Meinung

Wenn ein deutscher "nicht-binärer" Schläger versehentlich in Ungarn landet

Mal sehen, was aus dieser Geschichte noch alles herausgeholt werden wird. Bestimmt ganz viel "Ungarn ist böse". In Wirklichkeit ist aber das, was hier als "Antifaschismus" verkauft wird, eher ein Grund zum Schämen. Gleich, ob Mädchen oder Kerl.
Wenn ein deutscher "nicht-binärer" Schläger versehentlich in Ungarn landetQuelle: www.globallookpress.com © Tim Carmele; bearbeitet

Von Dagmar Henn

Eigentlich ist das, was aktuell geschehen ist, eher eine Farce: Da gibt es aus Ungarn einen Auslieferungsantrag gegen eine Deutsche (wobei die besagte Person, das betonen alle Presseberichte, "nicht-binär" sein soll, also ebenso gut männlich sein kann) und das Berliner Kammergericht entscheidet, dass die Auslieferung zulässig ist. Die Anwälte stellen einen Eilantrag beim Verfassungsgericht, um die Auslieferung zu verhindern, aber als um 11 Uhr die Entscheidung ergeht, die Auslieferung sei unzulässig, befindet sich besagte Person bereits seit einer Stunde in den Händen der ungarischen Behörden – was in den deutschen Medien mit viel Empörung quittiert wird.

Dahinter wird die Sache aber kompliziert. Der Vorwurf gegen Maja T. lautet, im vergangenen Jahr an Überfällen in Budapest beteiligt gewesen zu sein, bei denen mehrere Personen schwer verletzt wurden. Die Überfallenen sollen Teilnehmer eines "Tages der Ehre" in Budapest gewesen sein, weshalb die taz beispielsweise von einer "Auslieferung von Antifaschistin" schreibt. Tatsächlich ist der "Tag der Ehre" eine ziemlich widerliche Veranstaltung, und die Opfer des Überfalls, soweit sie bekannt sind, sind ebenfalls nicht gerade Sympathieträger. (Allerdings schreibt das Neue Deutschland (ND), das den Überfallenden sehr gewogen ist, "die Staatsanwaltschaft stellt einige der Opfer als Wanderer und Touristen dar, ein Bericht auf Indymedia hat diese Behauptung jedoch in mehreren Fällen widerlegt", was dem aufmerksamen Leser signalisiert, dass auch völlig Unschuldige unter den Opfern gewesen sein können).

Dieser "Tag der Ehre" ist eine Veranstaltung, bei der Neonazis aus vielen europäischen Ländern an einen Ausbruchsversuch im Februar 1945 erinnern, den Waffen-SS, Wehrmacht und ungarische Nazikollaborateure unternommen hatten. Besagte Maja T. war nach Budapest gereist, um gegen diese Veranstaltung zu protestieren, aber offenbar wohl auch, um gegen die Teilnehmer Gewalt auszuüben. Im Bericht des ND vom März ist immerhin von "Schlagwerkzeugen" die Rede, was Planung zumindest nahelegt.

Schwierig wird es allerdings, wenn man etwas mehr in die Details geht. Warum zieht es Maja T. und ihre Kumpane ausgerechnet nach Ungarn? Diese Veranstaltung ist bei weitem nicht die einzige, in der Nazis geehrt werden; sie müsste nicht einmal nach Lwow fahren, Estland oder Litauen haben Derartiges auch zu bieten. Es gibt jedoch einen entscheidenden Unterschied – an all diesen Orten wäre es weitaus schwieriger, mal eben einen der Gegner zusammenzuschlagen, weil dort diese Veranstaltungen nicht nur mit Billigung, sondern sogar unter Beteiligung der jeweiligen Regierung stattfinden.

Das ist in Budapest nicht der Fall. Im Gegenteil, Kundgebungen in der Innenstadt wurden verboten. Das ND rügt natürlich, dass die Polizei dennoch nicht eingegriffen habe, als Nazisymbolik offen gezeigt wurde. Aber das hat grundsätzlich keine andere Qualität als irgendwelche Neonazitreffen in Deutschland, im Gegensatz zu Veranstaltungen, die mit dem Segen der Regierungen stattfinden.

