Meinung

Die Interessen konvergieren, die Chemie stimmt – Eine Nachlese zum Afrika-Forum

46 Regierungsdelegationen mit ihren Sicherheitsapparaten in Sankt Petersburg logistisch zu organisieren, Akademiker und Geschäftsleute gleichermaßen mit Aufmerksamkeit zu bedienen, gleicht der Quadratur des Kreises. Irgendwie gelang sie den russischen Gastgebern.
Die Interessen konvergieren, die Chemie stimmt – Eine Nachlese zum Afrika-ForumQuelle: www.globallookpress.com © Maksim Konstantinov/Global Look Press

Von Karin Kneissl

Großkonferenzen in Zeiten des Krieges und der Sanktionen in Russland zu veranstalten, ist die hohe Kunst der Logistik. Wer von wo auch immer anreist, muss Zwischenlandungen einlegen, denn seit Ende Februar sind die meisten direkten Flugverbindungen nach Russland gekappt. Tausende Teilnehmer aus dem afrikanischen Kontinent folgten jedenfalls der Einladung des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Weder die komplizierte Anreise noch der erhobene westliche Zeigefinger, bloß nicht den russischen Präsidenten zu besuchen, schreckte diese Gäste ab. Vertreter aus dem Bildungsbereich, Firmenchefs, Botschafter und viele andere bevölkerten neben den Delegationsmitgliedern das Konferenzzentrum nahe Sankt Petersburg und die Hotels. Die ersten Stunden verliefen chaotisch, Teilnehmer steckten in Staus fest, da Busse fehlten oder die Sicherheitsmaßnahmen rigide organisiert an mehreren Nadelöhren galten. Ein Panel, das ich moderierte, änderte sich ständig in der Zusammensetzung, doch dank unser aller Improvisationskunst gelang es. Vor allem die afrikanischen Gäste wirkten stoisch und heiter in all dem Trubel. Mit Deutschen wäre das Chaos nicht so unkompliziert verlaufen, vermute ich. Im Vergleich zum Sankt Petersburger Wirtschaftsforum SPIEF, das erst vor wenigen Wochen über die Bühne ging, wirkte auf diesem zweiten Afrika-Russland-Forum alles etwas bunter und fröhlicher.

Die Interessen konvergieren auf vielen Ebenen, von der Landwirtschaft über Neuordnung der Währungskörbe bis zur Sicht auf die geopolitischen Trends, die sich auf Kooperationen in den internationalen UN-Gremien noch auswirken können. Die nationalen Interessen miteinander in Einklang zu bringen, ist entscheidend. Wenn dann noch die Chemie zwischen den handelnden Personen funktioniert, dann springt der Funke über. Spürbar war dies bei den Begegnungen zwischen afrikanischen und russischen Offiziellen, aber ebenso in den diversen Panels und im Kulturprogramm.

Spätestens zu Beginn der Plenardebatte war alles im Lot, die Atmosphäre feierlich und arbeitsam. Neben dem Gastgeber Putin wirkte unter anderem die frisch gewählte Chefin der BRICS-Bank Dilma Rousseff, vormals Präsidentin von Brasilien, mit. Die neue Bankenchefin beschrieb die aktuellen Entwicklungen im internationalen Zahlungsverkehr, in welchem nationale Währungen zunehmend zum Einsatz kommen. Die BRICS-Bank wird allmählich zum alternativen Währungsfonds und wirkt weit über die fünf Gründerstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika hinaus. Der Präsident der Afrikanischen Union Azali Assoumani, Präsident der Komoren, brillierte in wunderbarem Französisch und verwies auf diese neue alte Verbindung zwischen Russland und den afrikanischen Staaten. Immer wieder wurde in Reden und Interviews darauf verwiesen, dass Russland nie eine Kolonialmacht war, sondern vielmehr während der Sowjetzeit die Afrikaner in der Phase der Entkolonialisierung gegen die europäischen Kolonialmächte unterstützte.

