Meinung

Kiesewetter will Russisches Haus wegen "erhöhter Terrorgefahr" schließen lassen

Die Musik von Glinka, Tschajkowski und Rachmaninow, Gedichte von Puschkin, Russischunterricht sowie Filmklassiker aus der Sowjetzeit und von heute tragen laut Roderich Kiesewetter zu Terrorismusgefahr und "hybrider Bedrohung" bei. Die Kultureinrichtung "Russisches Haus" muss deshalb schließen.
Kiesewetter will Russisches Haus wegen "erhöhter Terrorgefahr" schließen lassenQuelle: www.globallookpress.com

Von Wladislaw Sankin

Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter hat ein in der heutigen Bundesrepublik gar nicht so seltenes Talent: Er kann aus jedem beliebigen Anlass eine russische Gefahr heraufzubeschwören. Selten ist dieses Talent zwar nicht, aber immerhin steht ausgerechnet er – zusammen mit Agnes-Marie Strack-Zimmermann – absolut in der Gunst der Medien.

Am Dienstag durfte Kiesewetter die Veröffentlichung des neuen Verfassungsschutzberichts für 2023 in der Rheinischen Post kommentieren – als Kritiker und Unterstützer zugleich. Gelobt wurde die Linie der Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Deutschland resilienter und wehrhafter zu machen. Und kritisiert wurde die Zögerlichkeit der Bundesregierung bei der Umsetzung dieses Plans. Es würden bislang nicht alle Instrumente der wehrhaften Demokratie ausreichend genutzt. Es seien politische Entscheidungen, die verhindern, dass Terrorismus und hybride Beeinflussung effektiv eingedämmt werden.

"Es ist zum Beispiel nicht erklärbar, warum sowohl das IZH in Hamburg (Blaue Moschee) als auch das Russische Haus in Berlin noch nicht geschlossen sind oder warum die Revolutionsgarden noch nicht längst auf der EU-Terrorliste sind", sagte das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.

Konkrete Kritik übte Kiesewetter auch am Kanzleramt: "Im Bereich ausländischer Bedrohung besorgt mich die strategische Blindheit im Bundeskanzleramt in Bezug auf den hybriden Krieg gegen uns. Es gäbe mehr Schutzmöglichkeiten, aber das Kanzleramt handelt nicht."

Interessant: Da werden eine schiitische Moschee, ein russisches Kulturzentrum und eine iranische militante Organisation im gleichen Atemzug genannt, so als ob sie alle zusammen erwiesenermaßen mit irgendeinem Terroranschlag je zu tun hätten. Angesichts der Fußball-Europameisterschaft wird die Gefahrenlage ja noch deftiger. So sagte Kiesewetter mit Blick auf das laufende Sportevent in Deutschland:

"Uns muss klar sein, dass die Terrorgefahr in Deutschland sehr hoch und gestiegen ist. Der Krieg in Nahost sowie der russische Angriffskrieg sind hier quasi Brandbeschleuniger."

Ja, wenn wir uns die 52 Jahre zurückliegende blutige Geiselnahme von München in Erinnerung rufen, klingt dieser Satz plausibel. Aber was hat denn der angebliche "russische Angriffskrieg" als Brandbeschleuniger damit zu tun? Das präzisiert Kiesewetter nicht. Sein Rezept: Auch während er anheizt, bleibt er pauschal, bedeutungsschwer und greift gerne zu Plattitüden. Etwa zu dieser:

Er habe "vollstes Vertrauen" in die Fähigkeiten der Sicherheitsbehörden, "jedoch sind wir für diese hybride Bedrohungslage, insbesondere was den Schutz kritischer Infrastrukturen anbelangt, nicht ausreichend aufgestellt", so der CDU-Politiker. Wie kommt er aber darauf? Hat er Beweise?

Als Beleg führt Kiesewetter eine Warnung des Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang an, der sehr deutlich gemacht habe, dass auch groß angelegte und koordinierte Terroranschläge wie zuletzt in Moskau (gemeint war der Angriff auf die Crocus City Hall mit über 140 Toten – Anm. d. Red.) mögliche Szenarien seien, mit denen die Sicherheitsbehörden rechnen müssten. "Das gilt es mit Blick auf Großveranstaltungen wie die EM zu berücksichtigen", so Kiesewetter weiter.

Es ist der normale Job der Geheimdienste, Terrorismusgefahr stets im Auge zu behalten, und um daran zu erinnern, braucht man auch keinen Kiesewetter, der natürlich gar nicht erwähnt, dass alle vier Crocus-Täter kurz vor der ukrainischen Grenze festgehalten wurden. Da hat der Anschlag wohl doch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun, aber natürlich nicht so, wie Kiesewetter das in seiner Warnung zuvor gemeint hatte. Denn es gibt weder eine russische Mannschaft bei der EM noch russische Zuschauer als Ziel möglicher Angriffe. Oder? Wer könnte denn sonst das Ziel der Anschläge sein, wenn Kiesewetter meint, dass der Ukraine-Krieg ein "Brandbeschleuniger" des Terrors sei? Sollten Russen etwa die EM-Stadien angreifen, einfach so? Denn Ukrainer würde eine Person wie Kiesewetter aus dem Kreis der Verdächtiger von vornherein ausschließen.

Diese Sinnlosigkeit seiner Aussagen hat, wie oben angedeutet, durchaus seinen Zweck. Aber was ihn zum Liebling der Medien macht, bleibt ein Geheimnis. Oder finden auch die Journalisten es toll, wenn jemand lauthals die Schließung des letzten russischen Kulturinstituts in ganz Deutschland fordert und die respektable diplomatische Einrichtung dabei noch mit Terroristen gleichsetzt? Eine totale Sperre, ein Bann für Kultur, ein Eiserner Vorhang, schlimmer als während des Kalten Krieges – soll das denn das Ziel sein? Damit eine kleine Gruppe Wahnsinniger das Visier endlich schließt und ihrem inneren Schlachtruf folgend in den Kampf gegen Kinder fressende Russen zieht? 

Ich befürchte, dass Leute wie Kiesewetter ganz zufällig dann nicht an vorderster Front aufzufinden wären, sondern im gar nicht mehr so sicheren Hinterhand, von wo aus sie auch dann anheizen würden – bis zum bitteren Ende. Denn wir kennen die Devise dieses Unsicherheitspolitikers: Moskau muss brennen, und die Russen sollen endlich mal lernen, Verlierer zu sein.   

Gott bewahre uns von solchen Gestalten, und die Medien sollen die Ersten sein, die derartige Hetzer einfach nicht mehr zu Wort kommen lassen. Aus reinem Selbsterhaltungstrieb, mehr darf ich da nicht mehr erwarten. Oder ist das schon zu viel verlangt in unseren verrückten Zeiten?

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