Deutschland als Insel: Das Erwachen wird schmerzhaft sein
Von Tom Wellbrock
Der Tagesschau und den meisten anderen "Qualitätsmedien" war es keine Zeile wert. Doch als Kanzler Scholz (SPD) seine Rede in New York vor der UN-Vollversammlung hielt, war der Saal nahezu leer. Lediglich die BILD fragte besorgt:
"Interessiert es denn niemanden, was unser Bundeskanzler zu sagen hat?"
Das Blatt lieferte die Antwort selbst. Dass der Saal fast leer ist, sei normal, lediglich bei Reden des US-Präsidenten sei es rappelvoll. Also alles kein Grund zur Sorge, so die BILD-Botschaft. Und schließlich habe Scholz ja auch viel Wichtiges zu sagen gehabt (was als guter Witz bezeichnet werden kann, weiter unten folgt ein weiterer). Zum Beispiel, dass afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Länder künftig eine stärkere Rolle spielen sollten. Zwischen den Zeilen brachte Scholz noch Deutschland ins Gespräch, das nach den USA der zweitgrößte Geldgeber sei und daher – so interpretierte es die BILD – eigentlich auch ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat sein sollte.
Jene afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Länder scheinen aber an Scholz und dem Land, das er vertritt, kein großes Interesse zu haben. Sämtliche Gespräche, die zwischen Vertretern der Länder und Habeck oder Baerbock stattgefunden haben, endeten weitgehend ergebnislos. Das liegt zum einen an der gesinnungsethischen Agenda, die die beiden deutschen Politiker vertreten. Es liegt aber auch an der Mischung aus Unterwürfigkeit (Habeck) und Großmannssucht (Baerbock).
Was der Zuschauer nicht sieht
Man muss der BILD dankbar sein, weil sie den leeren Saal der UN gezeigt hat, denn das Foto ist sinnbildlich. Andererseits "hilft" die BILD dem Mediennutzer auch gleich, die richtige Einordnung zu finden. Deutschland sei nicht isoliert, sondern spielt in der internationalen Weltgemeinschaft eine führende Rolle, bald womöglich auch als ständiges Mitglied der UN-Vollversammlung.
Und natürlich wird das Bild von Scholz schnell wieder aus dem kollektiven Gedächtnis deutscher Journalisten verschwunden und somit auch den Hirnwindungen deutscher Medienkonsumenten entwichen sein. So können alle geeint weiter daran glauben, die deutsche Politik hätte global auch nur ansatzweise eine Bedeutung.
Dem ist nicht so. Deutschland findet auf der internationalen Bühne weitgehend als Solovorstellung ohne Zuschauer statt, das Land führt ein Stück auf, dem das Publikum wegläuft. Im krassen Gegensatz dazu erleben wir eine mediale und politische Kommunikation, die in geradezu größenwahnsinniger Anwandlung den Eindruck vermittelt, die Deutschen würden ein wichtiger Ansprechpartner sein.
Nehmen wir die rein theoretische Beteiligung deutscher Politiker und/oder Diplomaten an Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg. In Deutschland pfeifen es die Atlantikspatzen von den Dächern: Putin will nicht verhandeln, also wird nicht verhandelt. Daraus ergibt sich ein mögliches Szenario für den Fall, dass die deutsche Einschätzung nicht zutrifft: Wenn es endlich zu Verhandlungen kommen wird (und daran führt außer einem großen, heißen, womöglich atomaren Krieg kein Weg vorbei), werden deutsche Vertreter dabei sicherlich keine Rolle spielen. Wer sollte sie führen? Scholz? Baerbock? Hofreiter? Strack-Zimmermann? Röttgen? Kiesewetter? Hier kommt also Witz Nummer 2!
Doch die meisten Mediennutzer machen sich derlei Gedanken überhaupt nicht, weil sie davon ausgehen, dass es keine diplomatische Lösung geben kann. Wie auch, wenn die ganze Welt sich gegen Putin und seinen Imperialismus stellt?
Tatsächlich ist dieses naive Bild zu weiten Teilen in der Bevölkerung verbreitet, man geht davon aus, dass die Ukraine das arme, kleine demokratische Land ist, das grundlos angegriffen wurde und fürchtet sich vor einem Einmarsch der Russen, wenn Putin sich erst Moldau unter den Nagel gerissen hat. So absurd und regelrecht albern diese Sätze für den einigermaßen informierten Menschen sein mögen, so sehr in Stein gemeißelt ist die darin zum Ausdruck gebrachte Überzeugung bei Millionen Deutschen.
Schlaflos in den Tiefschlaf
Um den Schlaf gebracht werden die Deutschen seit der letzten Bundestagswahl regelmäßig. Angst vor der Gegenwart und der Zukunft führen nicht zu einem erholsamen Schlaf, sondern zermürben Herz und Kopf. Doch was auch passiert, im Zweifel ist Putin mit seinem aggressiven, völkerrechtswidrigen, brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine daran schuld. Erst kürzlich sagte Dirk Wiese, stellvertretender SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzender, dass Russland Flüchtlinge nach Moskau und Minsk fliege, um sie von dort aus nach Europa zu schicken. Flüchtlinge als Waffe, so ist der Putin halt.
Es scheint kein innen- oder außenpolitisches Problem mehr zu geben, für das nicht Putin die Verantwortung trägt. Und so sinkt der angstgetriebene Deutsche in den propagandistischen Tiefschlaf im Glauben, "der Russe" versaue uns hier alles, während die gewählten Volksvertreter weiter am Ruin Deutschlands arbeiten.
Deutschlands Rolle in der Welt wird zunehmend isolierter, immer mehr Länder werden desinteressierter bezüglich der deutschen Haltung zum Ukraine-Krieg, aber auch in anderen globalen Fragen wird nur noch müde gelächelt oder ratlos mit den Schultern gezuckt, wenn Baerbock & Co. mal wieder auf Reisen gehen, um feministische Außenpolitik, den Klimatod oder die Relevanz von LGBTQ kundzutun. Unter der politisch-medialen Käseglocke fällt all das nicht auf, man ist sich sicher und einig, dass die Geschicke der Welt von Deutschlands Politik abhängen.
Das ist so dumm! Der Wohlstand im Land geht am Stock, die Wirtschaft humpelt auf Krücken durch die Bilanzzahlen, die Infrastruktur fährt in veralteten Rollstühlen über kaputte Brücken und das Gesundheitssystem kriecht auf den Stümpfen seiner Extremitäten der nächsten Krankenhausschließung entgegen.
Irgendwann, wenn es zu spät ist, werden die Deutschen verkatert aufwachen und feststellen, dass ihnen lauter dummes Zeug erzählt wurde. Eines jedoch muss man anerkennen: Es ist eine propagandistische Höchstleistung, für den mit bloßem Auge erkennbaren Abstieg Deutschlands einzig und allein einen Russen verantwortlich zu machen, der eigentlich nur das Überschreiten von ein paar roten Linien verhindern wollte.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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