Meinung

"Operationsplan Deutschland" – Unfug, Lügen und ein Fall für die Steuerfahndung

Noch vor den Wetterfröschen, die inzwischen nicht vor dem Wetter, sondern vor dem Klimawandel warnen, gibt es in deutschen Nachrichten inzwischen die Generäle, die sich um die Angst vor dem bösen Russen kümmern. Und über supergeheime Kriegspläne orakeln.
"Operationsplan Deutschland" – Unfug, Lügen und ein Fall für die Steuerfahndung

Von Dagmar Henn

Es hätte natürlich einen gewissen Reiz, sich mit einem Psychogramm des Bundeswehr-Generalleutnants André Bodemann zu befassen. Schon allein, weil es keine Aufnahme von ihm gibt, auf der die Uniform richtig sitzt, was sich beim Einkommen eines Generalleutnants (13.200 Euro/Monat) nur dadurch erklären lässt, dass er zu geizig ist, um eine Schneiderei zu beauftragen. Und man könnte sich damit befassen, was eigentlich die (derzeit so in Mode geratenen) Formulierungen wie "wir als Deutschland" oder "wir als Militär" besagen, die immer den Eindruck erwecken, als sei dahinter eine zweite, wirkliche Identität verborgen. Was auf subtile Weise wahr ist, denn Herr "wir als Deutschland" agiert ja tatsächlich nicht im Mindesten im Interesse desselben.

Im Gegenteil, und wenn er nutzlos wäre, dann wäre das schon günstig, weil er dann wenigstens keinen Schaden anrichten würde, mit seiner festen Überzeugung, dass Putin "das alte Gebiet der Sowjetunion wiederherstellen möchte", und dass "wir Sabotage in Deutschland" haben, "denken Sie an Nord Stream 2", was für ihn selbstverständlich die Russen waren.

Schon allein dafür, dass er den aktuellen Nebelwerferbegriff der NATO so gern wiederholt, möchte man ihn hauen. "Ostflanke der NATO". Das hat sich mit Sicherheit ein Werbetexter ausgedacht, dem aufgefallen ist, dass "Ostfront" seltsame Erinnerungen weckt, insbesondere solche, die nach Angriff und blutiger Niederlage riechen. Der "Operationsplan Deutschland", den er in seinem Interview mit ntv irgendwie umschrieb, sei vor allem deshalb wichtig, weil dann, wenn die US-Truppen einträfen, die Bundeswehr schon an der "Ostflanke", also Ostfront, oder auf dem Weg dorthin sei.

Immerhin nett, dass er auf diese Weise den Bundesbürgern mitteilt, dass selbstverständlich erst die Deutschen dran sind; man weiß ja, dass die Amerikaner gern in europäische Kriege eintreten, wenn im Grunde nur noch aufgewischt werden muss. Also, die BW ist schon unterwegs, um verheizt zu werden (die Polen sind zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon aufgebraucht, die Ukrainer sind ja jetzt schon weitgehend vernutzt), und irgendwer muss dann die lieben Verbündeten verpflegen und umsorgen.

Nun, ich an seiner Stelle hätte da ganz andere Sorgen. Immerhin hängen nicht alle Deutschen seinem Irrglauben an; es gibt doch ein paar, die eine etwas realistischere Vorstellung der Nord-Stream-Terroristen haben. Da wäre es vermutlich besser, die US-Truppen, die durch Deutschland ziehen sollen, in einigen Gebieten von der Bundeswehr bewachen zu lassen; es gäbe keine Garantie dafür, dass nicht doch zumindest einige Fleischsalatbrötchen mit Salmonellen geliefert oder der Benzinnachschub mit Zucker versetzt würde, um die freundlicheren Varianten zu erwähnen, in denen sich ein gewisser Groll über den wirtschaftlichen Niedergang artikulieren könnte.

