Meinung

Umfrage: 80 Prozent der befragten Amerikaner sagen "USA gleiten ins Chaos ab"

Erhobene Statistiken während einer historisch hochdramatischen US-Wahlkampagne sind wie eine Schachtel Pralinen: Man weiß nie, was man bekommt. Oder etwa doch?
Umfrage: 80 Prozent der befragten Amerikaner sagen "USA gleiten ins Chaos ab"Quelle: Gettyimages.ru © Justin Sullivan / Staff

Von Elem Chintsky

Für alle, die bisher nichts von alledem vermutet haben: Laut einer kürzlich erhobenen, gewichtigen Statistik von Reuters und Ipsos seien vier von fünf US-Amerikanern überzeugt, ihr Land "gleite ins Chaos ab". Eine große Mehrheit der Befragten ist außerdem in Sorge, dass das Klima politisch motivierter Gewalt auch nach den Wahlen fortdauern wird.

Das gescheiterte Attentat auf den 45. US-Präsidenten Donald J. Trump (von 2017 bis 2021), der sich derzeit in einer erfolgversprechenden Wiederwahl-Kampagne befindet, ist nur das jüngste und dramatischste Symptom des großen US-amerikanischen Schismas. Dieses Ereignis wurde laut Reuters auch bereits in der Umfrage berücksichtigt.

Es scheint eindeutig zu sein, dass die Kategorien der gemein herrschenden Wahrnehmung unbedingt zu berücksichtigen sind. Was heißt das zu Ende gedacht? Selbst wenn das ganze Ereignis in Butler County, Pennsylvania am 13. Juli 2024 auf irgendeine Art und Weise eine elaborierte, kontrollierte Inszenierung gewesen sein sollte, ist das dominante Narrativ entscheidend, auf welches sich der Großteil der Medien und der Politiker geeinigt hat. Und das lautet nun einmal, dass der US-amerikanische Diskurs den höchsten Grad politischer Gewalt erreicht hat: Ein ehemaliger US-Präsident entwischt nur knapp dem Tod und bricht auf in das wohl dynamischste, politische Rennen um ein öffentliches Amt, das es je gab.

Hinzu kommt die interne Krise der "Demokratischen Partei". Dort drängt die große Mehrheit mittlerweile auf einen baldigen Rückzug des gerontopsychiatrisch endlich für alle auffällig gewordenen Biden aus seiner Wiederwahl-Kampagne. Wer sein Nachfolger werden soll, ist auch ein prekäres Thema, da Biden derzeit faktisch noch immer – trotz neuer Coronainfektion – im Rennen bleibt und die politische Pietät es nicht erlaubt, jemand anderen zu verpflichten, bis das amtierende Staatsoberhaupt selbst offiziell aus diesem Rennen aussteigt. Im Gespräch sind unter anderen der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom sowie die ehemalige "First Lady" (von 2009 bis 2017) und studierte Juristin und Soziologin Michelle Obama. Je länger an dieser dringlichen Gabelung mit der Entscheidung gezögert wird, umso mehr politisches und öffentlichkeitswirksames Kapital werden die US-"Demokraten" an die nun ideologisch weitestgehend geschlossene Republikanische Partei umsonst abtreten müssen.

Ungeachtet dessen, wie sehr die Dinge an der absoluten Spitze des tiefen Staates in den USA besprochen und parteiübergreifend abgeglichen wurden – die Früchte des kognitiven Krieges an der eigenen Bevölkerung sind authentisch: Innerhalb der gewöhnlichen US-Gesellschaft ist die Spaltung real und erreichte bereits im Jahr 2016 massenhaft die Haushälter der US-amerikanischen "Kernfamilie". Die Ergebnisse von Reuters vermögen es, diese Umstände allgemein zu illustrieren.

Wie mit vielen Statistiken heutzutage – und ihrem genauen Timing –, trägt die Umfrage von Reuters und Ipsos auch noch eine versteckte Botschaft, sofern tatsächlich 80 Prozent der US-Amerikaner überzeugt sind, dass "ihre Nation ins Chaos abgleite": Wer ist dann die "Mehrheit von Amerikanern", die sich laut dem nun bekannter gewordenen US-Senator aus Ohio James David Vance zu Trump und dessen politischem Kampfgeist seit dem Attentatsversuch bekannt haben? So frei äußerte sich J. D. Vance nämlich auf dem jüngsten Parteikongress der US-Republikaner, an dem sowohl die offizielle Trump-Kandidatur als auch der Posten als sein Vize-Präsident für Vance  ausgerufen wurden – nur wenige Tage nach dem Mordanschlag.