Es ist gänzlich unmöglich, zu behaupten, dieses Treffen in Ungarn sei das Schlimmste, oder auch nur annähernd das Schlimmste, was an Derartigem in Europa geboten wird. Nicht nur, dass der Wunsch, seine Ablehnung dieser Gesinnung mit dem Prügel auszuleben, problemlos in Deutschland selbst erfüllt werden kann (bereits ohne das inzwischen ebenfalls reichlich importierte ukrainische komplementäre Angebot einzubeziehen), und es politisch doch eher angebracht wäre, an jenen Orten zu protestieren, an denen die Obrigkeit ein Faible für die Waffen-SS hegt. Es bleibt ein sehr eigenartiger Geschmack bei diesem Reiseprotest, der weniger nach Solidarität und mehr nach ziemlichen Rabaukentum schmeckt.

Auch wenn die heutige, politisch ziemlich orientierungslose Antifa so etwas für gerechtfertigt hält – historisch gesehen ging es immer um den Schutz des Eigenen, um Abwehr von Übergriffen auf eigene Veranstaltungen oder Übergriffen auf eigenes Gebiet. Weil genau dieser Punkt die Trennlinie zwischen politisch begründeter Gewalt und der Gewalt um der Gewalt willen darstellt. Tausend Kilometer zu fahren, um in einem anderen Land einem Nazi die Fresse zu polieren, nicht, weil andere durch ihn gefährdet sind, sondern nur, weil einem danach ist, ist schon eine seltsame Einstellung. Keiner der Berichte über den Vorfall beinhaltet auch nur die Andeutung, dass es dabei darum gegangen wäre, andere zu schützen, oder dass es Selbstverteidigung war. Es wird nicht in Abrede gestellt, dass die "Linksradikalen" die Angreifer waren.

Wenn es besagter Maja T., aus welchem Grund auch immer, darum gegangen wäre, mit maximaler Härte gegen jene vorzugehen, die den Nazismus verherrlichen – nun, wo sich die Asow-Truppen an der Front befinden – ist den Meisten bekannt, dass sich mit ein bisschen Geschick jederzeit die Möglichkeit hätte finden können, die Feinde ernsthaft zu bekämpfen.

Aber wir reden hier von der deutschen Antifa und dieser Überfall folgte einigen Zusatzkriterien. Dummerweise sind nämlich gerade die Länder, in denen solche Aufmärsche Regierungsveranstaltungen sind, die allerengsten Verbündeten der Vereinigten Staaten, die für die Antideutschen ja neben Israel den Inbegriff des Guten darstellen. Also dürfen diese Veranstaltungen in Estland, Litauen oder gar der Ukraine nicht angegriffen werden. Ungarn hat jedoch den Vorteil, dass es ohnehin nicht linientreu ist, und damit die nachvollziehbare staatliche Reaktion, die schlicht darauf beruht, dass man nicht einfach so mal Menschen zusammenschlägt (nicht einmal schlechte Menschen), als Verfolgung einer braven deutschen Antifaschistin durch den bösen ungarischen Staat dargestellt und bei der Gelegenheit Ungarn unterstellt werden kann, es nehme die Seite der Neonazis ein.

Was, wie bereits erwähnt, faktisch falsch ist. Noch hübscher wird die ganze Geschichte dadurch, dass sich besagte Maja T. als "nicht-binär" klassifiziert, und daraus dann der Anspruch abgeleitet wird, sie bedürfe einer besonders schonenden Behandlung. Was schon bizarr ist, denn jemand, der mit "Schlagwerkzeug" jemand anderen schwer verletzt hat, müsste im Grunde bereit sein, ebenso viel einzustecken wie auszuteilen. Das war zumindest einmal die Regel, selbst bei Schulhofprügeleien. Aber schon die Selbstbezeichnung als "nicht-binär" legt nahe, dass es hier um ein verirrtes Bürgerkind geht, das den Anspruch, als etwas Besseres gesehen zu werden, gleichsam automatisch eingebaut hat.

