Meinung

Putin, die Zuneigung zu Deutschland und der Wahn der Mainstream-Medien

Eigentlich ist es immer das Gleiche. Egal, was der russische Präsident sagt, es belegt einzig böse Absichten. Das weiß die ganze deutsche Medienlandschaft. Er könnte nicht einmal sagen, dass die Sonne im Westen untergeht oder dass es im Winter schneit.
Putin, die Zuneigung zu Deutschland und der Wahn der Mainstream-MedienQuelle: www.globallookpress.com © Russia's presidential press service

Von Dagmar Henn

Heiliger Zirkelschluss! Die Argumentation, mit der deutsche Medien und Politiker auf die jüngsten Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin Deutschland betreffend reagieren, ist schon ein ganz besonderes Kunststück, das eigentlich nach den Gesetzen der Logik nicht zulässig sein dürfte. Putin trifft sich mit der AfD, die deshalb böse ist, weil Putin böse ist, und der wiederum ist böse, weil er sich mit der AfD trifft?

Wären die Zeiten normaler … aber es geschieht tatsächlich, dass Putin auf die Frage, ob die russische Regierung Kontakte mit der AfD habe, mit der Antwort reagiert, "wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollen." Und daraufhin der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag, in einer Regierungserklärung, zur AfD gewandt erklärt: "Das ist schon peinlich, dass Sie heute großes Lob vom russischen Präsidenten bekommen haben."

Was man als persönlichen Anfall von Wahn verbuchen könnte, wäre nicht genau dies mit Begeisterung von den Medien aufgenommen worden.

Das, was Putin gesagt hat, war eine ganz normale Aussage, die jeder Regierungschef, der im Interesse seines Landes und dessen Bevölkerung agiert, als einen der Grundsätze seines Handelns haben dürfte. "Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit uns kooperieren wollen." Worin liegt nun die Verfehlung? Dass man nach Vorstellung von Olaf Scholz und anderen westlichen Politikern nur mit jenen zusammenarbeiten darf, die die Moralprüfung bestanden haben? Oder gar nur mit jenen, die auch Washington genehm sind?

Wäre dieser Satz einer der Grundsätze der deutschen Bundesregierung, das Mistloch, in dem sich das Land derzeit befindet, wäre bestenfalls halb so tief. Und dessen Ausmaße scheinen dem russischen Präsidenten bestens bekannt zu sein:

"Jeder alternative Standpunkt wird wie eine gegen den Staat gerichtete Haltung aufgenommen. Und alle werden gleich zu Agenten des Kreml ernannt", so eine weitere Aussage Putins.

Was dann die meisten deutschen Medien, die diesen Satz zitieren, eilfertig gleich untermauern, wie die Frankfurter Rundschau, die als Beispiel anführt, dass "der AfD-Abgeordnete Steffen Kotré Interview-Gast im staatlichen russischen Fernsehsender Rossija 1 gewesen sei. Und sich dort wenig begeistert über die Lieferung deutscher Panzer an die Ukraine zeigte.

Was belegt das? Wird auch Buch geführt, wie häufig welche deutschen Politiker anderen ausländischen Fernsehsendern Interviews geben, so jemand wie Roderich Kiesewetter beispielsweise? Der ja ebenfalls Opposition ist? Mitnichten. Stattdessen wird ein 2015 von einem Deutschrussen gegründetes "Zentrum für Kontinentale Zusammenarbeit" angeführt, das "enge Verbindungen zu Russland" habe, als weiterer Beleg für das abgründige Wirken.

Wobei eben eine entscheidende Frage völlig umgangen wird: Beeinträchtigen diese Kontakte in irgendeiner Weise die deutsche Souveränität, wenn sie weder im Geheimen stattfinden noch die von deutscher Seite Beteiligten materiellen Einfluss auf zentrale Entscheidungen haben? Mehr noch, wollte man den Satz, aus dem Putin ein Vorwurf gemacht wird, auf die deutschen Verhältnisse umsetzen, was wäre nötig, um den unverkennbar massiven US-amerikanischen Einfluss auszugleichen?

