Der falsche Skandal um die "Umweltstudie"
Von Dagmar Henn
Vor Jahrzehnten, als die ganze Öko-Bewegung noch jung war, gab es Brettspiele, die zeigen sollten, wie unterschiedliche Bereiche miteinander zusammenhängen. Inzwischen scheint genau diese Wahrnehmung völlig abhandengekommen zu sein, oder vielmehr – sie wird bestenfalls in einem sehr schmalen Tunnel genutzt.
Die Bundesregierung hat eine Studie zurückgehalten, in der es um die Klimawirkung staatlicher Subventionen gehen soll, und die Konzernmedien skandalisieren das gehörig. Schließlich hätte man auf dieser Grundlage noch alle möglichen weiteren Einschnitte fordern können, immerhin werden wir ja sonst alle verbrennen, wenn man den Klimajüngern glaubt.
In Wirklichkeit dürfte die Bundesregierung diese Studie zurückgehalten haben, weil sie mit den Folgen der Klimaideologie schon genug Probleme an der Backe hat. Das beginnt bei dem Habeckschen Heizgesetz und reicht bis zum unterwürfigen Schweigen bei der Sprengung von Nord Stream, das eben nicht nur im Verlust jedes Verantwortungsgefühls den Wählern gegenüber und in der Unterwürfigkeit gegenüber den Vereinigten Staaten wurzelt, sondern auch in der klammheimlichen Freude, damit die Vorstellungen einer "Energiewende" leichter durchsetzen zu können.
Und nun hat man den Salat, und wenn man die Zahlen liest, wie viele Industriebetriebe abwandern wollen oder bereits abgewandert sind oder schlicht die Produktion gänzlich beenden, wird einem ganz schwummrig. Da dann ein derartiges Gutachten vorzulegen, das die Klimajünger noch weiter in ihrem Glauben bestärkt und, vor allem, dubiosen Vereinen wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) eine Vorlage für weitere Klagen liefert (hätte Deutschland ein Gesetz zur Registrierung ausländischer Agenten, die DUH würde ganz oben auf der Liste landen), ist zumindest so lange eine schlechte Idee, solange in Deutschland noch Wahlen stattfinden. Logischerweise tönt eben dieser Verein lautstark:
"Es ist angesichts der eskalierenden Klimakrise unerträglich, wie die zuständigen Ampel-Minister Habeck und Lindner den Koalitionsvertrag mit Füßen treten, der den Abbau klimaschädlicher Subventionen fest vorsieht."
Klar, man kann da ganz dicke Zahlen herausziehen, und das geschieht auch, vom Spiegel über die Zeit bis zur Taz; 35,8 Milliarden würden also "Staatshaushalt und Klima zugleich belasten". Nachdem sämtliche dieser Medienerzeugnisse von Gläubigen dominiert werden, fällt dabei noch nicht einmal auf, dass es einen Grund für die Unterscheidung zwischen Subventionen und Steuerminderungen gibt. Im letzteren Fall wird nicht eine Steuer nicht erhoben, sondern die Berechnungsgrundlage der Besteuerung insgesamt verändert.
Und damit wäre man bereits bei den großen Brocken, die dieser Bericht identifiziert hat. Das ist vor allem die Energiesteuervergünstigung beim Diesel, die Pauschalbesteuerung privat genutzter Dienstwagen und die Entfernungspauschale.
Die Folgen des ersten Punkts lassen sich sehr schnell nachvollziehen (auch wenn das in den bisherigen Presseartikeln wieder einmal nicht geschieht) – immerhin geht es hier vor allem um gewerblich genutzte Fahrzeuge, insbesondere den Güterverkehr per Lkw, und auch um einen Teil des öffentlichen Nahverkehrs, nämlich die Taxen. Bei den gewerblich genutzten Fahrzeugen ist klar, dass höhere Kosten, in diesem Fall teurerer Diesel, auf die Preise aufgeschlagen werden. Was bedeutet, letztlich eben auch auf die Preise der Waren, die die Bevölkerung kauft, die sich sicherlich über einen weiteren Inflationsschub freuen würde. Sollten die Preise nicht erhöht werden können, führt das schlicht dazu, dass Unternehmen in diesem Sektor vom Markt verschwinden, weil sich der Betrieb nicht mehr rechnet. Auch eine kluge Idee, angesichts der Tatsache, dass der ganze Transportsektor derzeit bereits unter einem Mangel an Fahrern leidet.
