Russlandkrieg und "Klimaschutz": Zwei westliche Pläne, die scheitern
Von Dagmar Henn
Wenn man das ganze Paket der "Klimamaßnahmen" betrachtet, die die EU auf den Weg gebracht hat, kann einem schwindlig werden. Da ist das Verbrennerverbot, das die europäische Automobilproduktion entweder zerstört oder zur Abwanderung zwingt; da sind die Regeln zur Heizenergie, die bald, oder in Frankreich bereits jetzt, völlig funktionsfähige Wohnungen für unbewohnbar erklären; da ist die zunehmende Unsicherheit einer immer teurer werdenden Energieversorgung, und da ist der Karbonzoll, der 2026 droht, aber für den jetzt bereits weitere Aufzeichnungspflichten etabliert werden.
Interessant an all diesen Maßnahmen ist das selbstverstärkende Element der Klimaerzählung. Schon für den Gebäudeenergieausweis wurde Personal benötigt, das diese Begutachtung durchführt. Auch wenn die meisten dieser Bescheinigungen im Nebenjob erstellt werden, sind diese Nebenjobs von der Klimaerzählung nicht weniger abhängig wie die Stellen irgendwelcher Forscher in Klimainstituten. Das Gleiche gilt für diejenigen, die nun in großen Konzernen die Berichterstattung über den Kohlendioxidausstoß bei Importprodukten erstellen müssen. Die ganzen Beraterstellen, die so entstehen, hängen auf Gedeih und Verderb daran, dass die Klimaerzählung geglaubt wird, und erhöhen somit ihre Tragfähigkeit.
Das nützt aber nicht viel. Hört man die Beschwerden aus der Industrie bezüglich dieser Karbonsteuer, die ab 2026 auf alle Produkte erhoben werden soll, die aus "weniger klimafreundlicher" Produktion importiert werden, dann machen sich die europäischen Käufer schon Sorgen, dass ihre außereuropäischen Lieferanten nicht erst bei Inkrafttreten des Zolls, sondern bereits beim Versuch, die Daten über die Produktion zu erhalten, schlicht andere Käufer suchen könnten. Und das ist ein, zugegeben kleiner, Hinweis darauf, dass hier eine Planung schiefgegangen ist.
Bei diesen Maßnahmen stößt man auf drei Ziele. Das Erste ist eine künstliche Hemmung der Produktivkräfte. Das Zweite eine Stabilisierung des kolonialen Systems, und das Dritte ein Angriff auf den Lebensstandard in den westlichen Ländern selbst.
Bezogen auf das öffentlich genannte Ziel, die Verringerung des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen, ist das begrenzt schlau. Schließlich hat die technische Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung zwei Seiten. Sicher, durch die global sehr ungleichmäßige Entwicklung gibt es nach wie vor viele Weltregionen, in denen der Energieverbrauch massiv steigen dürfte (und müsste), aber gleichzeitig ist, bezogen auf das einzelne Endprodukt, die Grundtendenz ein fallender Verbrauch. Das heißt, eine verordnete Bremse der technischen Entwicklung, und das ist es, wie man eine erzeugte Unsicherheit in der Energieversorgung nennen muss, verlangsamt die Bewegung hin zu jenem Punkt, ab dem trotz nachholender Entwicklung der globale Gesamtbedarf an Energie zu fallen beginnt.
Aber es ist ja gar keine nachholende Entwicklung vorgesehen. Im Gegenteil. Die Konstruktion, die weltweit zu etablieren versucht wurde, untersagt den Ländern des Globalen Südens die Erschließung fossiler Energien und will sie durch die Einführung beispielsweise besagten Karbonzolls auf ihre Waren dazu zwingen, Kredite für erneuerbare Energien aufzunehmen, die wiederum zu neuen Abhängigkeiten führen oder vorhandene verstärken und die Grundlage für eigene industrielle Produktion, eine stabile Energieversorgung, weiter hinauszögern.
Diese Wirkung des Karbonzolls wie auch beispielsweise das Verbot für westliche Banken, die Erschließung von Lagerstätten fossiler Energieträger zu finanzieren, haben aber eine Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen – die ökonomische Dominanz des Westens. Nur wenn es keinen Ersatz für diesen Westen als Käufer der Rohstoffe oder Waren oder als Kreditgeber gibt, funktioniert auch die Erpressung, die sich hinter den Klimamaßnahmen verbirgt.
