Meinung

Vor wem die EU wirklich Angst hat – und es ist nicht Trump oder Musk

Das größte Risiko für Brüssel nach dem Kamingespräch von Musk und Trump besteht darin, dass die Europäer unbequeme Wahrheiten voneinander erfahren könnten.
Vor wem die EU wirklich Angst hat – und es ist nicht Trump oder MuskQuelle: Gettyimages.ru © Joe Raedle/Getty Images)

Von Rachel Marsden

Als der Eigentümer von X, Elon Musk, ein digitales Kamingespräch mit dem ehemaligen US-Präsidenten und derzeitigen Spitzenkandidaten der Republikaner, Donald Trump, ankündigte, rastete zumindest ein EU-Beamter aus.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton reagierte auf die Online-Werbung für die exklusive Veranstaltung mit einer Drohung – die Art von Sache, die auf einem offiziellen Briefkopf eines Unternehmens (in diesem Fall der Europäischen Kommission) viel besser ankommt als, sagen wir, in einem flüsternden, nicht zurückverfolgbaren Telefonanruf.

"Ich schreibe Ihnen im Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen im Vereinigten Königreich und in Bezug auf die geplante Übertragung eines Live-Gesprächs zwischen einem US-Präsidentschaftskandidaten und Ihnen auf Ihrer Plattform X, das auch für Nutzer in der EU zugänglich sein wird", schrieb Breton an Musk.

Er warnte den Milliardär vor laufenden Untersuchungen über die Einhaltung der Vorschriften. Laut Breton müsse die "Verbreitung schädlicher Inhalte" eingedämmt werden, "die, wenn sie nicht behoben wird, schädliche Auswirkungen auf den zivilen Diskurs und die öffentliche Sicherheit haben könnte."

Ah, ja. Denn alles, was dem offiziellen Narrativ und der Agenda des EU-Establishments zuwiderläuft, wird allgemein als Bedrohung der öffentlichen Ordnung angesehen. Der Pöbel könnte tatsächlich einige unbequeme Realitäten entdecken, die besser erklären, warum das tägliche Leben in Europa schwieriger geworden ist als das unserer übergeordneten Gatekeeper.

Schlimmer noch, die Menschen könnten versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Das wäre für das herrschende Establishment allerdings noch unangenehmer, womöglich müssten sie dann einige ihrer Maßnahmen auf Kosten einiger undurchsichtiger Sonderinteressen überarbeiten.

Wie passend, dass es Breton war, der die jüngsten Unruhen im Vereinigten Königreich zur Sprache brachte. Diese wurden zwar nicht von einem echten Migranten verursacht, lösten aber dennoch einen öffentlichen Aufschrei über Migrations- und Asylfragen aus. Dabei ist das schon so "fake", dass die britische Regierung selbst versucht hat, das Ausmaß des Problems zu verbergen. Deshalb hat sie Migranten auf einem Offshore-Boot gelagert und vorgeschlagen, sie nach Ruanda zu schicken.

Breton schickte auch Linda Yaccarino, die Geschäftsführerin von X, eine Kopie seines Briefes. Das ist so, wie wenn ein Schuldirektor, der einen widerspenstigen Schüler schriftlich zurechtweist, auch der Mutter des Kindes eine Kopie schickt, damit sie ihm zu Hause eine ordentliche Tracht Prügel verpassen kann. Breton fand indessen heraus, dass es schwierig ist, die Mutter mit ins Boot zu holen, wenn das "Kind" in diesem Fall den ganzen Haushalt unterstützt.

"Dies ist ein noch nie dagewesener Versuch, ein Gesetz, das in Europa gelten soll, auf politische Aktivitäten in den USA auszudehnen", antwortete Yaccarino. "Außerdem werden damit die europäischen Bürger bevormundet, indem man ihnen unterstellt, sie seien nicht in der Lage, einem Gespräch zuzuhören und ihre eigenen Schlüsse zu ziehen."

Normalerweise wird die EU der Einmischung aus dem Ausland beschuldigt, weil sie mit Onkel Sam zusammenarbeitet, der dieses Mal nicht zur Unterstützung da war, als Musk selbst mit einem Meme aus dem Film Tropic Thunder zurückschoss – ein Standbild des Schauspielers Tom Cruise in seiner Rolle als Talentscout mit der Bildunterschrift: "Mach einen großen Schritt zurück und f**k dein eigenes Gesicht!"

Der Chefredakteur der digitalen Abteilung von France Inter, Stéphane Jourdain, zitiert Quellen der Europäischen Kommission. Demnach werde diese Musks Antwort zu ihren Akten gegen X hinzufügen. Aye, aye, Kommissare!

