Höcke und ich: Von der Oberflächlichkeit deutscher Propaganda
Von Tom J. Wellbrock
Ich will nicht über die Anklage gegen den AfD-Politiker Björn Höcke wegen seines Satzfetzens "Alles für Deutschland" auf einer Wahlkampfveranstaltung sprechen, auch wenn man dazu einiges sagen könnte. Zum Beispiel, dass es rechtlich betrachtet auf den Zusammenhang dieser Aussage ankommt. Wenn man etwa die steile These aufstellt, Angela Merkel habe während ihrer Amtszeit "alles für Deutschland getan, was möglich ist", dürfte man vor Gericht ungeschoren davonkommen. Höcke hat damals ebenfalls in einem größeren Zusammenhang die "bösen" Worte benutzt. Aber ich bin kein Jurist und überlasse die letztliche Bewertung Gerichten (wenngleich ich mich mit diesem Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands zunehmend schwertue).
Hier geht es um den zweiten Vorwurf, der Höcke gemacht wird. In der Welt-Zeitung (und wortgleich auch in anderen Medien) lesen wir:
"Konkret geht es um einen Post von Höcke bei Telegram aus dem Jahr 2022, in dem er eine Gewalttat in Ludwigshafen kommentierte. Höcke schrieb dazu unter anderem: "Wahrscheinlich ist der Täter psychisch krank und leidet an jener unter Einwanderern weit verbreiteten Volkskrankheit, welche die Betroffenen "Allahu Akbar" schreien lässt und deren Wahrnehmung so verzerrt, dass sie in den "ungläubigen" Gastgebern lebensunwertes Leben sehen." In Ludwigshafen hatte ein Mann aus Somalia zwei Männer erstochen."
Ähnliches wie das, was Höcke damals geäußert hat, habe ich in zahlreichen Artikeln ebenfalls geschrieben, und ich will erklären, was die Beweggründe dafür waren:
Zunächst muss man fragen, wie volksverhetzend die unzähligen Angriffe während der Corona-Episode auf kritische Menschen und solche, die sich nicht impfen lassen wollten, einzuordnen sind. Erinnern Sie sich?
So zum Beispiel der Weltärztechef Frank Ulrich Montgomery:
"Ungeimpfte brauchen nun Peitsche statt Zuckerbrot."
Oder Schauspielerin Natalie Wörner:
"Ich würde nicht mit Ungeimpften drehen."
Oder auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann:
"Ungeimpfte dürfen nicht als Minderheit die Mehrheit terrorisieren."
Weitere, zum Teil noch deutlich schlimmere Zitate erspare ich Ihnen. War das keine Volksverhetzung? Und wenn nicht, was war es dann? Für kompetente rechtliche Hinweise wäre ich sehr dankbar.
Über die psychische Verfassung der hier Zitierten und die der vielen anderen, die damals mitgemacht haben und bis heute nicht einmal so etwas wie ein Unrechtsbewusstsein entwickelt haben, will ich mich besser auch nicht äußern. Ich möchte aber anmerken, dass es für mich eine Ungeheuerlichkeit darstellt, dass niemand von ihnen je zur Rechenschaft gezogen wurde. Und wenn ich jetzt noch über die damals zutiefst verabscheuungswürdigen Misshandlungen von Kindern sprechen würde, wäre es wohl endgültig vorbei mit meiner guten Kinderstube.
Aber zurück zu Höcke. Ich kann nicht in seinen Kopf schauen, aber was er damals geschrieben hat, hat eine berechtigte Grundlage. Will jemand ernsthaft bestreiten, dass es im Falle einer Flucht aus dem Heimatland zu psychischen Problemen, auch sehr ernsthaften, kommen kann? Ich will damit keineswegs generell alle ausländischen Straftäter freisprechen, im Gegenteil. Für jede Straftat gilt, dass sie geahndet werden muss, unabhängig vom Hintergrund des Täters. Je schlimmer die Tat, desto härter muss die Strafe ausfallen. Und es steht für mich außer Zweifel, dass viele Straftaten (das ist reine Logik) gar nicht begangen worden wären, wenn die Täter von vornherein in ihren Heimatländern geblieben wären. Dass diese Täter dorthin zurückmüssen, wenn sie hier straffällig werden, ist ebenfalls naheliegend.
Aber das eine schließt das andere nicht aus. Und die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen (entweder durch die Flucht oder bereits vorher vorhanden) dürfte sich in einem relevanten Bereich bewegen. Noch mal: Auch das heißt nicht, dass sie straflos bleiben sollen. Um es mal ganz platt zu formulieren: Ein Idiot, der einen Mord begeht, ist nicht unschuldig, weil er ein Idiot ist.
Dennoch ist es wichtig, den psychischen Hintergrund des Täters zu kennen und zu begreifen ("verstehen" darf man ja nicht mehr sagen, weil es mit "Verständnis" gleichgesetzt wird), auch um zukünftige Taten besser einordnen und ihnen womöglich präventiv begegnen zu können. Ich kenne den Fall nicht im Detail, auf den Höcke sich damals bezog. Aber wenn er angenommen hat, dass der Täter psychisch krank war, ist das eine Vermutung, die zu äußern keinesfalls strafbewehrt und schon gar keine Volksverhetzung ist.
Langer Rede kurzer Sinn: Ich komme auf den Beginn meines Kommentars zurück. Die Propaganda deutscher Politik ist so durchschaubar und oberflächlich, dass ich mich frage: Was stimmt mit den vielen Menschen (psychisch) nicht, die darauf hereinfallen?
Ein Verbot der AfD im Jahr 2024 ist rein formell nicht zu schaffen, aber die kommenden Wahlen treiben den Altparteien Schweißperlen auf die Stirn, es muss also aus ihrer Sicht etwas getan werden. Da sie nicht willens und/oder in der Lage sind, vielleicht mal ihre Politik an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten, die sie wählen sollen, greifen sie zu anderen Mitteln.
Und liegt es nicht nahe, das Mittel der Volksverhetzung zu wählen, also eines, mit dem sie sich selbst am besten auskennen?
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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