Meinung

Rainer Rupp: NATO-Generalsekretär will jetzt auch in Asien zündeln

In drei Wochen auf dem NATO-Gipfeltreffen in Washington steht die angebliche Bedrohung westlicher Interessen durch China als einer der drei Hauptpunkte auf der Tagesordnung. Die NATO streckt ihre Klauen nun auch in Richtung Asien aus. Mit regionalen Allianzen will sie den USA helfen, Pekings Einfluss einzudämmen.
Rainer Rupp: NATO-Generalsekretär will jetzt auch in Asien zündelnQuelle: Gettyimages.ru © Andrew Leyden/NurPhoto

Von Rainer Rupp

Um auf das bevorstehende Gipfeltreffen der NATO entsprechend einzustimmen, hat deren Generalsekretär Jens Stoltenberg am 17. Juni anlässlich seines Besuchs in Washington, D.C. schon vorsorglich eine deutliche Warnung an die Volksrepublik China gerichtet, weil diese angeblich Russlands Krieg in der Ukraine durch Technologielieferungen unterstütze.

Noch vor seinem Besuch beim US-Präsidenten Joe Biden im Weißen Haus hatte Stoltenberg die Washingtoner Denkfabrik WWICS ("Woodrow Wilson International Center for Scholars" oder kurz "Wilson Center") besucht und dort eine Rede gehalten. Dabei hat er das handverlesene Publikum unter anderem über die drei großen Themen eingeweiht, die das bevorstehende NATO-Gipfeltreffen beherrschen sollen. Punkt eins auf der Tagesordnung sei das Kerngeschäft der NATO: "Abschreckung und Verteidigung". Als Punkt zwei komme "das dringendste Thema" nämlich die Ukraine zur Sprache. Punkt drei wird dann – vor dem Hintergrund der angeblichen chinesischen Bedrohung – dem NATO-Programm "Globale Partnerschaften, insbesondere im indopazifischen Raum" gewidmet sein.

Hier folgen von mir übersetzte Auszüge, was Stoltenberg in seiner einführenden Rede im "Wilson Center" zum dritten Themenschwerpunkt gesagt hat:

"Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass unsere Sicherheit keine regionale, sondern eine globale ist, nicht zuletzt wegen der Unterstützung, die Russland bekanntlich von China und anderen Ländern erhält. Peking stellt High-End-Technologien wie Halbleiter und andere Güter mit doppeltem Verwendungszweck zur Verfügung. Im vergangenen Jahr importierte Russland 90 Prozent seiner Mikroelektronik aus China, die für die Herstellung von Raketen, Panzern und Flugzeugen verwendet wird. China arbeitet auch daran, Russland mit verbesserten Satellitenfähigkeiten und -bildern auszustatten."

"All dies ermöglicht es Moskau, mehr Tod und Zerstörung in der Ukraine anzurichten, die russische Rüstungsindustrie zu stärken und die Auswirkungen von Sanktionen und Exportkontrollen zu umgehen."

Diese Aussage ist in ihrer Einseitigkeit einmalig. Nur von der westlichen Kriegspropaganda zu Omelett verquirlte Gehirne vermögen darin nicht zu erkennen, dass die NATO-Länder die Ukraine nicht nur mit Chips, sondern mit fertigen Hochtechnologiewaffen für Angriffe gegen Russland beliefern. Aber gegen eine solche einfache und offensichtliche Erkenntnis scheinen die westlichen Kämpfer für die Durchsetzung der von den USA nach Belieben veränderbaren "regelbasierten Ordnung" geimpft zu sein. Denn trotz der vom Westen unterstützten unsäglichen Verbrechen der neoliberalen Un-Wertegemeinschaft, etwa derzeit im Gazastreifen, präsentiert sich die psychopathische Politiker-Elite des Westens als "die Guten". Das ist schlimm genug, aber was sie für die ganze Welt besonders gefährlich macht, ist die Tatsache, dass sie überzeugt sind, die Stärksten zu sein, die auf der Seite von "Engeln" gegen "das Böse" in Gestalt von Russland und China, also Putin und Xi, kämpfen und aus ihrer vermeintlichen Position der Stärke einen großen Weltenbrand provozieren.

