Meinung

Ukrainische Flüchtlinge: Das Asylrecht rückt näher

Die Debatte um das Bürgergeld, das ukrainischen Flüchtlingen zusteht, ist auf zwei Ebenen problematisch. Die finanzielle Ebene wird gerade öffentlich diskutiert. Doch Ukrainer in das Asylrecht „zu schieben“, ist gar nicht so einfach.
Ukrainische Flüchtlinge: Das Asylrecht rückt näher

Von Tom J. Wellbrock

Die Ungleichbehandlung ukrainischer Flüchtlinge gegenüber anderen Menschen, die aus ihren Heimatländern flüchten, ist schon lange ein Problem. Zwar sind die im Netz kursierenden Posts, nach denen sich Ukrainer in Deutschland tätigkeitslos Reichtümer anhäufen können, übertrieben. Dass sie jedoch mehr bekommen als Asylbewerber, steht fest.

Gutes Geld

Aus der Sicht eines Ukrainers ist Deutschland im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern als Zufluchtsort sehr attraktiv. Beim WDR ist nachzulesen:

"Ukrainer, die in Deutschland Schutz suchen, erhalten bislang grundsätzlich eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis, die aktuell bis zum 4. März 2025 gilt. Sie erhalten Bürgergeld in Höhe von 563 Euro pro Person für Alleinstehende, 506 Euro für Partner. Volljährige Kinder, die bei ihren Eltern wohnen, bekommen monatlich 451 Euro. Für Kinder gibt es einen monatlichen Zuschlag von 20 Euro. Zusätzlich bezahlt der Staat die Kosten für Unterkunft, Heizung und Warmwasser, 'soweit diese angemessen sind'.

Hinzu kommen diverse 'Mehrbedarfe' - zum Beispiel für Schwangere, Alleinerziehende, Behinderte und chronisch Kranke. Auch einmalige Leistungen können beantragt werden: Erstausstattung für Kinderkleidung und für die Wohnung, einschließlich Haushaltsgeräten. Übernommen werden auch die Kosten etwa für Schulausflüge, Schulmaterialien, Schulbus sowie ein Betrag von 15 Euro monatlich für soziale Teilhabe. Bürgergeldempfänger sind zudem gesetzlich krankenversichert."

Theoretisch können Ukrainer direkt nach ihrer Einreise in Deutschland also auch arbeiten. Allerdings tun das nur etwas mehr als 20 Prozent. Die Gründe sind vielfältig, sie beginnen bei der Sprache und enden bei gesundheitlichen Problemen. Allerdings halten sich in einem Niedriglohnland wie Deutschland die Anreize zum Arbeiten in Grenzen, wenn das Bürgergeld doch nur unwesentlich niedriger als der Lohn ist. Warum sollte ein Ukrainer sich anders verhalten als ein Deutscher, der zum Schluss kommt, dass ein Job ihn so gerade eben über Wasser hält, er womöglich sogar aufstocken muss, mit Bürgergeld aber deutlich weniger Stress hat?

Gute Argumente

Ins Geld gehen auch Betrugsfälle mit dem Bürgergeld. Im Mai 2024 zählte das Bundesinnenministerium gut 5.600 Fälle von Betrug, genauer: Sozialbetrug. Man muss von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgehen, und da Bund und Länder mit der Handhabung von Flüchtlingen ohnehin maßlos überfordert sind, ist ein Eindämmen dieser Betrugsfälle nicht abzusehen.

Laut war die Kritik an Brandenburgs Innenminister Stübgen (CDU), als er forderte, Ukrainern das Bürgergeld zu entziehen. Er argumentierte mit der geringen Arbeitsquote bei Ukrainern, aber Ärger gab es wegen eines anderen Punktes. Warum, so der Innenminister Brandenburgs, sollen Fahnenflüchtige Bürgergeld bekommen? Deutschland kann nicht alles für die Ukraine tun wollen, dann aber mithelfen, wenn sich Männer im wehrfähigen Alter ihrer Pflicht entziehen wollen. Das Geschrei war groß und einmal mehr inhaltslos, denn nüchtern betrachtet hat Stübgen ja durchaus recht. Um die Kritik zu entkräften, machte sich die "Tagesschau" an einen Faktencheck, der jedoch sehr dünn ausfällt. Die "Tagesschau" fasst zusammen, Stübgen behaupte,

"dass die Ukrainer, die der Wehrpflicht unterliegen, in Deutschland Geld erhalten, während Deutschland die Ukraine gleichzeitig bei der Verteidigung unterstütze."

