Meinung

Ukraine sanktioniert Ungarn und Slowakei – EU schweigt

Die Ukraine hat Ungarn und der Slowakei den Ölhahn zugedreht. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind für beide Länder enorm, die Ukraine bricht damit zudem ihre Verpflichtungen aus dem EU-Assoziierungsabkommen. Brisant: Die EU schaut bisher tatenlos zu, die deutschen Medien berichten nicht.
Ukraine sanktioniert Ungarn und Slowakei – EU schweigtQuelle: www.globallookpress.com © Attila Volgyi

Von Gert Ewen Ungar

Es ist ein für die Ukraine typischer Schachzug voller Bauernschläue: Man sanktioniert einen russischen Mineralölkonzern und trifft damit – ganz zufällig, versteht sich – Ungarn und die Slowakei empfindlich. Beide Länder sind auf russisches Pipeline-Öl angewiesen, für sie steht wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Und beide Länder setzen sich zudem für Friedensverhandlungen ein. So ein Zufall aber auch.

Sowohl das politische Establishment in der Ukraine unter Führung von Machthaber Wladimir Selenskij als auch die EU sind gegen eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt. Sie setzen alles auf einen Sieg über Russland und damit auf die Verlängerung des Kriegs zulasten der Ukraine und ihrer Bevölkerung. Dabei nimmt sowohl Selenskij als auch die EU sowie die Mehrheit ihrer Mitgliedstaaten die vollständige Zerstörung der Ukraine und die Auslöschung einer ganzen Generation von ukrainischen Männern billigend in Kauf.

In diesem Willen zur Eskalation und zum Krieg liegt auch der Grund, warum die EU bisher zur Sanktionierung zweier Mitgliedsländer der EU durch das Nicht-EU-Land Ukraine schweigt. Die EU toleriert, dass die Ukraine gegen das EU-Assoziierungsabkommen verstößt und sich aggressiv gegen zwei ihrer Mitgliedstaaten richtet. Die Medien des deutschen Mainstreams schweigen sich zur brisanten Angelegenheit weitgehend aus. Dabei ist sie von hohem nachrichtlichem Wert, denn sie hat das Potenzial, die EU zu spalten und das Vertrauen in ihre Institutionen nachhaltig zu erschüttern.

Der Hintergrund: Die Ukraine hat die Sanktionen gegen den Ölkonzern Lukoil ausgeweitet und die Durchleitung durch die Druschba-Pipeline in Richtung Ungarn und in die Slowakei unterbunden. Der Schritt ist einigermaßen erstaunlich, denn Lukoil ist kein staatlicher russischer Konzern und setzte sich im März 2022 obendrein für Frieden und eine Verhandlungslösung ein.

In der damals veröffentlichten Pressemitteilung heißt es:

"Der Vorstand von Lukoil bringt hiermit seine tiefste Besorgnis über die tragischen Ereignisse in der Ukraine zum Ausdruck. Wir fordern die baldige Beendigung des bewaffneten Konflikts und drücken unser aufrichtiges Mitgefühl für alle Opfer aus, die von dieser Tragödie betroffen sind. Wir unterstützen nachdrücklich einen dauerhaften Waffenstillstand und eine Lösung der Probleme durch ernsthafte Verhandlungen und Diplomatie."

Lukoil ist auch kein genuin russisches Unternehmen, sondern eine Aktiengesellschaft. Ein großer Teil der Aktien von Lukoil wird frei gehandelt, ursprünglich an der Londoner Börse, nach Beginn der militärischen Spezialoperation an der Börse in Moskau. Der russische Staat ist nicht nennenswert involviert. Das ohnehin reichlich verschrobene Argument, russische Staatskonzerne füllten die russische Staatskasse und finanzierten so den Krieg, zieht daher nicht. Lukoil füllt vor allem die Taschen seiner Aktionäre. Es gibt daher selbst nach der bizarren westlichen Sanktionslogik keinen wirklich guten Grund, Lukoil zu sanktionieren, außer, Lukoil ist gar nicht das eigentliche Ziel, sondern nur das Mittel.

