FDP-Stiftung will Serbien knacken – und widerlegt sich in ihrer Studie selbst
Von Dagmar Henn
Das Wichtigste, was man über die neue Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung von Thomas Brey über RT Balkan sagen muss, ist, dass sie im Grunde vom Eigeninteresse des Autors gelenkt wird. Denn ganz am Ende, bei seinem Vorschlag, wie der "russischen Propaganda" entgegengewirkt werden könne, schreibt er, man müsse die Ausbildung von Journalisten unter Kontrolle bringen, und nennt dann zwei Bücher als gute Grundlage dafür, Kurse und Seminare zu veranstalten – Bücher, die er rein zufällig selbst geschrieben hat.
Und so, wie er sein eigenes, persönliches Interesse problemlos als Konsequenz aus einer "wissenschaftlichen" Analyse verkauft, geht er natürlich auch mit der Frage westlicher Interessen um. Ganz in Übereinstimmung mit der (im philosophischen Sinne) zutiefst idealistischen Sicht auf das menschliche Denken schafft er es, sich auf ganzen 43 Seiten darüber zu wundern, dass die russische Erzählung zum Ukraine-Konflikt in Serbien mehr Glaubwürdigkeit besitzt als diejenige der NATO, ohne ein einziges Mal ernsthaft darüber nachzusinnen, dass die 78 Tage währende Bombardierung vor weniger als einem Vierteljahrhundert etwas damit zu tun haben könnte.
Nein, seine Erwartung ist, dass die damaligen Ereignisse die heutigen Positionen gar nicht mehr beeinflussen würden, wenn da nicht die böse russische Propaganda wäre. Denn ganz von alleine müssten die Menschen in Serbien – so seine Überzeugung – schon längst vergessen haben, wer ihnen damals Bomben auf den Kopf fallen ließ, und sich bereitwillig der NATO öffnen.
Vielleicht ist es ja die eigene Verdrängung, die diese Haltung erzeugt; Ereignisse wie Dresden, die im Westen nie Kriegsverbrechen der Amerikaner genannt werden durften (in der DDR schon), obwohl selbst ein bedeutendes Werk der US-Literatur, "Slaughterhouse Five" von Kurt Vonnegut, genau das zum Thema hat. Wer auf diese Weise konditioniert ist, sieht es sicher mit einer tiefen, unbewussten Unruhe, dass der NATO-Angriff in Serbien nach wie vor nicht vergessen ist, und kann nicht eingestehen, dass eben dies die natürliche Reaktion ist, und die eigene die unnatürliche.
Mit den dutzenden Zitaten, die Brey benutzt, um seine Bewertung von RT Balkan zu belegen, muss man sich im Grunde gar nicht näher befassen, weil er eine völlig unwissenschaftliche eklektizistische Sammlung liefert. Einzelne Sätze, aus hunderten von Artikeln verschiedener Autoren, die einfach aneinandergereiht werden und so zeigen sollen, was für ein Medium das sei. Das kann man machen, aber das belegt gar nichts. Übrigens ist sein Vorgehen bei der serbischen Presse ähnlich; wer erwartet, irgendwo technische Informationen wie Auflagenhöhen zu erhalten, wird bitter enttäuscht. Dafür finden sich Sätze wie dieser:
"Die Eigentümer der privaten Sender sind in der Regel Oligarchen, die Präsident Vučić oder seiner alle Bereiche dominierenden 'Fortschrittspartei' (SNS) nahestehen."
Das ist wirklich ungewöhnlich. Es wird wohl kein anderes Land der Welt geben, in dem die Medien irgendwelchen Oligarchen gehören, die einen starken Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen und daher dieser Regierung nahestehen, nicht wahr, Frau Springer und Frau Mohn? Wie ist das noch einmal mit Ted Turner und CNN?
Wenn man die Situation im eigenen Land oder in der EU so idealisiert, wie Brey das tut, fallen die deutlichsten Parallelen nicht auf:
"Eine zentrale Rolle spielte die staatliche Telekom, der mehr und mehr die Aufgabe zukommt, kritische Medien mundtot zu machen, indem sie diese aus den Kabelnetzen drängt."
Auch das mit Sicherheit etwas, was in der Welt der Freiheit, die zu definieren die Friedrich-Naumann-Stiftung schon in der Webadresse beansprucht – freiheit.org – bestimmt nicht passiert. Oder das:
"Der entscheidende Baustein für dieses Konstrukt sind die Medien, die nahezu vollständig unter Kontrolle der Eliten stehen und in deren Sinne berichten."
Ein Zustand, den man sich in Deutschland überhaupt nicht vorstellen kann, oder?