Oder man betrachte die Maßnahmen rund um die Heizung. Gut vorstellbar, dass Teile des Habeckschen Ministeriums über die Sprengung von Nord Stream geradezu erleichtert waren, weil sie nicht selbst sichtbar für den Mangel sorgen mussten, der die Energiepreise so weit in die Höhe treibt, dass die irrwitzigen Planungen einer Wärmepumpenpflicht einen Anschein von Rationalität erreichen können. Aber dass die Einführung dieser Maßnahmen ausgerechnet in eine Phase der Stagflation fällt, mit einem durch diese ausgelösten Rückgang des Konsums zusammentrifft und mit der Inflation um die schrumpfenden Mittel der gewöhnlichen Bevölkerung konkurrieren muss, das war vermutlich nicht vorgesehen. Nicht, weil irgendwelche Hemmungen bestünden, das Volk zu schröpfen, sondern weil der ganze Plan auf einer zu schmalen wirtschaftlichen Basis nicht funktionieren kann.
Es wirkt eher so, als wären zwei konkurrierende Pläne zur Erhaltung der globalen Machtverhältnisse miteinander kollidiert, obwohl ihre Ursprünge nahe beieinander liegen. Da ist der geopolitische Plan der Neocons zur Machterhaltung der USA (und ein klein wenig auch des Restwestens), der die Konfrontation mit Russland und China erforderte und der diese katastrophal gescheiterten Sanktionspakete beinhaltete, die aller Wahrscheinlichkeit nach bezogen auf Russland einen schnellen Erfolg vorsahen, der sich dann beim besten Willen nicht einstellen wollte. Die ökonomische Studie aus Harvard und Oxford vor einigen Monaten, die belegen sollte, dass die Sanktionen wirken, belegte nur eines – dass auch in Harvard und Oxford nach fünfzig Jahren wilder Spekulation der wirtschaftliche Sachverstand nur noch begrenzt vorhanden ist.
Der andere Plan war die Klimaerzählung. Das ganze Paket geplanter Einschränkungen sollte einen noch größeren Anteil des Sozialprodukts in den Händen der Rentenwirtschaft enden lassen und die Angriffe auf die Lebensbedingungen durch die Einbindung möglichst vieler Organisationen, wie etwa der Gewerkschaften, in die Klimaerzählung erleichtern. Was durchaus erfolgreich war; die deutschen Gewerkschaften zumindest benennen Lohnsenkungen nicht mehr als Lohnsenkungen, wenn daran nur das Klimaetikett klebt.
Das Problem ist nur, dass jede Ökonomie nur begrenzt elastisch ist, wenn Produktion verschwindet; schließlich braucht jedes Produkt auch einen Käufer, der es bezahlen kann. Natürlich freuen sich die Banken, wenn sie so gut wie jedem Immobilienbesitzer neue Kredite andrehen können, weil er gezwungen ist, seine Heizanlage auszutauschen. Die Freude endet aber relativ abrupt, wenn besagter Immobilienbesitzer den Kredit nicht mehr bedienen kann, weil beispielsweise die Wohnung zu der dann erforderlichen Miete nicht mehr vermietbar ist, oder weil die allgemeine Rezession dazu führt, dass der Besitzer selbst sein Einkommen verliert etc. Die augenblickliche Entwicklung, zu der auch der Absturz bei den Gewerbeimmobilien gehört, macht aus dem geplanten zusätzlichen Geschäft und dem ebenfalls womöglich auch kompensatorisch für andere Wirtschaftsbereiche geplanten Umbauzwang ein Risikogeschäft zu einem Zeitpunkt, an dem das Gesamtrisiko ohnehin schon hoch ist.
Beide Pläne wirken nur begrenzt abgesprochen, und beide haben ein Problem mit dem Zeitablauf. Der geopolitische Plan zielte auf eine Konfrontation mit China vor 2025; die harte Kante hierbei war das Risiko, dass die chinesische Marine die letzte Lücke in den militärischen Fähigkeiten bei den U-Booten schließen könnte. Auch das gesamte Sanktionspaket hätte vier Jahre früher ganz andere Folgen gehabt; ganz zu schweigen von einer Aktivierung bereits 2014, die eventuell beabsichtigt war, aber am Aufstand im Donbass scheiterte.
Der Klimaplan hat für sein Funktionieren zur Voraussetzung, dass die ökonomische Dominanz des Westens noch unangefochten ist. Gerade auf diesem Gebiet waren die Veränderungen der letzten 18 Monate am deutlichsten, aber bereits zuvor hatte China in Lateinamerika und Afrika fast überall die Position des Haupthandelspartners erreicht. Die Konsequenzen sind weitreichend.