Genau das ist hier der Fall. Ziel der ukrainischen Sanktionen sind Ungarn und die Slowakei. Beide scheren aus der Kriegsraserei der EU und der EU-Staaten aus. Insbesondere Ungarn setzt sich für Friedensverhandlungen ein. Ministerpräsident Viktor Orbán nutzte den Beginn der ungarischen Ratspräsidentschaft für Reisediplomatie. Er besuchte Kiew, Moskau sowie Peking und sprach mit dem US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump.

Aus einer zukünftigen Perspektive betrachtet, wird es Orbán gewesen sein, der zumindest ein bisschen das Ansehen der EU gewahrt hat. Aus einer heutigen Perspektive und dem aktuell herrschenden Geist in Brüssel und den Hauptstädten der EU-Staaten muss er für seine Friedensmission bestraft werden. Die EU-Kommission will die ungarische Ratspräsidentschaft boykottieren und schweigt daher zu den Sanktionen der Ukraine gegen zwei ihrer Mitgliedsstaaten. Sie billigt die Politisierung von Infrastruktur durch die Ukraine. Das ist der eigentliche Skandal am Vorgang. Die EU macht sich damit als Staatenbund überflüssig, denn sie vertritt nicht die Interessen ihrer Mitgliedsstaaten und toleriert Vertragsbrüche aus politischen Gründen.

Inzwischen hat Ungarn gemeinsam mit der Slowakei ein Konsultationsverfahren bei der EU eingeleitet. Allerdings spielt man dort offenbar auf Zeit. Weder die Kommission noch der Rat für Auswärtige Angelegenheiten haben bisher eine Stellungnahme abgegeben. Ein Sprecher bestätigte lediglich den Eingang des Schreibens. Man werde das Papier "studieren", schob er lapidar nach.

Dabei hat Ungarns Außenminister Péter Szijjártó am Wochenende den Rat mit dem Fall vertraut gemacht. Doch statt sich in schützend vor die Mitgliedstaaten zu stellen, reagiert der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit einer Boykottankündigung. Er will nicht zu einem Außenministertreffen nach Budapest reisen, zu dem Ungarn eingeladen hatte. Zu der aggressiven Maßnahme der Ukraine gegen Ungarn und die Slowakei schweigt er ebenso wie die Außenminister der restlichen EU-Staaten. Nahezu zeitgleich mit dem Durchleitungsstopp durch die Ukraine veröffentlicht die EU-Kommission voller Stolz eine Pressemitteilung. Darin heißt es, man habe 4,2 Milliarden an weiterer Finanzhilfe für die Ukraine auf den Weg gebracht. An der Finanzierung sind auch Ungarn und die Slowakei beteiligt.

Dass die Ukraine zur Stolperfalle für die EU werden wird, die dem Staatenbündnis letztlich auch den Hals brechen könnte, wird seit Langem eingeräumt. Der aktuelle Vorgang macht deutlich, wie sehr diese Prophezeiung dabei ist, Wirklichkeit zu werden. Das Staatenbündnis positioniert sich gegen die eigenen Mitgliedsstaaten und nimmt den Verstoß gegen die Verpflichtungen einfach hin, die sich aus der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens für die Ukraine ergeben. Politik steht über Recht und Vertrag, in Brüssel ist die reine Willkür an der Macht.

Brisant ist auch die Reaktion der deutschen Medien auf den Vorgang. Obwohl die Nachrichtenagentur Reuters bereits am 17. Juli berichtet hatte, blieb es in den deutschen Medien still. Am Sonntag berichtete schließlich t-online in einer kleinen Meldung, in den öffentlich-rechtlichen Medien findet sich trotz der klar erkennbaren Relevanz nichts zum Thema. Die Tagesschau thematisiert ausschließlich den Boykott Ungarns durch den EU-Außenbeauftragten Borrell. Die Sanktion zweier EU-Länder durch die Ukraine ist den öffentlich-rechtlichen Medien keine Meldung wert. Sie würde das im deutschen Mainstream etablierte Narrativ von der einzig aus reiner Notwehr handelnden Ukraine allzu sehr stören.

Mehr zum Thema – Ungarn und Slowakei drohen mit Klage wegen Einstellung des Öltransits durch Kiew

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.