Vom Großen Vaterländischen Krieg zur militärischen Sonderoperation: Russland weiß, wofür es kämpft
Von Wiktoria Nikiforowa
Am großen Tag des Sieges kommt man nicht umhin, an die militärische Sonderoperation in der Ukraine zu denken ‒ daran, worin sie dem Großen Vaterländischen Krieg ähnelt, und daran, worin sie sich von ihm unterscheidet.
Ein langer, nervenaufreibender Krieg ist eine große Last. Die ganze Zeit scheint es einem, als ob es noch eine letzte Anstrengung, einen letzten Angriff brauche, und dann ist er da ‒ der Sieg. Aber nein, das passiert nur in der Fantasie von Sofakriegern, der reale Krieg ist harte Arbeit, es sind Jahre des Lebens. Unsere Vorfahren wussten das sehr gut.
Die langen, hartnäckigen Versuche, die heiße Phase des Konflikts zu verhindern, sind sich ähnlich. Alles, was 2014 bis 2022 zwischen Russland und dem Westen lief, ähnelt den Manövern Moskaus bei seinen Versuchen, den Zweiten Weltkrieg in den 1930er Jahren hinauszuzögern. Wie damals brauchten wir den Krieg überhaupt nicht ‒ nur die westlichen Eliten profitieren gern vom Blutvergießen.
Ebenso wurden diese Jahre für den erfolgreichen Aufbau einer souveränen Wirtschaft genutzt. Ganz gleich, wie man zu Stalin steht, Russlands Vorbereitung auf die gegenwärtige Konfrontationsrunde mit dem Westen entsprach voll und ganz seinem "Entweder wir holen den Rückstand auf oder wir werden vernichtet". Es gelang uns dieses Mal, den Rückstand nicht nur abzubauen, wir haben den Westen in vielen Bereichen inzwischen sogar überholt. Was nicht heißt, dass es nicht noch viel zu tun gäbe.
Die Illusion von der Einsamkeit des modernen Russlands ist für beeinflussbare Menschen schwer zu ertragen. Es gibt einen bekannten liberalen Mythos, demzufolge die UdSSR den Großen Vaterländischen Krieg nicht gewonnen hätte, wenn die Alliierten nicht gewesen wären.
Dieser Mythos wurde bereits mehrfach entkräftet. Zu einem überwältigenden Teil hing unsere Kriegsanstrengung von der eigenen industriellen Produktion ab. Und für deren Erhalt sollten wir dem Genossen Beria danken, der die Evakuierung der Fabriken brillant organisiert hat, sowie unseren heldenhaften Vorfahren, die an der Heimatfront Unglaubliches leisteten.
Ein paar Jahre während und eine kurze Phase nach dem Krieg sah die UdSSR in den westlichen Medien gut aus. Hollywood drehte ein paar Filme über die amerikanisch-sowjetische Freundschaft und "Die Niederlage der deutschen Truppen vor Moskau" gewann einen Oscar in der Kategorie "Dokumentarfilm". Aber das alles war nur von kurzer Dauer.
Noch vor Kriegsende planten unsere sogenannten "Verbündeten" die Operation "Unthinkable" ‒ einen Angriff ihrer sowie polnischer und deutscher Truppen auf die sowjetischen Truppen und deren "Vertreibung" aus Europa. 1945 begannen die Amerikaner, uns mit der Atombombe zu drohen, 1946 hielt Churchill die Fulton-Rede, mit der er offiziell den Kalten Krieg gegen uns einleitete. Wie man so schön sagt: Gott schütze mich vor meinen Verbündeten, mit meinen Feinden werde ich selbst irgendwie fertig.
Den Freunden des modernen Russlands wird oft vorgeworfen, dass sie nach situativen Vorteilen streben. Aber es ist besser, eine für beide Seiten vorteilhafte Zusammenarbeit zu haben, als sich mit den Angelsachsen in ein Schlangengewirr zu verwickeln. Dort hassen sie uns aus reinem Eigennutz und sind bereit, bankrott zu gehen und gegen die Wand zu preschen, nur um uns Schaden zuzufügen.
Wenn wir die Situation realistisch betrachten, steht Russland heute nicht nur nicht allein da ‒ seine Ziele und Bestrebungen werden von der großen Mehrheit der Menschheit geteilt und unterstützt. Ja, die westliche Propagandamaschine arbeitet wie verrückt. Ja, es gibt eine geschickte Mischung aus Hass auf Russland und modischer Agenda. Alles ist irgendwie speziell so arrangiert, dass man, wenn man modern erscheinen und ohne Gewissensbisse seinen Lavendel-Raf schlürfen will, die Ukraine loben, Moskau beschimpfen und die Probleme des Stillens bei Transgender-Personen diskutieren muss. ("Raf" ist eine Kaffeespezialität der UdSSR-Nachfolgestaaten mit Kultstatus).