Die Entwicklungsblockade, die für die Länder des Südens geplant war, scheitert daran, dass der IWF nicht mehr der einzige mögliche Kreditgeber ist, und der Druck über den Karbonzoll, den übrigens selbst die USA nicht einführen, scheitert daran, dass die Zahl alternativer Abnehmer stetig wächst und mit der Entwicklung beispielsweise der Infrastruktur und des Binnenhandels in Afrika noch wesentlich schneller wachsen wird. Auf diese Weise wird ein Mechanismus, der Marktmacht voraussetzt, zu einem Mechanismus, der einen Marktausschluss erzeugt, und zwar für genau jene, die damit eigentlich ihre Dominanz sichern wollten.
Nachdem die katastrophale Rückwirkung der Sanktionen aus dem geopolitischen Plan absehbar war, wäre die vernünftige Reaktion gewesen, die Einführung von Maßnahmen wie Heizgesetzen und Karbonzöllen zu streichen. Aber es gibt offenkundig keine Flexibilität in den Gruppen, die diese Pläne betreiben, und keine Wahrnehmung für fatale Wechselwirkungen. Sonst hätte auch irgendjemand erkannt, dass Pläne, die eine starke wirtschaftliche Position des Westens voraussetzen, womöglich eine genau gegenteilige Wirkung entfalten, wenn diese nicht mehr gegeben ist.
Im Grunde zeigt gerade die zunehmende Hysterie der Klimapropaganda, dass nur ein Detail wahrgenommen wird – dass ihnen die Zeit davonläuft. Nicht, weil "die Erde brennt". Sondern weil das westliche Finanzsystem für sein Überleben auf die Zuflüsse aus dem Globalen Süden angewiesen ist und die neuesten Entwicklungen genau diese entziehen, und selbst die größte Hast, für die man auf flammendrote Wetterkarten und Klimakleber zurückgreifen muss, während vor fünf Jahren noch die vergleichsweise vernünftigen Freitagshüpfer genügten, reicht nicht mehr, um diese Tendenz aufzuhalten.
Wie sehr die koloniale Sicht selbst unbewusst in die Klimapläne integriert war, zeigt sich schon allein daran, dass man eine klimafreundliche Stromproduktion durch Solarzellen in Nordafrika fantasierte, und dabei selbstverständlich davon ausging, dass die Länder, in denen dieser Strom erzeugt wird, nicht auf den Gedanken kommen können, ihn für sich behalten zu wollen. Oder dass es gelingen wird, die Lithiumvorräte etwa in Bolivien unter Kontrolle zu bringen, deren Verwendung in europäischen Autobatterien deutlich teurer werden dürfte, wenn Bolivien einen angemessenen Anteil an den Erlösen seiner Rohstoffe durchsetzen kann.
Es ist dieser Zeitverlust bei der Umsetzung der beiden Langzeitprojekte, der die extreme Reaktion erklärt, die in Westeuropa auf die Wahl von Donald Trump 2016 erfolgte. Dass die ganzen vier Jahre seiner Präsidentschaft die Feindseligkeit aufrechterhalten und vorab schon für den Ersatz für die gescheiterte Hillary Clinton geworben wurde, war extrem ungewöhnlich. Weder nach der Wahl von Ronald Reagan noch nach der Wahl von Vater und Sohn Bush gab es eine vergleichbare Hartleibigkeit; spätestens nach ein, zwei Jahren hatten sich die Medienvertreter mit dem Ergebnis abgefunden. Trump war wohl tatsächlich ein nicht vorhergesehener Zwischenfall, der den Milliardären, die hinter den Medien stehen, die langfristige Planung verhagelte.
Beide Pläne verfolgen die Interessen der gleichen kleinen Minderheit von Oligarchen, aber irgendwie stimmte weder die Koordination zwischen beiden noch die aktuelle Wahrnehmung. Das, was die EU durchzieht, wirkt wie ein Uhrwerk, das irgendwann aufgezogen wurde und jetzt eben mit vier Jahren Verzögerung abläuft, und zwar völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass die Verschiebungen der ökonomischen Kräfteverhältnisse aus Manövern zur Erhaltung der westlichen Dominanz jetzt Manöver machen, die diese umso schneller beenden.