Überhaupt ist nach Sicht des Herrn Bodemann (und nein, Entschuldigung, nachdem er sich in jeder seiner Äußerungen als transatlantischer Vaterlandsverräter erweist, ist es mir innerlich zutiefst zuwider, seinen militärischen Rang auch nur zu erwähnen, außer, es wäre ein US-amerikanischer) die deutsche Bevölkerung absolut begeistert von dem, was da getrieben wird, so wie alles, was geschieht, einzig in dem Rahmen "wir gegen Russland" einen Sinn ergibt.

Allen Ernstes, der Herr erwähnt "Diebstahl von Eisen oder Stahl oder was auch immer" an Bahnstrecken als Sabotageakte im Auftrag Russlands. Abgesehen davon, dass weit eher Kupfer gestohlen wird als Stahl, schlicht wegen des günstigeren Verhältnisses von Gewicht und Wert, ist das eben keine Sabotage, da wird einfach geklaut. Wobei klar ist, je höher die Preise, desto eher lohnt es sich natürlich, was wiederum durch die westliche Sanktionspolitik – nun, das würde ja erfordern, dass Herr Bodemann ökonomisch denken kann. Er hat Pädagogik studiert.

Natürlich sind selbst die wenigen Details, die er aus diesem hochgeheimen Plan verrät, belustigend. Beispielsweise dann, wenn es darum geht, wie das "schwere Geschütz in Richtung Ostflanke", Ostfront eben, befördert werden soll. Drei Varianten, von denen jede Potenzial hat.

Bei der ersten hat er hoffentlich die Deutsche Bahn zu einer erheblichen Lohnerhöhung für die Lokomotivführer überredet, denn er nennt tatsächlich zuerst die Bahn. Nun, wird interessant, was die GDL aus dieser Lage macht, denn wahrscheinlich hat er nicht an die Beschäftigten gedacht, die diese Transporte steuern sollen…

Das hat er in der zweiten Variante auch nicht, weil er zivile Transportunternehmen beanspruchen will, "weil es nicht genug militärische Transportmöglichkeiten gibt, um diese Masse an Soldatinnen und Soldaten und insbesondere schwerem Gerät durch Deutschland" an besagte Ostfront zu befördern. Das ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass in vielen deutschen Städten der öffentliche Nahverkehr schon Buslinien gestrichen hat, weil es nicht genug Fahrer gibt. Wenn Bodemann da noch Fahrer abzieht, gibt es dann keine Buslinien mehr? Und wie meint er, Mitarbeiter in einer Branche, die verzweifelt Personal sucht, dazu zu motivieren, mit dem Transport von US-Soldaten an die "Ostflanke" mitsamt Fahrzeug zum legitimen Ziel zu werden? Indem dem Fahrer eine Waffe an den Kopf gehalten wird?

Noch ein wenig hübscher ist die letzte Variante. Man könne ja per Roll-on/Roll-off-Material in einem deutschen Hafen auf Schiffe laden, und dann in einem Hafen in Litauen… Das ist das Detail, mit dem er selbst all seine Behauptungen von der russischen Aggression aufhebt. Denn erstens würde, sollte die russische Armee tatsächlich Interesse an Litauen haben (wer hat eigentlich überhaupt Interesse an Litauen?), in der Zeit, die es braucht, um ein Schiff in Deutschland zu beladen und damit bis Litauen zu fahren, kein litauischer Hafen mehr vorfindbar sein, in dem entladen werden könnte, gleich, ob im Container verschifft oder eben per Roll-on/Roll-off. Gäbe es einen Krieg mit Russland, ohne dass Litauen einbezogen wäre, gäbe es dennoch für Russland keinen Grund, das besagte Schiff seine Fracht in Ruhe abladen zu lassen. Im Grunde gibt es exakt ein Szenario, in dem diese Transportoption überhaupt existiert: im Falle der Vorbereitung eines Angriffskriegs der NATO gegen Russland. Was dann aber hieße, die Bundeswehr, die schon an die Ostfront expediert ist, reinszeniert tatsächlich das Unternehmen Barbarossa.

