Schlagartig endlos müde: Ursula von der Leyen wurde im Amt bestätigt
Von Gert Ewen Ungar
Ursula von der Leyen wurde vom EU-Parlament als EU-Kommissionspräsidentin wiedergewählt. Natürlich war das vorhersehbar. Man hörte in den letzten Tagen das Schlagen und Quietschen von Hinterzimmertüren in Brüssel und Straßburg praktisch bis nach Moskau. Und dennoch: als das Ergebnis verkündet wurde, wurde ich schlagartig sehr müde. Ich weiß nicht, ob es für diese schlagartig einsetzende Müdigkeit aus Verzweiflung und Aussichtslosigkeit einen Fachbegriff gibt. Falls nicht, rege ich den Begriff "Leyen-Fatigue" an.
Für die EU, ihre Bürger und den geografischen Raum Europa als Ganzes ist der heutige Tag kein guter. Der personifizierte Niedergang der EU wurde im Amt bestätigt. Das ist das eigentlich Ärgerliche. Die Abgeordneten wussten, wen sie wählten. Von der Leyen hat bereits eine Amtszeit absolviert. Man weiß daher, was in der nächsten kommt.
Nach Ablauf der ersten Legislaturperiode kann von der Leyen nicht einen einzigen Erfolg vorweisen. Nach fünf Jahren als Kommissionspräsidentin findet sich nichts, absolut gar nichts, was sich in der EU zum Besseren gewendet hätte. Ihre Versprechen bei Antritt ihrer ersten Amtszeit hat sie nicht nur gebrochen, denn in Europa herrscht Krieg. Die EU trägt nichts zur Konfliktlösung bei.
Sie befeuert den Krieg im Gegenteil mit Waffenlieferungen, eskaliert mit Sanktionen, aggressiver Rhetorik und mit dem Willen, an all dem, was zum Konflikt geführt hat, festzuhalten. Die EU strebt an, Russland eine strategische Niederlage beizubringen. Realistisch ist das nicht, aber von der Realität hat sich die EU ohnehin längst verabschiedet. Einen Plan B hat sie nicht, ein klares, realistisches Ziel auch nicht.
Vor einiger Zeit trat von der Leyen ans Rednerpult und behauptete, Russland würde aus alten Waschmaschinen und Kühlschränken Mikrochips ausbauen, um damit Waffen zu produzieren. Das wirklich Schlimme an dieser Einlassung war, dass sie es selbst geglaubt hat. Daran lässt sich abschätzen, wie weit sich von der Leyen und mit ihr Brüssel vor der Realität verschanzt haben.
In ihrer heutigen Bewerbungsrede vor dem EU-Parlament hat von der Leyen deutlich gemacht, dass von ihr und ihrer Kommission auch künftig kein Impuls für eine friedliche Lösung des Konfliktes kommen wird. Sie hat den ungarischen Ministerpräsidenten für seine Friedensmission verurteilt. Unter von der Leyen hat sich die Friedensnobelpreisträgerin EU komplett dem Krieg und der Militarisierung verschrieben. Die Abgeordneten goutierten den Bellizismus von der Leyens mit ihrer Wiederwahl.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht forderte – und im Anschluss in Kopie hat auch die Partei Die Linke dies gefordert –, die Wahl der Kommissionspräsidentin auf den September zu verschieben. Um von der Leyen genug Zeit einzuräumen, die Parlamentarier einem Gerichtsurteil entsprechend über ihren Deal mit dem Pharma-Riesen Pfizer zu informieren. Transparenz ist ein Lieblingswort von der Leyens. Von ihr in den Mund genommen, zerfällt die Bedeutung des Wortes indes sofort zu Staub.
Gerade der völlig intransparente Deal unter anderem mit Pfizer über eine geradezu fantastisch anmutende Anzahl von 4,2 Milliarden Impfdosen, die von der Leyen zu einem bisher weitgehend unbekannten Preis geordert hat, macht den Willen zur vollständigen Intransparenz und Abschottung deutlich. In diesem Zusammenhang hat von der Leyen erneut SMS mit Absprachen gelöscht. Das Löschen von SMS scheint eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen zu sein. Bereits als deutsche Verteidigungsministerin hatte sie SMS gelöscht, die mit einem Skandal um Beraterverträge in Zusammenhang standen.
Das in der Folge der Corona-Krise angestoßene Investitionsprogramm "New Green Deal" ist inzwischen zur reinen politischen Verhandlungsmasse verkommen. Ihre vollmundig angekündigten Klimaziele wird die EU nicht erreichen, das steht heute schon fest. Das als Alternative zur chinesischen neuen Seidenstraße gedachte Projekt "Global Gateway" ist nicht mehr als ein Witz. Sein finanzieller Rahmen entspricht in etwa der Portokasse von Chinas One-Belt-One-Road-Initiative. Entsprechend verliert die EU an Einfluss.
Dafür wurde unter von der Leyen ein umfassendes System von Zensur etabliert und im Anschluss immer weiter ausgeweitet. Zunächst waren nur russische Medien davon betroffen, inzwischen richtet sich die Zensur der EU gegen all das, was von den von der Europäischen Union vorgegebenen Narrativen abweicht. Die EU-Kommission legt fest, was die EU-Bürger für die Wahrheit zu halten haben.
Dabei ist die EU für Medienaufsicht gar nicht zuständig. Sie hat sich dazu selbst ermächtigt. Die allgemeine Russophobie machte es möglich, die EU-Länder folgten blind einem Verbot von RT und Sputnik, zu dem die Kommission faktisch nicht legitimiert war. Einmal mit dem Werkzeug ausgestattet, legt man es natürlich nicht so schnell wieder aus der Hand. Medienaufsicht und -regulierung ist jetzt Sache der Kommission.
Obwohl die Russland-Sanktionen in der EU deutlich größeren Schaden anrichten als in Russland, eskaliert die EU-Kommission nun auch noch den Handelskrieg mit China – zum Schaden der ohnehin schon leidenden europäischen Produzenten. Während sich die EU gegenüber China und Russland in kraftvollen Gesten übt, duckmäusert sie gegenüber den USA. Der US-Inflation Reduction Act subventioniert die E-Auto-Industrie in den Vereinigten Staaten und führt dazu, dass europäische Industrie der EU den Rücken kehrt, um sich in den USA anzusiedeln. Dort locken niedrige Energiekosten und finanzielle Unterstützung. Aus der EU kommt dazu außer zaghaftem Piepsen kein ernstzunehmender Ton des Widerspruchs.
Außenpolitisch ist die EU isoliert. Sie gilt als Kriegstreiberin ohne eigene außenpolitische Agenda – als Pudel Washingtons. Welche Ziele die Kommission im eigenen, europäischen Interesse verfolgt, bleibt völlig unklar. Von der Leyen hat die EU den Interessen Washingtons komplett untergeordnet.
Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, warum vierhundert und ein Abgeordneter des EU-Parlaments von der Leyen das Vertrauen ausgesprochen haben. Faktisch spricht nichts dafür, dies zu tun. Dass von der Leyen gewählt wurde, ist nur mit einem hohen Maß an Korruption, mit Seilschaften und Vetternwirtschaft zu erklären. Mit Hinterzimmerpolitik.
Den Schaden haben die Bürger der EU. Vom ursprünglichen Versprechen der Europäischen Union, für Wachstum, Frieden und Wohlstand für alle zu sorgen, ist schon nach einer Legislaturperiode unter von der Leyen nichts mehr übrig. Man mag sich kaum vorstellen, was am Ende einer zweiten Amtszeit steht. Der Gedanke daran macht mich erneut unendlich müde.
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