Planlos neoliberal: Fachkräftemangel – selbst gemacht
Von Susan Bonath
Der Markt regelt alles. Zuweilen klappt das nur nicht. Dann sprudeln Subventionen besonders rege auf die Konten mächtiger Großkonzerne. Die sollen mit dem Steuerzahlergeld die holpernde Profitmaschine ankurbeln. Maximalprofit um jeden Preis: Das ist der Kern der neoliberalen Doktrin des Westens. Planwirtschaft ist danach böses Teufelszeug. Entsprechend planlos schafft Deutschland seine Fachkräfte ab.
Denn will man Profite so schnell wie möglich maximieren, muss man die Kosten so weit wie möglich minimieren – zum Beispiel für Soziales, Löhne – und die Ausbildung. So kam es, wie es kommen musste: In seinem neuen Ausbildungsreport stellt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) der Bundesrepublik ein schlechtes Zeugnis aus: Noch nie hatten demnach so viele junge Menschen keinen Berufsabschluss wie heute. Anders ausgedrückt: Alle rufen nach Fachkräften, doch niemand will in sie investieren.
Azubis als billige Hilfskräfte
Fast drei Millionen Bundesbürger zwischen 20 und 34 Jahren – das ist jeder Fünfte in dieser Altersgruppe – haben laut DGB-Bericht keinen Berufsabschluss – ein neuer Rekord. Selbst wer über einen Abschluss verfügt, ist oftmals miserabel ausgebildet. Denn Unternehmen nutzen Azubis allzu gern als billige Helfer aus und setzen sie für alle möglichen fachfremden Arbeiten ein, wie der DGB wenig überraschend herausfand.
Dafür hatte der Dachverband über 10.000 Auszubildende befragt. Mehr als 15 Prozent von ihnen gaben an, "immer" oder "häufig"Tätigkeiten erledigen zu müssen, die mit ihrem Beruf nichts zu tun haben. Das waren 4,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei wissen viele nicht einmal genau, was sie wirklich lernen müssen: Über ein Drittel der Befragten verfügte nicht einmal über einen Ausbildungsplan.
Da ein ähnlich hoher Anteil selbst im letzten Ausbildungsjahr nicht wusste, ob der Betrieb sie übernehmen wird, fehlt vielen überdies das Ziel vor Augen. Verstärkt wird die Perspektivlosigkeit durch fehlende Informationen über Lernfortschritte. Fast die Hälfte erklärte, selten oder nie Auskunft darüber zu erhalten.
All dies geht oft einher mit Überstunden. Gut ein Drittel der Befragten gab an, regelmäßig länger arbeiten zu müssen als festgelegt, vielfach sogar ohne Vergütung oder Freizeitausgleich. Laut DGB ist das "ein klarer Verstoß gegen das Berufsbildungsgesetz". Überwachen will das offensichtlich keiner.
Fachkräftemigration als imperialistische Strategie
Zusammenfassen kann man das wie folgt: Viele Betriebe missbrauchen Azubis als billige Hilfskräfte, zuweilen sogar staatlich bezuschusst. Das führt dazu, dass sie zu wenig lernen und viele – der DGB spricht von einem knappen Drittel der Befragten – ihre Ausbildung ohne Abschluss vorzeitig abbrechen. Eine ernsthafte Bekämpfung des allseits beklagten Fachkräftemangels sähe anders aus.
Doch arrogant und blind für eigenes Versagen, wie der Westen immer war, schieben deutsche Politiker und Medien das Problem allein auf die "demografische Entwicklung", also die Alterung der Gesellschaft. Artikel dazu gibt es Unmengen im Internet, hier sei nur einer angeführt. Wie der Deutschlandfunk darin erläutert, setzt die Bundesregierung einseitig auf "qualifizierte Migration".
Mit Menschenfreundlichkeit, wie von der Bundesregierung gern vorgespielt, hat das aber nichts zu tun. Tatsächlich geht es hier um die Ausbeutung ärmerer Länder. Diese sollen die Ausbildung gefälligst finanzieren, damit Deutschland die Fachkräfte gleich fertig bekommt. Die Bundesregierung will ihre und die Kosten des deutschen Kapitals dafür nicht nur minimieren, sondern ganz auslagern, um anschließend das Resultat zu kassieren. Das ist auch eine Strategie, um den Globalen Süden arm zu halten. Es ist eine imperialistische Ausbeutungsstrategie.
"Opium fürs Volk"
Im neoliberalen "Gaga-Land" erfüllt diese Politik noch andere Zwecke. Zum Beispiel lässt sich so trefflich die Bevölkerung gegeneinander aufbringen. Solange diese damit befasst ist, einander Arbeitsplätze, Wohnungen und Sozialleistungen zu neiden, kommt sie nicht so schnell auf die Idee, sich gegen die Imperialisten und ihre politische Exekutive in den Regierungssesseln aufzulehnen.
So kann man dann auch wunderbar das Heer der Arbeitslosen aufstocken und drangsalieren (ein Muss im neoliberalen Kapitalismus), Löhne drücken, Arbeitsbedingungen verschlechtern und die Bevölkerung mit medial forciertem propagandistischem Unfug in Bullshitdebatten verstricken. Solch eine Prise "Opium fürs Volk", wie Marx und Lenin es zu sagen pflegten, ist aus Sicht der Herrschenden immer nützlich.
Und wer weiß: Vielleicht braucht Deutschland in absehbarer Zeit so manche Ausbildung gar nicht mehr. Wenn die Großindustrie weiter in Länder abwandert, wo die Ausbeutung noch besser klappt und die politisch hochgetriebenen Energiekosten um ein Vielfaches geringer sind, könnte sich das Problem der Qualifizierung für die meisten Einwohner Deutschland von selbst erledigen.
Nur eins scheint sicher: Unterstützung vom "großen Bruder" USA wird es dieses Mal mit überragender Wahrscheinlichkeit nicht geben. Im Gegenteil: Vermutlich knallen im Silicon Valley & Co. längst die Champagnerkorken angesichts der deutschen Vasallenpolitik.
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