera nicht mehr empfangen.
Da ist das Mittel der Projektion besonders beliebt. Alles, was man selber tut, schiebt man dem Gegner in die Schuhe. Nur manchmal kommt es vor, dass sich die Flecken an der eigenen weißgewaschenen Weste nicht verstecken lassen. So war es kürzlich, als einer der zahlreichen Videobeweise für Berliner Polizeigewalt viral gegangen war. Der Spiegel berichtete, die Polizei versprach "Untersuchungen".
Nun ist es genauso wenig glaubwürdig, wenn die Polizei gegen Täter aus ihren Reihen ermittelt, wie die Versprechen der israelischen Armee, in ähnlicher Weise bekannt gewordene Kriegsverbrechen zu untersuchen. Was soll denn schon dabei herauskommen, wenn Täter gegen sich selbst ermitteln? Und außerdem: Schließlich hätten die Demonstranten "volksverhetzende Parolen gerufen". Genaueres wird nicht berichtet, ein Grund für große Skepsis ist das allemal. Denn die deutschen Qualitätsmedien – Selbstanspruch hin oder her – sind alles Mögliche, aber ganz bestimmt nicht neutral und objektiv.
Mehr zum Thema - Vor Berliner Gericht: Proteste bei Prozess gegen propalästinensische Aktivistin
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.