Meinung

Nochmals "Tiergartenmord": Wer war Selimchan Changoschwili?

Der Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen, bei dem auch der "Tiergartenmörder" freikam, bot deutschen Mainstreammedien Gelegenheit, das altbekannte russophobe Lied anzustimmen. Wie widerlich es ist, wird einem erst klar, wenn man sich mit der Lebensgeschichte des "Opfers" beschäftigt.
Nochmals "Tiergartenmord": Wer war Selimchan Changoschwili?Quelle: Sputnik © Andrei Stenin

Von Anton Gentzen

Der sogenannte "Tiergartenmord" ist infolge des Austauschs mehrerer Verurteilter zwischen Russland einerseits und den USA, Deutschland und anderen Ländern des "kollektiven Westens" wieder in aller Munde. Deutschland ließ im Rahmen dieser Aktion den 2021 durch das Kammergericht Berlin wegen der Tötung des georgischen Staatsbürgers tschetschenischer Abstammung Selimchan Changoschwili zu lebenslanger Haft verurteilten Wadim Krassikow frei.

Erwartbar echauffieren sich Deutschlands Mainstreammedien darüber. Die Tagesschau versteigert sich bei ihrer Berichterstattung gar von "Mördern und Spionen" zu fabulieren, während die Personen, die Russland im Gegenzug freiließ, unbescholtene "Dissidenten" und "Oppositionelle" wären.

Doch wer war dieser Selimchan Changoschwili überhaupt, der am 23. August 2019 im Berliner Stadtteil Moabit erschossen wurde?

Dieser Mann war keineswegs ein gewöhnlicher Kämpfer der beiden Tschetschenienkriege. Auch dort machte er mit besonderer Grausamkeit von sich reden und hat wohl Hunderte Menschenleben auf dem Gewissen. Doch das ist bei Weitem nicht alles: Changoschwili war mit hoher Wahrscheinlichkeit einer der Organisatoren der Explosionen in der Moskauer Metro, worauf der russische Präsident 2021 auf einer Pressekonferenz in Paris im Anschluss an den Gipfel im Normandie-Format hingewiesen hat.

Geboren wurde Changoschwili 1979 im Dorf Duisi im georgischen Pankisi-Tal, absolvierte eine Dorfschule in der Nähe seines Geburtsortes und ging in den späten 1990er-Jahren mit seinem älteren Bruder Surab nach Tschetschenien, um sich dort den Separatisten anzuschließen. Im August 2003 war Changoschwili an Angriffen auf Konvois der föderalen Streitkräfte auf der Straße zwischen den Siedlungen Alchasty und Galaschki in der Nachbarrepublik Inguschetien beteiligt. Damals wurden fünfzehn Soldaten getötet.

Im Sommer 2004 war Changoschwili an einem Angriff auf inguschische Behörden beteiligt. 98 Menschen wurden getötet, darunter 67 Ordnungskräfte, und weitere 104 wurden verwundet.

Nach dem zweiten Tschetschenienkrieg kehrte er zunächst nach Georgien zurück und wurde Geschäftsmann. Man sagt, dass er Honig nach Saudi-Arabien lieferte, eine Tischlerei organisierte und Investoren aus arabischen Ländern beriet, wie sie in Georgien Geld anlegen konnten. Angeblich eröffnete er sogar ein Café in Tiflis. Aus welchen Gründen Changoschwili seine Geschäfte aufgab und nach Deutschland zog, ist nicht bekannt, doch er tat es relativ schnell. Es ging zuerst in die Ukraine und von dort mit seiner Familie nach Berlin, während sein Bruder nach Schweden ging.

Die Terroranschläge in der Moskauer Metro hat er offenbar über seine geschäftlichen und kriminellen Verbindungen organisiert. Am Morgen des 29. März 2010 ereigneten sich mitten in der Hauptverkehrszeit in kurzer Abfolge zwei Explosionen in zwei Zügen der ältesten Moskauer Metrolinie. 41 Personen wurden dabei getötet, 88 Passagiere trugen teils schwere Verletzungen davon. Ausgeführt wurden die Anschläge von zwei tschetschenischen Selbstmordattentäterinnen. Über die Hintermänner gab es lange Zeit nur Spekulationen, die Spuren verloren sich in Litauen. Dass Changoschwili der Hintermann war, passt jedoch gut in das Puzzle. Es ist nicht bewiesen, einen Gerichtsprozess gab es ja nicht, es klingt aber überaus plausibel.

Changoschwili hielt sich 2010 noch in Georgien auf und arbeitete, wie man sagt, mit dem Regime des damaligen russophoben Präsidenten Micheil Saakaschwili eng zusammen. Deutschland hat also mit der Vorbereitung und Organisation des blutigsten Terroranschlags auf die Moskauer Metro in ihrer bisherigen Geschichte nichts zu tun, gewährte ihm aber später Unterschlupf und weigerte sich, wie Wladimir Putin auf der besagten Pressekonferenz berichtete, ihn auf das Ersuchen Russlands hin auszuliefern. Ob es Berlin zur Ehre gereicht, ein sicherer Unterschlupf, ein "safe haven", für Terroristen zu sein?

Doch Deutschland hat ohnehin ein eigenartiges Verhältnis zum Terror, wenn er sich "gegen die Richtigen" richtet. Wenn ein Extremist Bürger westlicher Länder tötet, nennt man das Terror, wenn er Menschen in Russland tötet, ist er ein "Rebell und Dissident". Erst in dieser Woche hatte die besagte Tagesschau erneut diesen Zungenschlag: Der Deutsche Rico K. soll dem Urteil eines Minsker Gerichts zufolge "lediglich eine kleine Explosion an einer Eisenbahnstrecke" herbeigeführt haben, schrieb die "Qualitätsjournalistin" Silvia Stöber doch tatsächlich und meinte damit, es sei ja nicht so schlimm. War ja auch "nur" eine Eisenbahnstrecke in Weißrussland, wo "nur" Slawen unterwegs sind ...

Ob es der russische Staat war, der die Liquidierung Changoschwilis in Auftrag gab, oder ob es ganz andere Hintermänner waren, die hinter dem "Tiergartenmord" stehen, wissen wir nicht und werden wir wahrscheinlich nie erfahren. Russland stellt seine Beteiligung in Abrede, und es gibt tatsächlich viele, die Changoschwili nach dem Leben trachteten. Wie dem auch sei, dass sein Henker nach relativ kurzer Zeit begnadigt wurde, nachdem das "demokratische" Deutschland zuvor eine gerichtliche Bestrafung des Terrors vereitelt hatte, läuft meinem Gerechtigkeitsempfinden nicht zuwider.

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