"Weil gedruckte und elektronische Medien in Serbien wie auch in anderen Ländern dieser Region, chronisch an Unterfinanzierung leiden, gewinnt das kostenlose Informationsangebot aus Russland noch mehr Gewicht. Umso mehr, da es auch noch in Landessprache präsentiert wird. Die breite Übernahme eins zu eins ist somit ohne weitere redaktionelle Bearbeitung die Regel." Nun, Ähnliches kennt man ebenso im einst goldenen Westen, selbst wenn da nicht kostenlose Angebote dominieren, sondern drei Nachrichtenagenturen; aber der größte Teil des Inhalts ist auch dort nicht selbst recherchiert, sondern nur aus der Agenturmeldung kopiert. Wirklich witzig sind dann aber die nächsten beiden Sätze:
"Eine solche unbearbeitete Übernahme gilt auch für die serbischsprachigen Texte von Deutsche Welle oder Radio Free Europe. Allerdings handelt es sich dabei um journalistische Produkte, die sich an Standards westlicher Medien orientieren."
Radio Free Europe? "Standards westlicher Medien"? Das ist kühn. Die hatten nie eine journalistische Aufgabe. RFE war schon immer eine Niederlassung der CIA; ganz offiziell, das ist der Finanzierungsweg. Nicht das Außenministerium, nicht Kongress oder Präsident, nein, die CIA. Das bedeutet selbstverständlich, dass RFE der Aufgabe verpflichtet ist, US-amerikanische Machtpolitik zu fördern, nicht, in irgendeiner Art wahrheitsgemäß zu berichten. Was auch Brey wissen müsste, der seinen biografischen Angaben zu Folge seit 40 Jahren vom Balkan berichtet und in dieser Zeit eigentlich genügend Mitarbeitern dieses Ladens begegnet sein müsste, um ihn ungefähr einschätzen zu können. Vor allem, da vor vierzig Jahren noch die ganz unappetitliche Garnitur dort unterwegs war, rekrutiert aus dem reichen Reservoir in Bayern aufbewahrter Nazikollaborateure (damals war der Sitz von RFE in München).
Nun, wenn man mit solchen Kriterien an die Frage von Propaganda herangeht, schafft man es auch, ohne Zucken solche Sätze zu schreiben:
"Westliche Medien versuchen (wenigstens im Idealfall), unabhängig Fragen nach Hintergründen zu stellen und ein Ereignis/eine Aussage möglichst erschöpfend darzustellen, nichts Wesentliches wegzulassen oder zu verdrehen."
Nicht, ohne im gleichen Text die Widerlegung zu bieten:
"Großer Unterschied: Im Kosovo wurden schätzungsweise 800.000 Albaner durch serbisches Militär und Paramilitär in die Nachbarländer (vor allem Albanien) vertrieben, wie internationale Gerichte später wiederholt festgestellt haben. Der behauptete Völkermord im ukrainischen Donbass und Lugansk blieb dagegen ohne Beweise."
Überprüfen wir hier einmal das "nichts Wesentliches weglassen oder verdrehen". Als 2014 die Bombardierung des Donbass durch die ukrainischen Truppen begann, löste das eine große Fluchtwelle aus. Die ging aber nicht gen Westen, sondern nach Russland. Die Straßen zu den Grenzübergängen nach Russland verwandelten sich in einen einzigen Stau. Und die ukrainischen Truppen schossen besonders gerne auf die Fahrzeuge, die auf diesen Strecken standen. Noch 2015 waren die ausgebrannten Fahrzeuge links und rechts der Straße zu sehen, auch die Krater, die der Beschuss in die Asphaltdecke geschlagen hatte.
Der einzige Grund, warum jemand wie Brey überhaupt erklären kann, es gebe "keine Beweise", liegt an seinem Trick mit den "internationalen Gerichten". Hier reden wir natürlich von Den Haag, das der Westen in eisernem Griff hat. Dort wurden selbstverständlich auch Belege für die Ereignisse im Donbass eingereicht; aber das Gericht hat sich, seinen Herrn treu, geweigert, sie anzunehmen und entsprechende Ermittlungen einzuleiten.
Was jetzt nicht heißt, dass es keine Belege gäbe. Man kann sie reichlich im Netz finden. Filmaufnahmen dieser Straßen. Berichte über die Opfer. Sogar Reportagen von Reportern, die selbst in diesen Beschuss gerieten. Auch entsprechende Erklärungen der Autoritäten des Donbass, wenn Brey auf formellen Presseerklärungen besteht. Es gab sogar die Möglichkeit, die Unterkünfte zu besuchen, in denen diese Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht wurden. Also das Weglassen und Verdrehen beherrscht Brey selbst vorzüglich.
Der Grund für den ganzen Aufwand, die "russische Propaganda" anzuprangern, sind Umfrageergebnisse in Serbien. Die sind natürlich richtig mies:
"Obwohl Serbien seit über zehn Jahren mit der EU über seinen Beitritt verhandelt, wollen bei einem möglichen Referendum 51 Prozent der Bürger gegen eine EU-Mitgliedschaft stimmen. Nur 34 Prozent wären dafür. Welcher Nation sehen sich die Serben am nächsten? 40 Prozent der Befragten nennen die Russen, weit abgeschlagen folgen die Griechen mit 9 Prozent. Als bester Spitzenpolitiker weltweit gilt für 45 Prozent der Menschen Putin. Es folgen der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping mit 12, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit 11 und Bundeskanzler Olaf Scholz mit 5 Prozent. Folgerichtig empfinden zwei Drittel aller Befragten, dass die USA eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa darstellen. Nur jeweils 21 Prozent sahen in Russland und China eine Gefahr dafür. Daraus folgt, dass 34 Prozent Russland, 17 Prozent China und nur 14 Prozent die EU als wichtigsten außenpolitischen Partner ansehen."