Aber wer will sich schon mit solchen Details befassen. Wenn Bodemann "erst seit dem 22. Februar 2022 gemerkt" hat, "dass Krieg in Europa doch wieder stattfindet", muss man ihm diesen Ausfall mit Litauen schon allein deshalb verzeihen, weil er vermutlich besagten Zwergstaat auf keiner Karte finden könnte, wenn es ihm schon gelingt, trotz eines sechsmonatigen Aufenthalts im Kosovo im Jahr 2003 nicht zu wissen, dass Belgrad in Europa liegt.

Doch das sind alles Nicklichkeiten. Denn das wirklich Bedeutende an diesem "Operationsplan Deutschland", der so ungeheuer geheim ist, dass seine tausend Seiten in hundert Tagen geheimer Sitzungen an geheimen Orten geschaffen wurden, ist etwas ganz Anderes. Dafür muss man eine Passage aus dem Interview etwas gegen den Strich lesen, oder den inneren Buchhalter mobilisieren:

"Wir arbeiten mit dem Prinzip der maximalen zivilen Leistungserbringung. Wir bleiben wieder bei dem Beispiel des amerikanischen Konvois, dieser wird dann eben nicht versorgt durch einen Betriebsstoff-Lkw der Bundeswehr, sondern durch einen Betriebsstoff-Lkw eines namhaften Betriebsstoff-Unternehmens in Deutschland, die sanitätliche Versorgung würde nicht durch die Bundeswehr-Sanitäter erfolgen, sondern durch Malteser, Johanniter, durch das Deutsche Rote Kreuz, und die Verpflegung kommt nicht von der Truppenküche der Bundeswehr, sondern durch einen zivilen Caterer."

Hier werden einer ganzen Reihe von Unternehmen Aufträge erteilt. Das bewegt sich zwar sicher noch auf der Ebene von Vorverträgen, weil ja nicht sicher sein kann, dass diese US-Truppentransporte tatsächlich anfallen, aber es sind keine kleinen Aufträge. Und alles rund um diese Aufträge ist geheim. Das bedeutet logischerweise, sie wurden nicht ausgeschrieben, und sie werden auch zukünftig nicht ausgeschrieben, weil in dem Moment, in dem sich die Notwendigkeit ergäbe, derartige Verträge zu schließen, die Zeit für eine Ausschreibung nicht vorhanden ist. Bezahlt werden diese Aufträge jedenfalls mit deutschen Steuergeldern.

Das passt natürlich ins Muster der letzten Jahre, beginnend spätestens mit der Flüchtlingswelle 2015, seit der ein Notstand auf dem anderen folgt, in dem leider, leider so schnell gehandelt werden muss, dass die klassische Freihandvergabe im Vergleich ein pingeliges Auswahlverfahren ist. Man wiederholt es ungern, aber die berüchtigten SMS von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sind ein typisches Beispiel dafür.

Bodemann ist als Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos Bundeswehr der letztlich Verantwortliche für diese irregulären Vergaben. Das, was an Bodemann wirklich interessant ist, ist nicht sein Geschwätz, das hält schlicht die in NATO-Kreisen vermutlich vorgegebene Hirnlosigkeit. Was an Bodemann interessant wäre, sind die Bewegungen auf seinen Konten und jenen seiner Familienangehörigen. Vergaben im Milliardenbereich ohne Ausschreibung und ohne jegliche öffentliche Kontrolle, weil alles hyperdupergeheim sein muss? Da müsste bei der Steuerfahndung eine ganze Flutlichtanlage rot leuchten. Und um noch einmal zum Psychogramm zu Beginn zurückzukehren – Geiz und Gier sind Eigenschaften, die oft zusammen auftreten.

Aber Bodemann wird nicht fürchten müssen, belangt zu werden. Sollte, aus welchem Grund auch immer, das Projekt Ukraine und all die damit verknüpften Geschäfte beendet werden müssen, die Vogelgrippe ist schon in Arbeit.

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