Aber wozu so viel Wirklichkeit. Bei der Entfernungspauschale wird es noch ein wenig hübscher. Das beginnt damit, dass die ganze Untersuchung nicht einmal erwähnt, dass es diese Pauschale unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel ist, also an Nutzer des Bahnverkehrs oder des ÖPNV und Radfahrer genauso gezahlt wird wie an Autofahrer.
Hier bietet es sich an, einmal eine Passage aus dem Werk zu zitieren, auch um zu illustrieren, wie weltfremd die Sicht ist, die hinter diesen Berechnungen steht:
"Durch den Wegfall der Entfernungspauschale ist es weniger attraktiv, weite Strecken bis zur Arbeitsstätte zu pendeln. Dadurch erhöhen sich die Mobilitätskosten beim Berufsverkehr um rund 35 %. Mit einer angenommenen Elastizität von -0,15 [2] verringern sich damit die Pendeldistanzen um 5 % bis 6 %.
Eine veränderte Wohnstandort- bzw. Arbeitsstandortwahl (bei Jobwechsel) aufgrund der Entfernungspauschale ist schwierig zu modellieren und dementsprechend mit großen Unsicherheiten behaftet. Für das Szenario einer Abschaffung der Entfernungspauschale kommen Berechnungen mit dem Modell Pantha Rei [3] zu dem Ergebnis, dass der Pkw-Verkehr nach rund 10 Jahren um 2,3 % zurückgehen könnte. In UBA (2022) wird dadurch ein CO₂-Minderungsbeitrag von 2 Mio. Tonnen im Jahr 2030 berechnet [4]. Die vorliegende Wirkungsabschätzung ergibt einen Effekt durch Homeoffice von 0,65 Mio. t CO₂e sowie einen langfristigen Beitrag durch die Ortswahl (Wohnort bzw. Arbeitsort) von 1,65 Mio. t CO₂e im Jahr 2030 durch die Entfernungspauschale."
Schon allein die Formulierung, es sei "weniger attraktiv, weite Strecken zu pendeln", zeigt, wie wenig diese Wahrnehmung mit der Wirklichkeit zu tun hat. Es dürfte kaum jemanden geben, der es "attraktiv" findet, zu pendeln. Das Hauptmotiv liegt meist darin, dass am Wohnort eben kein entsprechender Arbeitsplatz vorhanden ist, oder dort, wo der Arbeitsplatz ist, kein bezahlbarer Wohnraum. Die Zeiten, in denen viele von der Stadt in die Vorstädte zogen, weil es ihnen in der Stadt zu hektisch oder zu unpersönlich war, sind lange her. Aber die Mieten in Arbeitsplatznähe sind oft so hoch, dass es selbst mit den Kosten, die das Pendeln verursacht, noch günstiger ist, an einem anderen Ort zu wohnen. Nebenbei bemerkt, die aktuellen Vorgaben beim Bürgergeld lauten, dass drei Stunden Fahrzeit täglich hingenommen werden müssen.
Wenn es sich aber um keine Entscheidung handelt, die auf dem freien Willen des Betroffenen beruht, dann kann man sämtliche Schätzungen zu einer "angenommenen Elastizität" getrost vergessen. Es gibt viele Berufe, in denen es kein Homeoffice geben kann, weder der Lehrer noch der Klempner oder der Fabrikarbeiter können schlicht von zu Hause aus arbeiten. Und der "langfristige Beitrag durch die Ortswahl"? So wie die grüne Wirtschaftspolitik aussieht, ist von Wahl nicht mehr viel übrig.
An diesem Ansatz wird die neoliberale Ideologie sichtbar, die zwar mitnichten dafür sorgt, jenen Raum zu erweitern, in dem Menschen tatsächlich aus freiem Willen entscheiden können, aber selbst in den Zusammenhängen, in denen es belegbar nicht um freien Willen geht, so tut, als ginge es darum. Wollte man tatsächlich die Entfernungen, die Menschen in Deutschland zur Arbeit zurücklegen, verringern, müsste man für ein ausreichendes Angebot an bezahlbaren Wohnungen sorgen, dort, wo die Arbeitsplätze sind. Das sind vor allem die großen Städte. Eine Streichung der Pendlerpauschale wird weder dazu führen, dass die derart Gekürzten ihren Wohnsitz oder Arbeitsplatz wechseln, noch, dass geringere Entfernungen zurückgelegt werden; sie führt nur dazu, dass das real verfügbare Einkommen der Bevölkerung sinkt.
