Meinung

Thüringer TV-Duell: 3 gegen Höcke, Bürgersorgen sekundär

Der Welt-TV-Sender lud im Thüringer Wahlkampf die Spitzenkandidaten der AfD und der CDU zum Rededuell. Die Veranstaltung verrät viel über den medial-politischen Zustand des Landes. Viel Gerede, wenig Inhalte. Björn Höcke bemühte sich redlich. Die Moderatoren glänzten durch mangelnde politische Neutralität.
Thüringer TV-Duell: 3 gegen Höcke,  Bürgersorgen sekundärQuelle: Legion-media.ru © Michael Kappeler

Von Bernhard Loyen

Ja doch, das vorläufige "Medienereignis" im Wahljahr 2024, "diese schwarz-braune Freakshow" (Linke-Parteichef Martin Schirdewan) stellt ein Zeitdokument dar. Als TV-Wahlkampfduell deklariert, ging es vordergründig um einen Protagonisten im Studio des dem Springer-Verlag zugehörigen Kanal "Welt-TV". Die anvisierte Zielscheibe des Abends war die Reizfigur, das Enfant terrible der politischen Opposition – Björn Höcke, Thüringer Spitzenkandidat der AfD.

So hätte man ihn auch anmoderieren können, variabel auch als Oppositionsführer der seit Monaten in den Bürgerbefragungen stabil stärksten Partei in Thüringen. Aber die Welt-Moderatoren verließen gleich ihre neutrale Position. So lautete die erweiterte Erinnerung des Moderators an die Zuschauer:

"[…] ein Mann, den der Verfassungsschutz als Rechtsextremisten einstuft und seinen Landesverband als erwiesen rechtsextremistisch."

Höcke reagierte schmunzelnd: "Na diese Einleitung musste ja sein...". Die Moderatorin erklärte dann, dass der Spitzenkandidat von der CDU, Mario Voigt, "trotzdem mit ihm diskutieren" würde. 

Nein, im Jahr 2024 wird nicht mit Schmuddelpolitikern gespielt, geschweige denn diskutiert – selbst dann nicht, wenn sie von offensichtlich besorgten, verunsicherten oder desillusionierten Bürgern ihren statistischen Zuspruch erfahren. Fetzige Diskussionen, medial politische "Elefantenrunden" aus dem letzten Jahrhundert sind obsolet. Die in Thüringen bei knapp 8 Prozent dümpelnde Kanzler-Partei SPD empfahl allen Ernstes doch lieber GNTM zu schauen, als sich ein Bild möglicher Angebote von Problemlösungen zweier Spitzenkandidaten der Konkurrenz anzuschauen.

War es ein guter Abend für die Thüringer Bürger? Haben sich zwei der Spitzenkräfte des Bundeslands argumentativ mit den Sorgen und Nöten der Menschen auseinandergesetzt? Nein, denn es ging nur bedingt um die lokalen Probleme aller erdenklichen Ebenen der Thüringer Gesellschaft und noch weniger um die dafür verantwortliche Bundespolitik in Berlin. Der AfD-Politiker schwächelte, annähernd strauchelnd, argumentativ überraschend bei den bundespolitischen Reizthemen der Stunde: Migration und Remigration. Die Sendung dauerte rund 70 Minuten.

Der ausschlaggebende Grund des TV-Duells galt einer Aussage Höckes aus dem Juli des Vorjahres, die von dem CDU-Mann in einem aktuellen Welt-Interview, als einer von vielen Gründen genannt wurde, warum Höcke und damit die AfD unter anderem unwählbar sei. Die Aussage lautete: "Diese EU muss sterben, damit das wahre Europa leben kann".

Der thematische Verlauf des Abends lautet grob zusammengefasst chronologisch: "Europa, Migration und deutsche Erinnerungskultur". Diese war zum Ende der Sendung erhitzter Diskussionspunkt – 3 gegen Höcke – da der 11. April den Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora darstellt. Die Zuschauer lernten, für beide genannten Orte existierten seit Jahren verordnete Zutrittsverbote für Höcke und AfD-Mitglieder. Die für den CDU-Kontrahenten damit logische, jedoch irritierende Schlussfolgerung lautete, dass alleine durch diese Realität Björn Höcke niemals Ministerpräsident von Thüringen werden könnte.

Wie bereits erwähnt, es wurde sehr viel geredet, Höcke erkämpfte dabei mehr Redezeit – Welt-Information: "Höcke: knapp 35 Minuten – Voigt: knapp 27 Minuten" –, da Voigt nur sehr schleppend in Fahrt kam, jedoch wurde zu wenig pointiert, also bewusst, auf die realen Sorgen der Bürger in Thüringen eingegangen. Auf dieser Ebene muss Höcke als Sieger des Duells gewertet werden, da er wesentlich klarer formulierte, wohin zum Beispiel Milliarden von Steuereuros zum fraglichen Einsatz weltweit weitergeleitet werden. Die EU nannte Höcke eine "Globalisierungsagentur", ein "zentralistisches Bürokratenmonster", das Deutschland nicht brauche. Voigt wirkte in diesem Teil erschreckend blass. 

Zweiter Grund für zu viele gefürchtete Politphrasen war die Gesprächsführung. Die Moderatoren unterbrachen die Darlegungen der beiden Politiker nicht, jedoch fanden sie auch keinen Schlüssel, um inhaltlich wertvollere Aussagen aus ihnen heraus zu kitzeln. Statt die Wahlkampfthemen sinnbringender für interessierte Zuschauer in den Fokus zu stellen, hieß es ab Mitte der Sendung unisono 3 gegen Höcke.