In ihrem "Faktencheck“ stellt die ARD dann dazu fest:

"Zu den Fakten: In der Ukraine gilt eine Wehrpflicht für alle 18- bis 60-jährigen Männer. Sie dürfen das Land nicht verlassen. In Deutschland leben laut Bundesregierung derzeit rund 1,3 Millionen Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft. Rund 260.000 ukrainische Männer davon seien zwischen 18 und 60 Jahren. Wie viele davon etwa wegen Krankheit oder Behinderung nicht wehrfähig sind, sei nicht bekannt, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums."

Was genau möchte uns die "Tagesschau" nun damit sagen? Legt man die Worte auf die Goldwaage, kann nur herauskommen, dass es vermutlich Ukrainer gibt, die wegen Krankheit oder Behinderung nicht wehrfähig sind. Niemand weiß, wie viele es sind, aber es muss sie wohl geben. Im Umkehrschluss heißt das naturgemäß, dass es auch Ukrainer geben muss, die eigentlich Dienst an der Waffe tun könnten, sich aber drücken.

Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: Es wäre eine Ungeheuerlichkeit, von Deutschland aus Ukrainer an die Front zu schicken, der Autor dieses Textes lehnt dies kategorisch ab. Aber die Politik der bedingungslosen Unterstützung der Ukraine führt zu solchen Debatten, wie sie durch Stübgen losgetreten wurde. 

Gute Gründe

Aus Bürgergeld Asylleistungen zu machen, ist gar nicht so einfach. Diejenigen, die das fordern, wollen damit Geld sparen und Arbeitsanreize erhöhen. Allerdings ist die Asylberechtigung klar definiert:

"Der Unterschied zwischen Flüchtlingen und Asylberechtigten besteht darin, dass bei Asylberechtigten die zu erwartende Gefahr von Verfolgung wegen Ethnie, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe direkt vom Staat ausgehen muss. Demnach gelten Asylberechtigte nach Artikel 16a Absatz 1 Grundgesetz als 'politisch Verfolgte'."

Spontan könnte man sagen, dass damit das Thema aus der Welt ist, denn die ukrainischen Flüchtlinge – und erst recht die Fahnenflüchtigen – sind keine politisch Verfolgten. Doch die innenpolitische Situation der Ukraine war schon vor dem aktuellen Krieg problematisch, und inzwischen sind bei Selenskyj und seinen Leuten alle Dämme gefallen. Es gibt keine freie Presse mehr, die Meinungsfreiheit ist an einem Tiefpunkt angekommen, und die Art, wie neue Soldaten rekrutiert werden, grenzt an Folter.

Insofern wäre im Einzelfall zu prüfen, ob nicht bei dem einen oder anderen Ukrainer tatsächlich das Recht auf Asyl vorliegt.

Natürlich wird das nicht passieren. Es passt nicht zusammen, die Ukraine als Land der Freiheit und der Demokratie darzustellen und dann womöglich Fälle zu prüfen, bei denen eine Asylberechtigung vorliegen könnte. Doch das politische System in der Ukraine hat weder etwas mit Rechtsstaatlichkeit noch mit Demokratie zu tun, das Land hat ja nicht einmal einen verfassungsmäßig anerkannten Präsidenten. Faktisch herrscht in der Ukraine eine Art "kapitalistische Anarchie", ohne Obrigkeit, ohne Staat, aber mit einem Maximum an Herrschaft einiger weniger.

Gute Lösung

Man muss daran erinnern, wie die Flüchtlingssituation überhaupt zustande gekommen ist. Der Westen hat über Jahre und Jahrzehnte auf diesen Krieg hingearbeitet. Er hat bis zum Schluss alles unterlassen, was ihn hätte verhindern können, mehr noch, er hat eskaliert, bis es zum Krieg keine Alternative mehr gab.

Die beste Lösung wäre gewesen, diese Eskalation gar nicht erst zuzulassen, die zweitbeste wäre nun, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Die Debatte um ukrainische Flüchtlinge und das Bürgergeld bzw. die Arbeitsaufnahme der Ukrainer zielt jedoch darauf ab, dass dieser Krieg noch lange dauern soll. Hier werden Pläne diskutiert, die nicht kurz-, sondern mittel- und langfristig gedacht sind.

Es gibt also keine gute Lösung, außer einem Ende des Krieges. Ob Ukrainer Bürgergeld oder Leistungen nach dem Asylrecht erhalten, ist genaugenommen eine Scheindebatte, denn sie setzt nicht bei einem Ende des Krieges an.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

Mehr zum Thema - Leiter der Innenministerkonferenz: "Passt nicht, dass wir fahnenflüchtige Ukrainer alimentieren"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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