Nun weiter im Stoltenberg-Originalton zum Tagesordnungspunkt drei:

"In der Öffentlichkeit hat der Präsident Xi versucht, den Eindruck zu erwecken, dass er sich in diesem (Ukraine-)Konflikt zurückhält, um Sanktionen zu vermeiden und den Handel in Gang zu halten. Die Realität ist jedoch, dass China den größten bewaffneten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg anheizt. Und gleichzeitig will es gute Beziehungen zum Westen aufrechterhalten. Nun, Peking kann nicht beides haben. Irgendwann – wenn China seinen Kurs nicht ändert – muss es den Preis dafür zahlen.
...
Die zunehmende Annäherung zwischen Russland und seinen autoritären Freunden in Asien macht es noch wichtiger, dass wir eng mit unseren Freunden im indopazifischen Raum zusammenarbeiten.
...
Daher habe ich die Staats- und Regierungschefs Australiens, Japans, Neuseelands und der Republik Korea zum NATO-Gipfel in Washington im nächsten Monat eingeladen. Gemeinsam können wir die auf Regeln basierende internationale Ordnung aufrechterhalten und unsere gemeinsamen Werte schützen."

Die Volksrepublik reagierte prompt auf diese Provokation des NATO-Sprechers. In einer für China ungewöhnlich deutlichen Sprache verwies der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Lin Jian auf die "Internationale Gemeinschaft, die ihre eigene Meinung darüber habe, welche Rolle die NATO, das Produkt des Kalten Krieges und das größte militärische Bündnis der Welt in der Ukraine-Krise spielt. Die NATO sollte ihre Handlungen überdenken, anstatt willkürliche verleumderische Angriffe auf China durchzuführen".

Die sogenannte "Internationale Gemeinschaft" ist in der Vergangenheit Jahrzehnte lang vom "kollektiven Westen" propagandistisch missbrauchte worden. Wenn sie heute von China als Zeuge in dieser Sache aufgerufen wird, dann bedeutet dies, dass eine große internationale Mehrheit in Gestalt der BRICS-Mitglieder und deren Anwärter hinter China und Russland steht, denn auch diese Staaten wollen sich nicht länger von den USA und deren Vasallen herumschubsen lassen.

Die aktuelle US-Depesche an die Sozialistische Republik Vietnam ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass man im Weißen Haus die real existierenden Verschiebungen im globalen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Machtgefüge entweder ignoriert oder nicht wahrnehmen will. Obwohl die USA Vietnam auf seine Seite gegen China und Russland ziehen will, glauben die US-Politikereliten, die sich immer noch als Herrscher des Universums fühlen, ein Land wie Vietnam herumkommandieren zu können, wie sie es von ihren europäischen Vasallen gewöhnt sind.

Anlass der US-Depesche nach Hanoi waren Berichte über die bevorstehende Reise des russischen Präsidenten Putin nach Vietnam im Laufe dieser Woche. Das hat in Washington, D.C. eine scharfe Reaktion gegen die Außenpolitik dieses ASEAN-Mitglieds ausgelöst. Die Nachrichtenagentur Reuters beruft sich auf eine Äußerung eines Sprechers der US-Botschaft in Hanoi des Inhalts: "Kein Land dürfte Putin eine Plattform bieten, um seinen Angriffskrieg zu fördern und ihm ansonsten die Möglichkeit geben, seine Gräueltaten zu normalisieren. Wenn er frei einreisen kann, könnte dies Russlands eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht normalisieren."

Die Herren in Washington, D.C. können einfach nicht über ihren hegemonialen und heuchlerischen Schatten springen: Erstens, weil die USA nicht das Recht haben, Vietnam vorzuschreiben, welche Staatsoberhäupter dieses Land besuchen dürfen und welche nicht, und zweitens, weil keines dieser drei Länder – weder die USA selbst noch Russland noch Vietnam – den vom kollektiven Westen installierten "Internationalen Strafgerichtshof" (IStGH) anerkennt und sich dessen Jurisdiktion unterworfen hat.

Mit dem Verweis, dass Putin nicht "frei reisen" dürfe, beziehen sich die USA auf den im vergangenen Frühjahr unter falschen Vorwänden gegen Putin ausgestellten "Haftbefehl" des IStGH wegen angeblicher Kindesentführung, weil russische Soldaten ukrainische Kinder, die sie ohne Eltern und Verwandte in der Kampfzone aufgegriffen hatten, zunächst nach Russland in Sicherheit gebracht haben. Ukrainische Eltern, die sich seitdem bei den Russen gemeldet haben, haben ihre Kinder wieder zurückbekommen.

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