Dschihadi-Julian und die vierzig Balten – oder wie Bild für NATO-Truppen in der Ukraine wirbt
Von Dagmar Henn
Ist das der letzte Versuch? In den letzten zehn Tagen vagabundierte diese oder eine ähnliche Meldung durch die gesamte Presse. Jetzt wird von der Bild noch einmal nachgelegt, und zwar von Dschihadi-Julian persönlich:
"Eilen nun doch einzelne NATO-Staaten der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russlands Invasionsarmee direkt zu Hilfe?"
So ganz frisch sind diese baltischen Wahnvorstellungen nicht, und man muss schon einige in der Krone haben, ehe man imstande ist, sich vorzustellen, dass die russische Armee im Angesicht des mächtigen litauischen Heeres zittert. Wenn die britische Armee schon nicht das Wembley-Stadion zu füllen vermag, die baltischen Truppen dürften zusammengenommen noch in einem Kreisliga-Stadion Plätze frei lassen.
Es ist auch hübsch, wenn Röpcke, um sich für seinen Werbetext für direkte NATO-Einmischung etwas externe Kompetenz zu holen, ausgerechnet auf Nico Lange zurückgreift. Lange, der inzwischen eine Art Auftragsjob bei der Münchner Sicherheitskonferenz erhalten hat, war von 2012 bis 2017 in der Leitung der Konrad-Adenauer-Stiftung, die damals, vor dem Putsch in der Ukraine 2014, damit befasst war, in Gestalt von Udar und Swoboda gleich zwei ukrainische Naziparteien finanziell und organisatorisch zu päppeln. "Von September 2006 bis April 2012 leitete Lange das Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine", schreibt Wikipedia. Man muss also davon ausgehen, dass Lange genau weiß, wer da in der Ukraine unterstützt werden soll.
Dann war er eine Zeit lang im Tross von Annegret Kramp-Karrenbauer unterwegs, von der saarländischen Staatskanzlei bis ins Verteidigungsministerium. Ach ja, richtig, Zeitsoldat war er in jüngeren Jahren auch noch, und hing dabei in diversen NATO-Stäben ab. Das ist also der Militärexperte, den sich Röpcke holt. Einer, der kräftig daran mitgewirkt hat, das heutige Elend überhaupt erst zu erzeugen, so eine Art deutscher Mini-Nuland.
Aber natürlich weiß Lange, dass man sich in Deutschland eher nicht öffentlich dafür loben sollte, ukrainische Nazis mit der Hand aufgezogen zu haben, und tut völlig unschuldig.
"Die Überlegung, ob man Hunderttausende Ukrainer in Europa umherfliegt, um bei ihrer Ausbildung zu helfen, oder ob man wenige Ausbilder in die Westukraine schickt, sollte man nicht einfach vom Tisch wischen. Es ist sinnvoller und ökonomischer, Ausbilder in die Ukraine zu entsenden."
Ja, das ist einfach rechnerisch günstiger. Erst recht, wenn sich die Ausbildung mittlerweile darauf beschränkt, drei Tage lang ein Gewehr halten zu üben, um dann in den Fleischwolf geschickt zu werden, wie das viele ukrainische Kriegsgefangene derzeit erzählen.
Da Röpcke sich vermutlich nicht überwinden kann, russische Kanäle zu schauen – irgendwo auf ukrainischen Kanälen gibt es ein Video, das ein ukrainischer Soldat in einem Schützengraben gemacht hat, in dem er zu diesem Zeitpunkt allein saß, und in dem er einen nach dem anderen die Leichen seiner Kameraden zeigt, beim Namen nennt und dann kurz erzählt, wann sie wo eingefangen wurden, und wie lange sie überhaupt an der Front waren. Tage, nicht Wochen oder gar Monate, für jeden Schritt auf der Strecke bis zum unglücklichen Ende.
Nein, Röpcke würde auch nach Betrachtung dieses Videos nicht zu dem Schluss kommen, dass der einzig vernünftige Schritt eine Beendigung dieses Krieges durch die Ukraine wäre. Er tut ja auch immer so, als sei da 2022 etwas ausgebrochen, und er ist auch nie zu Asow gereist. Man würde ihn vermutlich auch nicht loswerden, wenn es damals einen Zeugen (oder gar ein Video) gegeben hätte, auf dem er mit seinen ukrainischen Freunden das Horst-Wessel-Lied oder anderes entsprechendes Liedgut trällert.
Röpcke ist schließlich unverzichtbar für die moralische Aufrüstung der Deutschen. Auch diese fragwürdige Idee, aus Polen oder Rumänien "erweiterte Flugabwehr" zu betreiben, sprich: russische Raketen und Drohnen abzuschießen, oder es zumindest zu versuchen, findet er wirklich toll. Wobei ihm eigentlich zumindest klar sein sollte, dass die naheliegendste Gegenmaßnahme dann darin bestünde, mal eben die russischen Luftabwehrmaßnahmen auf all das etwa in der Nähe der Krim herumfliegende NATO-Zeug auszuweiten.
"Problem bei allen NATO-Staaten-Plänen in Bezug auf die Ukraine: sie benötigen grünes Licht aus den USA, und das gibt es aktuell nicht."
Das ist ein hochinteressanter Satz. Weil die Aussage beispielsweise des französischen Präsidenten Emmanuel Macron seine Fantasien, französischen Truppen zu schicken, explizit außerhalb der NATO sah, auf Grundlage der Beistandsverträge, die zu Jahresbeginn geschlossen wurden. Ein "grünes Licht aus den USA" bräuchte es nur für einen Einsatzbeschluss der NATO. Und damit, das muss selbst Röpcke klar sein, wäre man mitten im Dritten Weltkrieg. Dann wäre aber die tolle Luftabwehr der NATO, oder das von ihr, was noch nicht in der Ukraine verballert wurde, damit beschäftigt, Warschau, Berlin und Paris vor Raketen zu schützen.
Der Böse aus Sicht von Röpcke ist Bundeskanzler Olaf Scholz, der Pläne für eine "gemeinsame Luftverteidigung der Ukraine" abgewatscht habe; es sei außerdem zu fürchten, "dass das deutsche Kanzleramt Druck auf das Weiße Haus macht, keinem einzigen der Vorschläge der Länder an der Ostflanke der NATO zur direkteren Ukraine-Unterstützung zuzustimmen."
Was soll man da noch sagen? Es dürfte unmöglich sein, jemandem wie Röpcke zu erklären, was die Feindstaatenklausel der UN-Charta bedeutet. Aber schade, dass er nicht irgendwie einer dieser ukrainischen Presstruppen übergeben werden kann, die dort alles männliche Menschenfleisch einzufangen suchen. Die könnten ihm dann ein paar Tage in einem Schützengraben verschaffen; dann kann er sein dringendes Bedürfnis, gegen Russland zu kämpfen, ausleben, ohne andere mit hineinzuziehen, und Ruhe vor ihm hätte man dann auch bald. Das würde vielleicht sogar helfen, dass diese Nummer mit "NATO-Truppen in die Ukraine" endgültig aus der deutschen Debatte verschwindet.
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