Meinung

Keinen Meter zurück: Baerbock erklärt Ukraine-Unterstützung zum "größten nationalen Interesse"

Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock machte im Rahmen einer Sicherheitskonferenz einige bemerkenswerte Aussagen. Bemerkenswert sind sie nicht nur angesichts der Diskussion um die Schuldenbremse. Offenbar geht auch die diplomatisch geführte Debatte um die Beendigung des Ukraine-Krieges völlig an der Außenministerin vorbei.
Keinen Meter zurück: Baerbock erklärt Ukraine-Unterstützung zum "größten nationalen Interesse"

Von Wladislaw Sankin

Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) machte am Montag bei einer Veranstaltung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin eine Reihe bemerkenswerter Aussagen. Die Konferenz fand zum Jahrestag der Verabschiedung der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung statt. Baerbock rief zur Verteidigung der europäischen Friedensordnung und zu einer noch stärkeren Unterstützung der Ukraine und des deutschen militärischen Engagements in den baltischen Staaten auf: 

"Wir werden unser Europa – und zwar jeden Quadratzentimeter unseres Europas – und unserer Freiheit verteidigen."

Die Veranstaltung fand vor dem Hintergrund der laufenden schwierigen Verhandlungen der Ampel-Regierung über den Haushalt 2025 unter dem Druck erheblicher Einsparungen statt. Unter Verweis auf Finanzminister Christian Lindner, der auf die Einhaltung der sogenannten Schuldenbremse pocht, polemisierte Baerbock, dass die Ukraine-Unterstützung keine Charity-Geste sei. Über solche Diskussionen sei sie irritiert. Vielmehr sei diese ein Investment in die eigene nationale Sicherheit und in die Verteidigung von Frieden und Freiheit. Baerbock betonte:

"Ein größeres nationales Interesse kann es doch eigentlich gar nicht geben."

Mit Blick auf den "brutalen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine" forderte sie, "unsere Abschreckung" müsse "klar und deutlich" sein. Den in der vor einem Jahr beschlossenen Nationalen Sicherheitsstrategie fest verankerten Grundsatz, dass das heutige Russland auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit im euroatlantischen Raum sei, bekräftigte Baerbock aufs Neue. 

Dafür griff sie gleich zu Anfang der Rede (vollständiger Wortlaut hier) zu einer ihrer Lieblingslügen zurück, wonach Russland das größte Atomkraftwerk Europas Saporoschje mit Drohnen angreife. Putins Russland sei "auf dem Weg in den Totalitarismus" und sein Imperialismus höre bei der Ukraine nicht auf, betonte sie. Um ihr Bedrohungsszenario zu bekräftigen, warf Baerbock Russland auch seine geografische Lage vor – Putin stehe im Baltikum direkt vor unserer Haustür!

Der Auftritt der Außenministerin hörte sich angesichts der Debatte um die Bedingungen für Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg besonders bizarr an. Der russische Präsident formulierte vor wenigen Wochen die Bedingungen, unter denen eine dauerhafte Lösung des Ukraine-Konflikts möglich sei. Deutschland, das Baltikum, der Ostseeraum oder Finnland wurden mit keinem Wort erwähnt – mit seiner Rede skizzierte Putin eine Sicherheitsarchitektur für ganz Eurasien.

Auch Selenskijs Büro hält nun überraschend – offenbar auf Druck aus Washington – Friedensgespräche (zunächst über Vermittler) für möglich. Selenskij deutete in einem Interview an, dass die Ukraine dafür territoriale Verluste hinnehmen könnte. 

Doch diese Initiativen gehen an der obersten Diplomatin der Republik gänzlich vorbei. In ihrer militaristischen Raserei nimmt die grüne Rüstungslobbyistin offenbar kaum wahr, was in der Welt derzeit geschieht. Unbeeindruckt von den Friedensvorschlägen der Konfliktparteien zählte sie stattdessen mit Begeisterung auf, was die NATO etwa durch den Beitritt Finnlands an militärischer Stärke hinzugewonnen habe: 

"Allein mit dem Beitritt Finnlands wird die NATO 60 hochmoderne F-35-Kampfjets dazubekommen, 19.000 Soldatinnen und Soldaten, 238.000 Reservisten."

Die gar nicht mehr so kalte Kriegerin triumphiert: "Putin wollte die NATO schwächen und hat sie stattdessen gestärkt." Und immer wieder ist von "uns", von "Europäerinnen und Europäern", oder einem wehrhaften Deutschland, dem "stärksten Land in Europa", die Rede. Mitunter hört sich ihr stets wiederkehrendes Eigenlob geradezu wie ein nationalistischer Schlachtruf an:

"Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren seit dem brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich gemacht, als Europäerinnen und Europäer: Man sollte uns nicht unterschätzen."

Erinnern wir uns: Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine. Insgesamt hat die Bundesrepublik bisher vor allem Gelder für die militärische Unterstützung Kiews bereitgestellt. Insgesamt hat Deutschland mehr als 33,9 Mrd. Euro für bilaterale Unterstützungsleistungen für die Ukraine zur Verfügung gestellt. Doch das ist für Baerbock, wie sie am Montag in Berlin deutlich machte, noch immer zu wenig. Das alles, die umfassenden Initiativen des Bundesverteidigungsministers zur "Erhöhung der Kriegstüchtigkeit" Deutschlands eingeschlossen, sei nur ein "erster Schritt". 

Und die Russen? Sind sie 83 Jahren nach dem Beginn einer beispiellosen deutschen Aggression von diesem militärischen Eifer des "stärksten Landes in Europa" beeindruckt oder etwa aufgeschreckt, wie die Außenministerin es sich vorstellt?  

Danach sieht es nicht aus. Die Lieferung von Waffen an die Ukraine werde die Entschlossenheit Russlands nicht verringern und den Verlauf der speziellen Militäroperation nicht ändern, betonen die russischen Behörden immer wieder. Für Russland steht bei diesem Konflikt viel mehr auf dem Spiel und es besteht kein Zweifel, dass es alles daran setzen wird, ihn zu gewinnen und die Gefahr, die vom Boden der Ukraine für den russischen Vielvölkerstaat ausgeht, zu bannen.

Doch wenn Deutschland meint, Ansprüche auf die Ukraine und das Baltikum geltend machen zu müssen, wird der von der Bundesregierung und den deutschen Generälen ("Wir müssen uns im Schwerpunkt auf einen Landkrieg vorbereiten") so energisch herbeigeredete Krieg gegen Russland in nur wenigen Jahren Realität werden. Denn wenn der Kampf gegen Russland derart kompromisslos zum obersten Staatsziel erklärt wird, wird ein tatsächlicher Zusammenstoß mit dem "Feind" immer wahrscheinlicher. 

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