Auch hat keiner der beiden Politiker die Möglichkeit genutzt, die aktuelle Politik in Berlin zu kritisieren, stattdessen wurde beim Thema Migration über Angela Merkel schwadroniert. Beide Politiker nutzten irritierenderweise nicht ihre Chancen, mit der Ampelkoalition abzurechnen und damit unmittelbare Wählerwerbung zu betreiben.

Bei den Themen Migration/Remigration geriet Höcke dramaturgisch erzwungen in ein zu offensichtliches Kreuzverhör. Der AfD-Mann versicherte den Zuschauern unter dem Druck der auf ihn einprasselnden Fragen aus drei Ecken: "Ich bin kein Feind des Islam" oder "Hass liegt mir völlig fern". In dieser Phase wirkte der Politiker, durch die Dichte der Vorwürfe bezüglich nachweislicher Aussagen, mehr als unsicher und glänzte wenig durch schwammige und ausweichende Antworten. Natürlich wurde auch das mittlerweile mehrfach bereits juristisch bearbeitete Feld von Höckes Redezitat aus dem Vorjahr: "Alles für Deutschland!", einer als "SA-Losung" deklarierten bewussten Verherrlichung des 3. Reichs, thematisiert.

Der Begriff fahrig, den Faden verlierend, trifft dabei die Atmosphäre im Studio recht gut. Zusammenfassende Beispiele einer nervös wirkenden "Rumeierei" seitens Höcke lauten:

  • Bei der Remigration gehe es der AfD vor allem darum, 1,5 Millionen Menschen zurückzuholen, die in den vergangenen 30 Jahren ausgewandert seien, sowie um Anreize zur Ausreise für "die Illegalen im Lande". 
  • Höcke behauptete nicht in der Lage zu sein, Zitate aus seinen Büchern live verifizieren und kommentieren zu können
  • Höcke behauptete nicht den Namen der Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz, die er in einem seiner Bücher inhaltlich attackiert, parat zu haben

Wenig überraschend frohlockte der CDU-Gegner in dieser Phase mit der Bemerkung: "Ich habe wenigstens erwartet, dass Sie heute den Mumm haben, zu Ihren Thesen zu stehen". Der dadurch an Selbstbewusstsein gestärkte Voigt attackierte Höcke zum Ende der Sendung mit gewohnter Verbal-Klaviatur etablierter Medien und Politik.

So betitelte er Höcke als "Reichskanzler" und sprach in Bezug auf das "Institut für Staatspolitik" mit Sitz in Schnellroda von einem "Nazischloss, in dem die AfD debattiere". Voigt, ein gebürtiger Thüringer, richtete sich an anderer Stelle an den AFD-Politiker:

"Ich kann Ihnen nur eins sagen: Das ist genau das Problem. Sie sind Gift für das Land, was meine Heimat ist."

Abschließend, zum Thema Ukraine/Russland, bediente der CDU-Politiker die aktuell verbreitete Argumentationslinie einer unbedingten Solidarität mit der Ukraine. Demgegenüber erläuterte Höcke in ruhiger Darlegung, dass er für unbedingte Verhandlungen mit Russland steht. Gefragt nach Waffenlieferungen für die Ukraine spricht er sich dagegen aus: "Wir müssen aufhören mit dem Schlachten", um dann den Zuschauern zu erklären:

"Russland ist ein bedrängtes Land. Und Russland will Frieden."

Zum Thema Israelkritik, dem "Phänomen Antisemitismus" in Deutschland, stellt Voigt fest, dass dieser "aktuell unerträglich" sei. Personen, "die solche Flaggen zeigen", sollten "kein Aufenthaltsrecht mehr haben". Höcke ergänzte: "Wir müssen fragen: Wo sind die Ursachen für den Antisemitismus in Deutschland?". Auf Nachfrage der Moderatorin erklärte er, dass es natürlich auch "unter Rechtsextremisten Antisemitismus gibt, aber der ist klein im Verhältnis zu dem, was leider die Menschen nach Deutschland gebracht haben".

Höcke, gebürtig aus Rheinland-Pfalz, war im Jahr 2013 Mitbegründer der AfD Thüringen und lebt aktuell im thüringischen Landkreis Eichsfeld. Auf Höckes freundlich formulierte abschließende Offerte an Voigt, nach dem Wahltag doch gemeinsam in Thüringen zum Wohle der Bürger zu koalieren, im Rahmen einer "bürgerlich-konservativ-patriotischen Wende", reagiert Voigt unmittelbar ablehnend mit der Erklärung:

"Herr Höcke, Sie sind nicht bürgerlich, Sie sind völkisch. Ich bin demokratisch, Sie sind autoritär."

Der Abend kann damit als Punktsieg für Höcke gewertet werden, da Voigt es komplett verpasst hat, potenziellen Wählern glaubwürdig zu vermitteln, dass er nicht daran interessiert ist, bundespolitische Fehler in seinem Bundesland fortzusetzen. Stattdessen als politische Alternative, trotz aller Ressentiments, gegebenenfalls auch eine Koalition mit der AfD anzuvisieren.

Ob mit Höcke und der Thüringer AfD nach einem möglichen Wahlsieg am 26. Mai konstruktivere Politik zu erwarten ist, zum effektiven Wohle des "kleinen Bürgers", ist nur rein spekulativ einschätzbar und bleibt schlicht abzuwarten. 

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