Putin hatte keinen Grund, Nawalny zu töten, der Westen hingegen allen Grund, darüber zu lügen
Von Andrew Korybko
Der Tod von Alexei Nawalny am Freitag in einem arktischen Gefängnis im Fernen Osten Russlands, der vermutlich auf ein Blutgerinnsel zurückzuführen ist, hat eine weitere globale Runde im antirussischen Informationskrieg eingeläutet. Westliche Offizielle und Politiker behaupteten nur wenige Minuten nach Bekanntwerden der Nachricht, dass Russlands Präsident Putin für den Tod von Nawalny verantwortlich sei.
Allerdings hatte Putin keinen Grund, Nawalny eliminieren zu lassen, während der Westen jeden Grund hat, Lügen darüber zu verbreiten. Die vorliegende Analyse wird einige Argumente zugunsten dieser miteinander verbundenen Thesen präsentieren.
Der Zeitpunkt von Nawalnys Tod hätte aus Sicht der russischen Staatsinteressen ungünstiger nicht sein können. In einem Monat finden in Russland Präsidentschaftswahlen statt und der Amtsinhaber strebt selbstverständlich eine möglichst hohe Wahlbeteiligung an. Doch nun könnten einige irregeführte Wähler, die normalerweise Präsidentschaftswahlen nicht boykottieren, der kommenden Wahl aus Protest fernbleiben. Der Westen würde die daraus resultierende geringere Wahlbeteiligung voraussichtlich als Delegitimierung des Mandats von Präsident Putin interpretieren, sollte er wie erwartet eine weitere Amtszeit gewinnen.
Darüber hinaus veranlassten die nicht genehmigten Versammlungen, die in einigen russischen Städten zur Trauer um Nawalny stattgefunden haben, die Polizei dazu, einige der Teilnehmer festzusetzen, was der Westen ebenfalls zur Untermauerung der oben genannten Ziele ausnutzen wird.
Keines der beiden Ereignisse wird zu ernsthaften Unruhen führen oder den politischen Prozess innerhalb Russlands stören. Ihre Wirkung hängt davon ab, wie effektiv sie im Westen antirussische Operationen im Informationskrieg neu befeuern.
Darin liegt die unmittelbare Bedeutung der westlichen Lügen, die den Zweck haben, mehr Unterstützung für die schleppende finanzielle und militärische Hilfe für die Ukraine zu gewinnen. Es gibt objektiv keinen Zusammenhang zwischen dem Tod von Nawalny und diesem Konflikt, aber es wird bereits versucht, einen solchen zu konstruieren. Es wird das Narrativ verbreitet, dass die Genehmigung weiterer Hilfe angeblich der beste Weg sei, Präsident Putin zu "stoppen".
Für den Westen ist es selbstverständlich reiner Zufall, dass Nawalny ausgerechnet zu dem Zeitpunkt starb, an dem sich seine Elite zur diesjährigen Sicherheitskonferenz in München traf, auf der auch ausgerechnet die Ehefrau von Nawalny eine Ansprache hielt. Sachen gibt's! Wie praktisch, dass die nächsten Operationen im Informationskrieg gegen Russland und das Lobbying für die Ukraine nun, wo man schon einmal versammelt ist, gleich problemlos koordiniert werden können.
Die vorgebrachten Argumente erklären überzeugend, warum Putin absolut keinen Grund hatte, Nawalny liquidieren zu lassen, erst recht nicht zu diesem Zeitpunkt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil dieser mutmaßliche Agent der USA und der Briten bereits inhaftiert war und daher keinerlei Bedrohung mehr für die nationale Sicherheit darstellen konnte.
Was die Reaktion des Westens auf dieses Ereignis betrifft, so ist sie eindeutig mehr als heuchlerisch. Der kollektive Westen gab keinen Ton von sich, als der US-Bürger und freie Journalist Gonzalo Lira Anfang vergangenen Monats in einem ukrainischen Gefängnis unter bis heute ungeklärten Umständen zu Tode kam, nachdem er aufgrund zweifelhafter Anschuldigungen im Zusammenhang mit seinem Video-Blog verhaftet worden war. Von dem seit vielen Jahren in Unfreiheit leidenden Julian Assange ganz zu schweigen.
Darüber hinaus hätten Nawalnys islamfeindliche, ultranationalistische und fremdenfeindliche Ansichten, die er im Laufe seiner Karriere vertrat, dazu geführt, dass er angesichts der "politisch korrekten" Standards des Westens umgehend zum Paria erklärt worden wäre, hätte es sich bei ihm um einen westlichen Oppositionellen gehandelt. Man braucht schon viel Ironie, um nicht den Kopf darüber zu schütteln, dass Nawalny ausgerechnet von westlichen Gutmenschen gefeiert wird. Der einzige Grund, warum sie dies tun, ist der Informationskrieg, der gegen Russland im In- und Ausland geführt wird.
Das war schon immer die Rolle, die Nawalny im größeren Ganzen zugedacht war, insbesondere nach seiner mysteriösen Vergiftung im Sommer 2020. Auch damals wurde argumentiert, dass aus ähnlichen Gründen wie im vorliegenden Fall die Vermutung unrealistisch sei, dass der Kreml Nawalny liquidieren wollte, um einige Monate später die Frage zu stellen: "Warum ist Nawalny in das Land zurückgekehrt, das angeblich versucht hat, ihn zu töten?" Kurz gesagt: Nawalny sollte ein politischer Märtyrer werden.
Nawalny war ein Agent der NATO, aber nicht alle, die an nicht autorisierten Protesten in Russland teilnehmen, sind ausländische Agenten. Dennoch war die Rückkehr von Nawalny nach Russland, wo gegen ihn – was er wusste – wegen mehrerer Delikte und wegen Verstößen gegen Bewährungsauflagen Gerichtsverfahren liefen, einzig und allein dazu gedacht, extremistische Elemente im Kampf gegen den Präsidenten zu stärken. Nur deshalb gaben ihm seine Strippenzieher die Anweisung zur Rückkehr. Theoretisch hätte er auch ablehnen können, aber er war entweder zu kompromittiert oder zu radikalisiert, um dies zu tun.
Auf jeden Fall geht es auch darum zu betonen, dass Russland Nawalny nach dem mysteriösen Vergiftungsvorfall vom Sommer 2020 einfach im Land hätte behalten und dafür sorgen können, dass er in einem russischen Krankenhaus stirbt, anstatt ihn zur Behandlung nach Deutschland ausfliegen zu lassen, hätte Moskau ihn wirklich tot sehen wollen. Diese Beobachtung bestärkt den damaligen Verdacht vieler Nicht-Westler, dass es sich bei der ganzen Geschichte nicht um ein verpatztes Attentat der Russen handelte, wie der Westen behauptet, sondern um eine westliche Provokation.
Letzten Endes wird es natürlich Fragen über den Zeitpunkt seines Ablebens geben. Aber es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass Präsident Putin auch in diesem Fall keinen Grund hatte, Nawalny liquidieren zu lassen. Aus der Perspektive russischer Staatsinteressen ist der Zeitpunkt des Todes von Nawalny dermaßen ungünstig, dass durchaus entschuldbar wäre, bereits jetzt, ohne jeden Beweis, darüber zu spekulieren, ob ausländische Kräfte daran beteiligt waren. Dennoch wird es Sache der Ermittler sein zu klären, was genau passiert ist.
Aus dem Englischen.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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