Oh, aber Moment mal. Es scheint, dass Breton dem EU-Clownmobil zuvorgekommen ist und nun eine tiefe Rückenmassage von den Reifenspuren der schrottreifen Klapperkiste bekommt. Die Europäische Kommission "bestritt, dass Breton die Erlaubnis ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen hatte, den Brief zu verschicken", berichtet die Financial Times. Breton weiß jetzt genau, wie sich EU-Bürger fühlen, wenn die nicht gewählte "Königin Ursula" die gleiche Art von Entscheidungen von oben nach unten für alle Europäer trifft, in der Art, wie der nicht gewählte Breton sie gerade Musk einseitig auferlegen wollte.

Wofür genau dieses ganze Drama? Dafür, dass Trump etwas sagen könnte, das nicht mit der EU-Propaganda übereinstimmt, die offenbar so schwach und zerbrechlich ist, dass sie präventiv vor allen potenziellen zukünftigen Herausforderungen geschützt werden muss, egal wie rational oder verrückt sie sind?

Es stellte sich heraus, dass die EU nicht viel zu befürchten hatte. Trump scheint überhaupt keine Ahnung zu haben, was in der Europäischen Union eigentlich vor sich geht.

"Sie nutzen die Vereinigten Staaten im Handelssektor aus", sagte Trump über genau das Europa, das von der Regierung Biden dazu gebracht wurde, seine Handelsbeziehungen mit Russland aufzugeben. Russlands billige Energie hatte es den Europäern erst ermöglicht, mit den USA auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Jetzt ist es stärker von dem teureren amerikanischen Flüssiggas abhängig. Das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten gegenüber der EU ist weitgehend das Ergebnis all der protektionistischen Zölle, die sie ihren anderen Konkurrenten wie China auferlegen. Diese Idee wird von Trump selbst seit langem unterstützt, wodurch die Vereinigten Staaten weniger Lieferanten als die Europäische Union haben. Die USA sind viel besser darin, sich selbst zu bescheißen, als es irgendjemand anderes könnte.

"Warum zahlen die Vereinigten Staaten unverhältnismäßig mehr für die Verteidigung Europas als Europa? Das macht keinen Sinn", sagte Trump zu Musk. "Das ist ungerecht, und das sollte man ansprechen." Doch tatsächlich fließt das US-Geld "für die Ukraine" größtenteils in den militärisch-industriellen Komplex der USA, was in Wirklichkeit ein gutes Geschäft für die Kumpane in Washington ist. Und wenn die Vereinigten Staaten verlangen, dass Europa mehr Geld für seine eigenen Waffen ausgibt, raten Sie mal, wer der große Gewinner ist? "Im Zeitraum 2019–2023 stammen 55 Prozent der Importe nach Europa aus den USA, im Zeitraum 2014–2018 waren es 35 Prozent", so der staatliche französische Nachrichtensender France 24 über die Waffen der EU.

Man braucht aber nicht zu erwarten, dass die Europäische Union eine dieser Aussagen Trumps klarstellt. Wenn Brüssel ehrlich wäre, würde es sagen: "Nun, eigentlich hat Trump Fake News verbreitet, als er sagte, dass wir nicht genug für die Ukraine zahlen. Unsere eigene Rüstungsindustrie fängt jetzt auch an, mit der Scharade Kasse zu machen."

Die EU wird wahrscheinlich auch nicht zugeben wollen, dass sie in allen Bereichen – auch im Handel – immer abhängiger von den USA geworden ist. Und das, obwohl die Trennung von Russland dazu dienen sollte, sich nicht zu sehr auf einen Partner festzulegen. Doch Trump tut jetzt so, als wüsste er nicht, warum Brüssel so abhängig geworden ist und die Vereinigten Staaten für den Kauf seiner Produkte braucht.

Je mehr Trump plappert, desto mehr kann der europäische Durchschnittsbürger selbst einschätzen, inwieweit seine Realität mit der seinen übereinstimmt. Und je mehr Klarheit herrscht, desto weniger Einfluss wird Trump auf sie haben. Deshalb könnte es für die EU sogar von Vorteil sein, ihn so viel wie möglich reden zu lassen.

Die Kehrseite der Medaille ist natürlich, dass eine offene Debatte über alles, was mit der EU zu tun hat und von Trump – und sei es auch nur ahnungslos – heraufbeschworen wird, auch Gefahren birgt. So besteht die Gefahr, dass die öffentliche Online-Diskussion über die Maßnahmen der Europäischen Union auch auf die konventionellen Medien übergreift. Und die Gefahr dabei ist, dass EU-Politiker mit hoher Wahrscheinlichkeit als unfähige Witzfiguren entlarvt werden.

Rachel Marsden ist Journalistin und politische Expertin in internationaler Politik. Sie ist Produzentin und Moderatorin verschiedener TV- und Radioproduktionen. Ihre Website heißt rachelmarsden.com

Der englische Originalbeitrag wurde vom RT DE Team übersetzt.

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