"Die Zellen in Ungarn sind bekanntlich überfüllt, schmutzig und ohne natürliches Licht", stand in einer Erklärung zu einer Kundgebung zur "Solidarität mit den Budapest-Antifas" vor wenigen Tagen. Die taz zitiert den Anwalt der Beschuldigten, die Haftbedingungen in dem Land seien "nicht menschenrechtskonform, insbesondere für non-binäre Menschen". Auch in dem alten Bericht des ND wird darüber geklagt, dass es in ungarischen Gefängnissen Bettwanzen und Kakerlaken gebe.

Mindestens das mit den Kakerlaken müssten ältere deutsche Haftanstalten auch problemlos schaffen. Aber die Haltung, die sich dahinter verbirgt, ist durchaus interessant. Klar, dass in Ländern, die ärmer sind als Deutschland, auch die Ausstattung von Haftanstalten anders aussieht. Doch, ganz ehrlich – wer Wert auf deutsche Haftbedingungen legt, soll dann eben nicht andernorts herumschlägern. Nebenbei, die Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts spricht durchgehend von "er". Die Wahrscheinlichkeit ist also hoch, dass hinter "Maja T." in Wirklichkeit ein Kerl steckt, der nun vermutlich gerne in einer Frauenhaftanstalt landen würde. Weder in Deutschland noch in Ungarn ist davon auszugehen, dass die dort inhaftierten Frauen über die Anwesenheit eines derartigen Schlägers begeistert sind.

Es geht also um einen 23-jährigen Kerl, der mit einer schwachen politischen Rechtfertigung, im Ausland herumgeschlägert hat wie ein britischer Hooligan beim Auswärtsspiel seiner Nationalmannschaft, aber den Anspruch erhebt, das aus edlen politischen Motiven getan zu haben und auch noch einfordert, wie ein Mädchen behandelt zu werden. Wie ein deutsches Mädchen, nebenbei, denn so antinational sich diese Antifas geben, die Hackordnung des Westens haben sie tief verinnerlicht. Und wo käme man da hin, wenn solch ein Edeldeutscher in einer Halbkolonie wie Ungarn vor Gericht müsste?

Die ungarischen Behörden haben übrigens nicht einmal die Absicht, er/sie/es dauerhaft zu behalten; es geht ihnen vor allem darum, den Prozess in Ungarn durchzuführen. Was nachvollziehbar ist, denn es handelt sich eben, nebenbei auch um politische Übergriffe von Deutschen in Ungarn. Dass die Opfer dieses Übergriffs womöglich selbst keine Unschuldslämmer waren, ändert an dieser Qualität nichts und ist auch kein Grund, dass sich deutsche Behörden schützend vor den Schläger werfen sollten, die in diesem Fall genauso wenig Gespür für den Respekt vor der Souveränität eines anderen Landes zeigen wie der Täter selbst.

Vermutlich wird die ganze Geschichte jetzt zum Anlass, um wieder eine Runde lang Ungarn in den düstersten Farben zu malen. Weil das gerade in die Regierungslinie passt, könnten ganz viele deutsche Akteure plötzlich ihre Zuneigung zu diesem Pseudo-Antifaschisten entdecken und bei der Gelegenheit mindestens so ausdauernd darüber klagen, wie entsetzlich doch dieser Neonaziaufmarsch in Ungarn ist, wie sie ansonsten über die regierungsseitige SS-Verherrlichung in Estland, Litauen und gar erst in der Ukraine schweigen. Nun, Ungarn wird das überstehen. Schlimm ist nur, dass dieses schäbige Hooligan-Verhalten gekoppelt mit Weinerlichkeit bei vielen Deutschen dann als Antifaschismus gilt. Was das Andenken an Zehntausende ehrlicher Antifaschisten, die im Kampf gegen den Nazismus in Deutschland und für Deutschland ihr Leben gegeben haben, in den Schmutz zieht.

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