Projekt A, die geopolitische Auseinandersetzung, hat dabei eine Beschleunigung gezündet, die ganze globale Handelsströme umdirigiert und zunehmend Teile des Westens am Rand liegen lässt. Man kann das gut beobachten an den Abläufen rund um den Ölpreisdeckel, mit dem Russland die Erträge aus dem Erdölexport verweigert werden sollten. Das Öl geht schlicht an andere Abnehmer; Indien und China saugen Energierohstoffe auf wie gigantische Schwämme, und zumindest Indien wirft sie gern dann verarbeitet wieder auf den Markt. Im Gegensatz zur Erwartung war es überhaupt kein Problem, die westlichen Abnehmer zu ersetzen, und dank einer Umstellung des Handels fort vom US-Dollar ist es völlig egal, welche Preisgrenzen sich die EU und die USA so einbilden ‒ sie können sie schlicht nicht durchsetzen, sodass die einzige spürbare Wirkung darin besteht, dass sie sich selbst von einem Teil des Angebots ausschließen.
Ähnliche Prozesse laufen auf vielerlei Gebieten. Die EU will Verbrennermotoren verbieten und nötigt jetzt schon die Autohersteller, anteilig Elektromobile zu produzieren, die niemand kaufen will; aber die Zeiten, in denen derartige Regeln auch nur einen Einfluss auf den globalen Markt hatten, sind vorbei, und freigegebene Marktanteile werden, wie jene in Russland, in Windeseile von der chinesischen Konkurrenz übernommen.
Dem europäischen Automobilmarkt wird unterdessen der Boden weggezogen; das Durchschnittsalter der Fahrzeuge steigt stetig, und der Abfluss von Elektromobilen auf den klassischen letzten Markt in Afrika ist völlig unmöglich, während die Besitzer von Verbrennern inzwischen möglichst lange an ihren Fahrzeugen festhalten, um irgendwie dem Druck in Richtung Elektromobilität zu entgehen, der mit steigenden Strompreisen und immer weiter verfallender Versorgungsinfrastruktur zunehmend absurd wird.
Und die Düngerkapriolen, wie jene, die die niederländischen Bauern in Unruhe versetzten? Gingen immer davon aus, dass der Import des Benötigten mühelos aus anderen Weltgegenden möglich sei; schließlich haben internationale Konzerne in den letzten Jahren massenhaft Land rund um den Globus aufgekauft.
Da sollte die mittlere Landwirtschaft zerstört und in Konzernhände überführt, die Subventionen an diese eingespart und die wirtschaftliche Bindung innerhalb des Kolonialsystems verstärkt werden; aber eine Kombination aus EU-internen Düngerverboten mit einem Zusammenbruch der europäischen Produktion dank Russland-Sanktionen und dadurch weltweit steigender Preise bei weltweit zurückgehendem Nahrungsmittelangebot, was dann eine solche Ersetzung einheimischer Waren zum Inflationstreiber macht ‒ das war nicht vorgesehen. Projekt B, der "Klimaschutz", und Projekt A haben sich hier gegenseitig auf eine Weise verstärkt, dass sie letztlich beide aneinander scheitern.
Das politische Personal, das die beiden langfristig vorbereiteten Projekte umsetzt, besitzt weder die intellektuellen Fähigkeiten noch die politische Führungsstärke, um die Kollision dieser beiden Pläne zu erkennen und darauf mit entsprechenden Modifikationen zu reagieren; die sichtbaren Fraktionen etwa in den USA scheinen schon mit der Auseinandersetzung um das weitere Vorgehen nach dem Scheitern in der Ukraine überfordert.
Das Beharren auf der Umsetzung der Klimapläne, obwohl sie nun auf den Westen selbst beschränkt sind, ist für diesen letztlich ebenso selbstzerstörerisch, wie es das Beharren auf den einmal geplanten Sanktionen gegen Russland war, als die Rückwirkung bereits sichtbar wurde. Die dressierten Mannschaften, die eigentlich nur eine vorbereitete Pflichtenliste abarbeiten sollten, sind völlig unfähig, die Folgen zu begreifen, die diese vier Jahre Verzögerung auslösten. Keine der beiden Projektgruppen ist auch nur imstande, vom ursprünglichen Plan abzuweichen oder ihn gar zum Stehen zu bringen.
Was selbstverständlich auch sein Gutes hat, wenn auch nicht für die Bewohner des Westens. Ist das koloniale System einmal zerbrochen, wird es keine Versuche mehr geben, es wieder zu etablieren. So, wie sich die beiden Projekte in ihrer zerstörerischen Wirkung verstärken, wird nichts übrig bleiben, das einen Anspruch auf Dominanz erheben könnte. Diese Befreiung ist eine unwiderrufliche.
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