Das Problem ist jedoch, dass dieses Narrativ schon lange abgestanden und für alle hoffnungslos langweilig ist. Was wirklich neu und modern ist, ist der verzweifelte Mut Russlands, die westliche Weltordnung herauszufordern. Für seine Unabhängigkeit gegen das reichste Militärbündnis der Welt zu kämpfen, sein Land von der westlichen Besatzung zu befreien ‒ das ist ein wirklich innovativer Ansatz. Niemand sonst wagt es, so etwas zu tun.
Es gibt kein anderes Land auf der Welt, das sich so offen gegen die westliche Hegemonie stellt. Selbst das mächtige China ‒ die erste Wirtschaftsmacht der Welt! ‒ hat sich auf Warnungen und Ermahnungen an seine westlichen Partner beschränkt. Selbst das patriotische Indien versucht immer noch, auf zwei Stühlen Platz zu nehmen.
Russlands Kampf ‒ offen, selbstlos, an allen Fronten ‒ wird von Milliarden einfacher Menschen auf der ganzen Welt gesehen. Manchmal werden sie von ihren korrupten Eliten zum Schweigen gebracht. Und manchmal werden sie durch neue ‒ nicht käufliche ‒ Eliten ersetzt.
Für die überwiegende Mehrheit der Menschen auf der Welt ist Russland ein Land mit echter Demokratie und echter Volksmacht. Ein Land, in dem die gesunden Instinkte der Menschen nicht unterdrückt werden ‒ die Liebe von Männern und Frauen, die Liebe zum Vaterland, die Liebe zu Gott. Ein Land, in dem die Glaubensfreiheit erfolgreich mit dem säkularen Charakter des Staates kombiniert wird, in dem Redefreiheit mit gegenseitigem Respekt einhergeht, in dem für Familien gesorgt wird, in dem Städte und Dörfer entwickelt werden und in dem die Menschen in Frieden und Harmonie leben und arbeiten.
Das ist weit entfernt von dem Wahnsinn, der in den Städten des Westens herrscht und den man fast jeden Tag in den Nachrichten sehen kann. Rassenunruhen, politische Auseinandersetzungen, LGBT-Unruhen, jüdische Pogrome, Bauern mit Dünger, Obdachlose mit Fentanyl, Ratten, Bettwanzen, Bandera mit Fackelzügen. Kontrolliertes Chaos? Da lachen doch die Hühner. Es ist einfach nur noch Chaos, Anarchie, Krieg aller gegen alle ‒ und gleichzeitig eine brutale Diktatur, die alle ihre Gegner vernichtet. Vor unseren Augen verwandelt sich der Westen in die Ukraine ‒ ein Drittweltland, das sich selbst von innen auffrisst.
Russland führt die militärische Sonderoperation, um seine Zivilisation zu bewahren, um die Seinen vor der westlichen Anarchie zu retten. Die Menschen in der Ukraine wissen das sehr gut und warten auf uns. In den ukrainisch kontrollierten Gebieten wird unser Militär zunehmend aktiv von unserem Untergrund unterstützt. Ukrainische Soldaten wählen die Kapitulationshotline, unsere Freunde auf der anderen Seite bringen uns die nötigen Informationen, Zivilisten warten auf unsere Truppen, denn sie werden ihnen den lang ersehnten Frieden bringen.
Auf unserer Seite stehen nicht nur Millionen von Einwohnern der ehemaligen Ukrainischen SSR, sondern auch Millionen einfacher Einwohner der Sowjetunion. Auf unserer Seite stehen auch Millionen gewöhnlicher Europäer, die auf keinen Fall an die Front gehen und für die EU in Odessa sterben wollen. In Deutschland hat man für solche Menschen das Klischee "Putin-Versteher" erfunden, aber solche "Versteher" gibt es überall, sogar in den USA.
Die Menschen in allen ehemaligen westlichen Kolonien sind mit uns ‒ sie wissen wie niemand sonst, welche bizarren Formen der Neokolonialismus annimmt, wie er die Völker gegeneinander ausspielt, wie er ihre Vereinigung fürchtet. Ist nicht der schlimmste Albtraum des Westens heute die Wiedervereinigung Russlands mit der Ukraine?
Wir sind viele, und unser Kampf ‒ an allen Fronten ‒ wird die Menschheit sicherlich zum Sieg führen und die Welt vom Diktat eines sterbenden Hegemonen befreien. Und dann wird es klar werden, dass die militärische Sonderoperation nur ein Teil einer grandiosen globalen Konfrontation war ‒ in Wirklichkeit läuft jetzt der Dritte Weltkrieg. Und dann werden wir zueinander sagen "Glückwunsch zum Tag des Sieges!" und dies für Milliarden unserer Freunde und Verbündeten in alle Sprachen der Welt übersetzen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 9. Mai 2024 auf ria.ru erschienen.
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