Wenn man den infantilen, jaulenden Klageliedern eines professionellen Vortäuschers des Hollywood-Silverscreens wie Robert De Niro lauscht, samt seiner emotional erpressenden Warnungen, dass Trump auf gar keinen Fall an die Macht gewählt werden dürfe, sonst blühe den USA ein unwiederbringliches, autoritär-diktatorisches Chaos, dann stellt sich eine Frage: Wen könnte Reuters da für seine Umfrage befragt haben? Und ist dabei die demografisch-politisch neutrale Repräsentation gewährleistet gewesen? Wenn man nämlich vom neutralen Ansatz einer auf Zufall basierten Selektion der Befragten verzichtet, werden verzerrte Ergebnisse geschaffen, die zu einer gewissen Wahrnehmung beitragen können.  

Wäre das Attentat gelungen, Trump heute tot und die Republikaner damit ohne einen Kandidaten – ja, dann wäre von anstehendem Chaos auszugehen, ein Bürgerkrieg stünde an, der somit am 13. Juli buchstäblich nur um Haaresbreite vereitelt wurde. Dass nach dem Attentatsversuch die Umfrage solche Werte hervorbringt, könnte eher dafür sprechen, dass Menschen befragt wurden, die spezifisch von einer Trump-Wiederwahl "ein nationales Chaos" befürchten – eine manipulative Propaganda-Taktik, der sich nicht nur Influencer wie De Niro "wie ein wilder Stier" immer wieder behelfen.  

Umfragen wie diese stellen eine subtile Art dar zu versuchen, zwei ebenbürtige Mehrheiten innerhalb der US-Gesellschaft zu behaupten, ohne die Wunder der Empirik allzu sehr zu behelligen – die eine fiktiv, die andere real. Als Ronald Reagan im März 1981 angeschossen wurde, sprangen seine Umfragewerte um 20 Prozent. Ähnliches ist auch von Trumps Beispiel zu erwarten, obwohl dieselbe Reuters-Umfrage versucht, solch eine Deutung vorsorglich zu unterdrücken. Michelle Obama oder auch Herr Newsom können sich nicht auf ein solches Level der Verrohung der politischen Rechten verlassen, als dass sich von dort zufällig jemand finden würde, sie glaubhaft anzuschießen, wie es vermeintlich bei dem BlackRock-Schützen und bequemerweise sogleich verstorbenen "Einzeltäter" Thomas Matthew Crooks der Fall war. Anders nämlich als bei Crooks, gab man ja Lee Harvey Oswald als dem offiziell angeblichen Mörder von John Fitzgerald Kennedy noch die Gelegenheit, öffentlich zu verkünden, er sei "nur ein einfacher Sündenbock" (22. November 1963) gewesen, bevor auch Oswald vorsorglich von Jack Ruby ermordet und zum ewigen Schweigen verpflichtet wurde.

Sowohl Obama als auch Newsom (sowie jeder weitere Biden-Ersatz) müssten sich eher freiwillig per Schusswaffe verwunden lassen, um solch einen PR-Vorsprung von Trump wieder wettzumachen – ähnlich der Inszenierung des Tatorts durch korrupte Polizisten zu Beginn des Films "Léon – Der Profi" (1994). Dort lässt sich ein Staatsdiener im ersten Akt absichtlich von einem Kollegen anschießen, um der offiziellen Darstellung der angeblichen Ereignisse Glaubwürdigkeit zu verleihen und die eigentlichen Begebenheiten einer zynischen Exekution einer vierköpfigen Familie durch Polizeigewalt zu verschleiern. 

Wenn man jedoch dieses statistisch zertifizierte, nicht wirklich abwegige "nationale Abgleiten ins Chaos" als US-Stimmungsbild nicht unbedingt und exklusiv an einen Trump-Sieg koppelt, sondern etwas objektiver und interdisziplinärer betrachtet, kann man die Grundthese an sich durchaus weiterhin als legitim bewerten. Die mutmaßliche Vernachlässigung der US-Grenze zu Mexiko, die damit verbundene inneramerikanische Drogen- und Opioid-Krise oder auch die inflationäre Währungspolitik und die hiermit einhergehende Schwächung der Kaufkraft des US-Dollars sowie dessen fortschreitender Positionsverlust als Weltreservewährung deuten allesamt darauf hin, dass für die USA eine chaotische Zeitenwende bevorsteht. Also ganz im Gegenteil – man könnte eher argumentieren, dass eine neue Trump-Administration das sowieso nicht vermeidbare US-Chaos sogar abfedern, abbremsen oder leicht dämpfen könnte.

Welche der beiden "Mehrheiten" also zu den globalistisch-zionistischen US-Demokraten gehört (die bis zum "letzten Ukrainer kämpfen wollen") und welche zu den zionistischen US-Republikanern (die bis zum "letzten Palästinenser kämpfen wollen"), bleibt vorerst ein offenes, aber didaktisch leicht zu lösendes Geheimnis. Es kann aber mathematisch im kommenden November nur eine Antwort geben. Und sie wird bei Weitem nicht so knapp ausfallen wie im Jahr 2020.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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