Ein Standpunkt, der in Deutschland längst nicht mehr eingenommen werden darf. Die Frage der Souveränität, die Putin explizit angesprochen hat, wird in den Medien weitgehend übergangen. Nur der Merkur greift diese Sätze auf.

"Wir verstehen, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nie im wahrsten Sinne des Wortes ein souveräner Staat war."

Wer genau aufpasst, merkt, dass der Jurist Putin Bundesrepublik gesagt hat, nicht Deutschland. Es ist die Westrepublik, die nie souverän war. Was eine ganze Reihe von interessanten Fragen aufwirft, aber keine davon wird im Merkur aufgegriffen. Stattdessen erfolgt darauf folgende Replik:

"Die deutsche Souveränität zu leugnen, ist das zentrale Motiv der Reichsbürger-Szene. Deren Argumentation: Deutschland sei von den 'westlichen Siegermächten besetzt'. Als Konsequenz daraus lehnen sie alle demokratischen Institutionen ab und sprechen und handeln sehr häufig antisemitisch, rechtsextrem und geschichtsrevisionistisch."

Das klingt, als hätte der neueste Volontär seinen Text durch Rückgriffe auf ein Schmuddelportal wie Psiram ergänzt, weil er mit der Frage der Souveränität selbst nicht das Mindeste anzufangen weiß. Nein, man muss da nicht argumentieren. Einfach schreiben, die Reichsbürger denken auch so, und schon ist gut. Oder eben böse. Nur, falls besagter Merkur-Volontär dies auf den Tisch bekommt: Die Frage der Souveränität ist mitnichten irgendeine Fantasie, die man zwielichtigen Gestalten zuschreiben kann, sondern ein grundlegendes Thema politischer Debatte. Und es ist seit Nord Stream bei weitem nicht nur Putin, der an der deutschen Souveränität zweifelt; das dürfte auf die Hälfte aller Zuschauer weltweit zutreffen, die damals jenen Moment gesehen haben, als Scholz neben US-Präsident Joe Biden stand und dieser ankündigte, die Pipeline werde man zu verhindern wissen.

Das Bizarrste an den Reaktionen auf dieses Interview ist, dass aus den Sätzen Putins eine weit größere Zuneigung zu Deutschland und den Deutschen spricht, als aus den Reaktionen, die in Deutschland darauf erfolgen.

"Es ist sogar seltsam, dass niemand in der heutigen deutschen Führung die deutschen Interessen verteidigt."

Ja, die Sätze in diesem Interview werden sogar noch persönlich. Kein Wunder, dass diese Passage überhaupt nicht mehr wiedergegeben wird. Sie ist nämlich so wahr wie erschreckend:

"Natürlich ist mir Deutschland nicht gleichgültig. Ich habe viele Freunde dort, die ich versuche, nicht zu behelligen, um sie nicht in irgendwelche Schwierigkeiten innerhalb des Landes zu bringen."

Das ist eine furchtbare Aussage über die deutschen Zustände. Aber sie ist wahr; jede Reaktion auf einen der vorhergehenden Sätze belegt, dass sie wohlbegründet ist. Wenn schon der Verzehr belegter Brote in der russischen Botschaft zum Vorwurf gemacht werden kann, wie unverzeihlich sind dann persönliche Beziehungen zum russischen Präsidenten?

Übrigens, die Rheinische Post hat in ihrem Artikel "Putin unterstützt russische Zusammenarbeit mit der AfD" eine besonders kreative Formulierung für den deutschen Umgang mit der AfD gefunden: den "vergleichsweise milden Gegenwind, mit dem die AfD als Oppositionspartei in Deutschland konfrontiert ist." Man fragt sich angesichts der realen deutschen Zustände (wie etwa jüngst der 70 bundesweit koordinierten Hausdurchsuchungen wegen Äußerungen im Internet), wie dann ein starker Gegenwind aussähe. Massenverhaftungen oder doch gleich öffentliche Erschießungen?

So ist das. Putin sagt einige klare, verständliche, vernünftige und sogar persönlich authentische Sätze, und das, was in Medien und Politik hineininterpretiert wird, hat nichts mehr damit zu tun. Und das Fazit ist dasselbe wie immer: Es wäre lustig, wenn es nicht so traurig wäre.

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