Meinung

Baerbocks Wahn

Außenministerin Annalena Baerbock war Gast bei der Zeit-Verlagsgruppe, wo sie sich zur angeblichen Bedrohung durch Russland äußerte. Russische Truppen würden "bis an die polnische Grenze und dann vielleicht zu uns sogar weiter fortmarschieren". In Russland fragt man sich, woher diese Wahnvorstellung kommt.
Baerbocks WahnQuelle: Gettyimages.ru © Christian Charisius/dpa

Von Sergei Strokan

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ist durch das Sprungtuch ihres politischen Trampolins geknallt und hat damit die Ampelkoalition von Bundeskanzler Scholz noch tiefer in den schlammigen Morast geführt, in dem sie ohnehin schon steckt.

In einem Interview mit der Zeit warnte Baerbock, die seit langem in dem Ruf steht, die skandalöseste und inkompetenteste Außenministerin Europas zu sein, die immer alles verdreht und durcheinanderbringt, dass jederzeit russische Truppen an der polnischen oder deutschen Grenze auftauchen könnten.

Um das zu verhindern, forderte die verzweifelte Springerin auf dem politischen Trampolin ein Ende der Debatte darüber, ob es ratsam sei, die Militärhilfe für die Ukraine fortzusetzen. Natürlich im Sinne ihrer Fortsetzung, unvermeidliche Niederlage hin oder her. Mit anderen Worten, sie forderte, die harte Realität für die Ukraine und ihre zahlreichen westlichen Sponsoren zu ignorieren, die sich selbst für die deutsche Presse angesichts der Lage an der Front nicht länger verbergen lässt.

Und da steht sie nun, die Annalena, und fordert mit ihrem charakteristischen Nachdruck, nicht daran zu denken, was vernünftig sei (was heute immer mehr europäische Politiker versuchen – nicht nur die Führer von Ungarn und der Slowakei, sondern auch die Opposition in Deutschland). Sie verlangt also, dass auch diejenigen, die ein Gehirn haben, dieses abschalten.

"Die Einstellung der westlichen Hilfe wäre eine absolute Katastrophe für die Ukraine. Das erkläre ich denen hier in Deutschland, die mich bitten, die Hilfe für die Ukraine einzustellen. Wir müssen hoffen, dass russische Truppen nicht an der polnischen und dann womöglich an unserer Grenze auftauchen", zitiert die Zeit die Außenministerin. Sie ist der festen Überzeugung, dass die Sicherheit Europas direkt vom Verlauf der Auseinandersetzungen in der Ukraine abhängt:

 "Wenn wir die Ukraine nicht weiter unterstützen, nicht nur sich selbst zu verteidigen, sondern die russischen Truppen bei ihrem Vormarsch zu stoppen, dann ist unsere eigene Sicherheit maximal gefährdet."

Na dann, überlegen und modellieren wir einmal die Szenarien: Was könnte wann und unter welchen Umständen passieren oder auch nicht?

Theoretisch könnte man sich eine Situation vorstellen, in der russische Truppen erst an der polnischen und dann an der deutschen Grenze auftauchen würden. Dies könnte jedoch nur dann geschehen, wenn das heutige Deutschland, das die Lehren aus der Geschichte ignoriert und seine militärische Stärke ausbaut, plötzlich beschließt, den Weg von Hitlerdeutschland einzuschlagen und Russland zu überfallen. Dann könnte sich natürlich die Geschichte unserer Soldaten wiederholen, die nach Westen marschieren und die Grenzen von Polen und Deutschland überschreiten.

Aber das heutige Deutschland ist noch nicht das Dritte Reich, auch wenn dort Neonazis ihr Haupt erheben (auch in den Sicherheitskräften und der politischen Elite). Deutschland ist Mitglied des Nordatlantischen Bündnisses, das nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde, um sich gegen Moskau zu verteidigen und nicht um es anzugreifen – so zumindest die offiziellen Deklarationen. Dies war die Grundlage für die gesamte Abschreckungsdoktrin des klassischen Kalten Krieges aus den späten 1940er und frühen 1950er-Jahren, auch wenn Baerbock sich dessen nicht bewusst ist.

Eine Entscheidung wie die Kriegserklärung an Russland, die den Dritten Weltkrieg auslösen würde, kann Deutschland nicht im Alleingang treffen: Es gibt ein Konsensprinzip in der NATO. Während des gesamten letzten Jahres haben die westlichen Verbündeten den Ukraine-Krieg methodisch angeheizt und Benzin ins Feuer gegossen. Sie setzten und setzen auf eine Verschärfung des Konflikts und auf eine indirekte (aber nicht direkte!) Konfrontation mit Moskau.