Beim sogenannten "Dienstwagenprivileg" ist das etwas komplizierter. Hier ist die Wirkung verborgener, und man muss andere Daten hinzuziehen. Dabei sind folgende Faktoren wichtig: erstens, die Gewinne der Automobilindustrie beruhen vor allem auf den großen Autos, nicht auf den Kleinwagen. Das hat die unangenehme Folge, dass, wenn die großen Fahrzeuge nicht mehr verkauft werden, der Rest sehr schnell zum Verlustgeschäft wird. Ebendiese großen Modelle sind aber zu ungefähr 70 Prozent nicht im Privatbesitz, sondern Dienstwagen. Dabei geht es nicht nur um die großen Limousinen von Vorstandsvorsitzenden, sondern beispielsweise um die Autos, mit denen Versicherungsvertreter unterwegs sind.
Dabei leasen die betroffenen Firmen die Fahrzeuge in der Regel und kaufen sie nicht. Die Frage der privaten Nutzung dieser Fahrzeuge ist zwar für die Besteuerung der Nutzer relevant, spielt aber im Zusammenhang der Entscheidung, welches Fahrzeug gewählt wird, nur dann eine Rolle, wenn es eine Kleinfirma ist, die von einer Person betrieben wird, sprich, wenn die Person, die die Steuer auf die private Nutzung zahlt, auch die Person ist, die über die Fahrzeugwahl entscheidet.
Wenn also die Autoren dieses Papiers davon ausgehen, dass eine derartige Steuererhöhung zu einer Entscheidung für kleinere Fahrzeuge führt und damit das ach so gefährliche CO₂ in geringerer Menge entsteht, dann haben sie sich wieder einmal geirrt. Hätten sie recht, würden sie noch eine ganz andere Wirkung erzeugen, nämlich, dass die ohnehin schwierige Lage der deutschen Automobilindustrie sich weiter verschlechtert. Aber wer braucht schon Arbeitsplätze.
So ähnlich sieht es an vielen anderen Stellen dieser Studie aus. Der Glaube diktiert, dass unbedingt CO₂ eingespart werden muss; die realen ökonomischen Zusammenhänge werden dabei grundsätzlich ignoriert. Die Konsequenzen, die sich ergäben, treffen aber überwiegend den Geldbeutel der Normalbürger. Wenn etwa der verringerte Mehrwertsteuersatz auf tierische Produkte als CO₂-Ausstoß fördernde Subvention bewertet wird. Wir reden hier von Nahrungsmitteln, die Mehrwertsteuer ist eine direkte und damit ärmere überproportional treffende Steuer, und deshalb immer ungerecht. Egal. Wer braucht schon Gerechtigkeit.
Die Frage, die sich bei der ganzen Nummer stellt, ist, wozu dieses ganze Theater dient, nachdem die bisher bereits eingeführten "Klimaschutzmaßnahmen" schon katastrophal genug waren. Die Energie, mit der sich die ganze Presse jetzt auf dieses vermeintlich so brisante Dokument stürzt, legt im Grunde eine Vermutung nahe – dass vor den Bundestagswahlen im kommenden Jahr noch eine weitere Runde der Verschärfung im Klimazirkus durchgezogen werden soll, dieses Mal aber so, dass die Verantwortung für die Entscheidungen gewissermaßen ausgelagert werden kann. Dann war es eben dieser suspekte Lobbyverein DUH, der es eben erzwungen hat, auch noch die Entfernungspauschale abzuholzen und den Dieselpreis weiter zu erhöhen, und die Ampelkoalition kann ihre Hände in Unschuld waschen. Hauptsache, der Karren steckt so tief im Dreck, dass er nicht mehr herausgezogen werden kann. Und was eventuell zusätzliche Steuereinnahmen angeht, die werden dann ohnehin auf irgendwelchen Schlachtfeldern versenkt.
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