Und das, wo man sich so viel Mühe gibt. Das ist wirklich gemein. Wie kann man nur die Zerschlagung Jugoslawiens und die paar Bomben derart lange nachtragen und dann auch noch völlig missverstehen, wer den ganzen Ärger im Kosovo immer wieder anzettelt?
"Stattdessen werden immer neue Krisen kreiert wie zuletzt mit der Alarmbereitschaft der serbischen Armee wegen Ausschreitungen im Kosovo."
Ja, da war laut Brey die serbische Regierung schuld, nicht die von der EU begrüßte politische Entscheidung im Kosovo, keine serbischen Autokennzeichen mehr zu erlauben oder bei einem fast vollständigen Wahlboykott bei Bürgermeisterwahlen mit drei, vier Prozent Gewählte gewaltsam als Bürgermeister einzusetzen. Alles keine provokativen oder aggressiven Handlungen, nur serbische Einbildung.
Wie auch immer, Brey behauptet, ein Rezept zu haben, um diesem Zustand abzuhelfen. Die Vorschläge sind durchaus nicht uninteressant; wenn man sie sich auf Deutschland angewandt vorstellt, erzeugt das einen netten Kitzel:
"Die EU muss als eine der wichtigsten Bedingungen für die weitere Annäherung Serbiens an Brüssel die Verquickung praktisch aller wichtigen Medien mit der Politik bekämpfen. (...) Denn obwohl Serbien in Kooperation mit der EU- Kommission zahlreiche begrüßenswerte Gesetze und Verordnungen geschrieben hat, die den politischen Einfluss eingrenzen und zurückfahren sollen, werden diese Vorhaben entweder nicht implementiert oder sie werden nur formal, aber entgegen ihrem eigentlichen Geiste angewendet, wie beispielsweise die parteipolitisch vollständig dominierte serbische Aufsicht über die elektronischen Medien REM belegt."
Muss dabei nur ich zwanghaft an die öffentlich-rechtlichen Medien und ihre Verquickung mit der Politik denken?
"Dass die Eigentumsverhältnisse transparent gemacht werden, ist eine Conditio sine qua non."
Das ist in Serbien vermutlich noch etwas schwieriger als in Deutschland, wo die Buchstaben A bis E ausreichen würden, um ein Medium eindeutig einem der fünf Konzerne zuzuordnen...
"Auch die 'Projektfinanzierung' von Medien durch öffentliche Gelder muss unter die Lupe genommen werden, damit nicht nur regierungskonforme Berichterstattung honoriert und kritischen Zeitungen, Sendern und Portalen finanziell das Wasser abgegraben wird."
Man kann natürlich seine gesammelten Einfälle ganz schlicht zusammenfassen: Einfach das Gegenteil dessen tun, was man zu Hause tut. Während man hier die Eigentumsverhältnisse lieber nicht anspricht, schon gar nicht das besondere Arbeitsrecht für Tendenzbetriebe, denen der Journalismus unterliegt, sorgt man überall dort, wo man selbst wenig zu melden hat, dafür, dass alles offengelegt werden muss. Schließlich ist es ein entscheidender Unterschied, ob der serbische Staat serbische Medien finanziert oder der deutsche Staat deutsche. Denn grundsätzlich sind eben die einen die Bösen und die anderen die Guten.
Nur noch zur Erinnerung: Die Friedrich-Naumann-Stiftung ist jene deutsche Stiftung, die schon mehrmals in Lateinamerika in Putschvorbereitungen verwickelt war, in Honduras und zuletzt in Peru. Damit man nicht allzu freundliche Vorstellungen über diesen Verein entwickelt oder seine Aktivitäten unterschätzt. Wenn diese Stiftung die politische Lage in einem Land verändern will, ist das ebenso ernst zu nehmen, wie wenn die CIA das erklärt.
Was jetzt nicht notwendigerweise etwas mit Brey und seiner Studie zu tun hat. Der will nur seine Bücher oder zugehörige Kurse verkaufen. Was ja an sich ein legitimes Ziel für einen Autor ist; nur diese ganze pseudowissenschaftliche Konstruktion über die "russische Propaganda" hätte er sich schenken können. Außer natürlich, er muss sonst fürchten, dass die Bücher keine Käufer finden, und er versucht so, die Auflage komplett bei der Friedrich-Naumann-Stiftung abzusetzen. Nun, das ist deren Problem. Mit dem Geld, das sie dafür ausgeben, können sie wenigstens sonst keinen gefährlichen Unfug mehr anstellen.
Mehr zum Thema - Das dystopische "Medienfreiheitsgesetz" der Europäischen Union ist ein Trojanisches Pferd
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.