Gleichzeitig hat Bündnis-Generalsekretär Stoltenberg mehr als einmal erklärt, dass das wichtigste militärisch-politische Bündnis des Westens nicht die Absicht habe, in einen Krieg mit Russland zu ziehen.

Die NATO wird uns also nicht bekriegen: Das Bündnis wird sich nicht auf einen Selbstmordakt einlassen. Moskau wiederum wird die NATO nicht angreifen, wie der russische Präsident Wladimir Putin dem westlichen Publikum auf verschiedenen Plattformen immer wieder zu erklären versucht hat. Spekulationen über Moskaus militärische Expansionspläne bezeichnete er wiederholt als Unsinn und Blödsinn und die Urheber dieser Spekulationen als "dumm wie Bohnenstroh".

Wie der russische Präsident (nicht nur gegenüber Tucker Carlson) erklärte, hat Russland keinen Grund und kein Interesse – weder geopolitisch noch wirtschaftlich noch militärisch – gegen NATO-Länder Krieg zu führen. Und es gab sogar eine Zeit, in den 2000er-Jahren, nicht nur in den wilden 1990ern, als Moskau und Brüssel zusammengearbeitet haben. Auch wenn es heute schwer zu glauben ist, dass dies nach historischen Maßstäben erst vor kurzem, man könnte sagen gestern, der Fall war.

Aber wenn das der Fall ist (und das ist es), warum erschreckt Baerbock dann die deutschen Bürger mit russischen Truppen an ihrer und der polnischen Grenze?

Es wäre eine offensichtliche Vereinfachung, dies alles auf ihre eklatante Inkompetenz und vielleicht sogar auf einige psychische Abweichungen (Ängste, Phobien) zurückzuführen. Unsinn ist Unsinn. Allerdings gibt es heute in der deutschen Führung eine klare politische Forderung nach Unsinn. Das sollte man vor allem verstehen, wenn man das Interview der deutschen Außenministerin mit der Zeit liest.

Warum ist das Schreckgespenst der russischen Bedrohung in Berlin gerade jetzt so gefragt? Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns nicht nur an die Situation rund um die Ukraine erinnern, sondern auch an die im Juli verkündete Entscheidung der US-Regierung, amerikanische bodengestützte Mittel- und Kurzstreckenraketen auf deutschem Gebiet zu stationieren. Die Regierung Scholz nahm diese Idee Washingtons mit großer Begeisterung auf: "Ja, wir wollen wirklich amerikanische Raketen!"

Zwar haben sich die rechte und die linke Opposition in Deutschland gegen die Idee ausgesprochen, doch hat sie keinen nennenswerten Einfluss auf den politischen Kurs Berlins. Offiziellen Verlautbarungen zufolge planen die USA, ab 2026 Mittelstrecken- und Kurzstreckenraketen in Deutschland zu stationieren. Dazu gehören SM-6-Flugabwehrraketen, Tomahawk-Marschflugkörper und experimentelle Hyperschallwaffen (bisher in nichtnuklearer Konfiguration).

Bundeskanzler Scholz begründete die Entscheidungen u. a. mit Maßnahmen zur "Kriegsverhütung".

In diesem Zusammenhang warnte das russische Außenministerium sofort, dass diese "extrem destabilisierenden" Schritte eine zusätzliche Bedrohung für Moskau schaffen würden und man sie nicht ohne angemessene Antwort lassen würde. Gleichzeitig wurde die Hoffnung geäußert, dass "die deutschen politischen Eliten noch einmal die Zweckmäßigkeit eines solchen destruktiven und gefährlichen Schrittes abwägen werden".

Wie die Antwort Moskaus aussehen könnte, erläuterte Wladimir Putin diese Woche in seiner Rede auf der Marineparade in Sankt Petersburg. Sollten die Pläne zur Stationierung von US-Raketen in Deutschland verwirklicht werden, "werden wir uns als frei von dem zuvor beschlossenen einseitigen Moratorium für die Stationierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen betrachten, einschließlich der Erhöhung der Fähigkeiten der Küstenstreitkräfte unserer Marine", so seine Erklärung. Die deutsche Regierungssprecherin Christiane Hoffmann hat darauf bereits reagiert, indem sie sagte, dass Putins lautstarke Warnung Berlin nicht aufhalten wird. Denn Berlin tue das alles ja "für die Sicherheit aller in Europa".

Alles in allem ist es nicht so einfach mit dem Baerbock-Wahn.

Das heutige Berlin, angeführt von Bundeskanzler Olaf Scholz, ist ein einziger "kollektiver Baerbock", der nicht nur das Sprungtuch des politischen Trampolins, sondern jeden festen Boden durchbrochen hat und immer tiefer im Morast versinkt.

Übersetzt aus dem Russischen.

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