 

Partner auf Augenhöhe

Fast inflationär ist bereits das Schlagwort von dieser "Partnerschaft auf Augenhöhe". Die EU wird nicht müde, ihre Priorität – Migration aus Afrika zu bekämpfen – mit bilateralen Großkonferenzen zu behübschen, in welchen stets von neuer Partnerschaft die Rede ist. Zu spät wurde in vielen europäischen Staatskanzleien begriffen, dass Afrika schon längst von neuen Partnern umworben wird. Dazu zählen nicht nur Staatskonzerne aus China und Indien sowie die finanzkräftigen Staatsfonds aus den arabischen Golfstaaten, sondern auch Unternehmen aus der Türkei und dem Libanon. Letztere sind die traditionellen Geschäftevermittler und wirken oft für Unternehmer aus den USA, Frankreich, aber auch aus Asien.  Chinesische Erdöl- und Bergbaufirmen kauften bereits vor 20 Jahren Konzessionen, vom Sudan bis nach Sambia, ohne dass dies in Europa wirklich jemandem auffiel. Indes ist Angola der zweitwichtigste Erdöllieferant Chinas. China lädt zu solchen Afrika-Konferenzen, wie dies Russland nach dem Gipfel in Sotschi im Jahr 2019 nun zum zweiten Mal macht, bereits traditionell ein. Der Zugang Chinas ist und bleibt einer der Süd-Süd-Kooperation mit Verweis auf die gemeinsamen Erfahrungen mit dem Kolonialismus.

Russland muss seine eigene Nische auf dieser afrikanischen Bühne geopolitischer Rivalitäten ausbauen. Im Gegensatz zu Peking verfügt Moskau nicht über so große Mittel und so weitreichende Interessen im Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen, da es selbst genug davon hat. Während China also eher einschüchtert aufgrund seiner Stärke und der Art und Weise, wie die Konzerne ihre Projekte abwickeln, nämlich oft mit eigenem Personal, ohne lokale Mitarbeiter zu rekrutieren, ist Russland vielmehr dieser Partner auf der vielzitierten Augenhöhe, kann Russland zum alternativen Partner aufsteigen.

In der nordwestlichen Hemisphäre hat sich hingegen in den letzten 30 Jahren wenig getan. Mit Afrika betreibt man maximal "mercy business", wie ich es nenne, also die stets alten Entwicklungsprojekte im Tandem mit Morallektionen, wie die Zivilgesellschaft aus westlicher Sicht zu funktionieren habe. Frankreich hält seine vormals westafrikanischen Kolonien über eine Währungsanbindung an der Kandare seiner Zentralbank, also der Banque de France. Die Suche nach alternativen Zahlungsmöglichkeiten, aber ebenso nach Handelsplattformen vor allem im großen Geschäft mit Weizen und Speiseöl wird intensiviert. In diesem Sektor kann Russland seine Nischen vorantreiben.

 

Frankreich versus Russland versus USA – die Rolle der Milizen

Die westliche Berichterstattung schwankte zwischen Spott und harter Kritik, besonders empört zeigen sich die französischen Medien und Politiker, da ihre Afrikapolitik, die eine Sonderdomäne des Präsidenten war und ist, nicht wirklich im Außenministerium gestaltet wird. Russland wird als militärische Bedrohung wahrgenommen, wobei die Wagner-Milizionäre im Fokus sind. Laut Außenminister Sergei Lawrow werden diese Milizen ihre Aufgaben in afrikanischen Staaten weiter ausüben.

Just zum Auftakt des Forums fand ein Putsch in Niger statt, das aufgrund seines Uran-Bergbaus für Frankreich wie auch für die USA fast von vitaler Bedeutung ist. Offenbar schwenkten Putschisten auch russische Flaggen, während Paris laut über eine militärische Intervention nachdenkt, um den verhafteten Präsidenten wieder ins Amt zu hieven.

Im Rückblick kann der Gipfel aus russischer Sicht als schöner Erfolg verbucht werden. Es war kein bloßes PR-Spektakel wie jene EU-Afrikakonferenzen, die ich auch als Außenministerin erlebte, bei denen Frankreich, Deutschland und viele andere stets ihr eigenes Süppchen kochen. Verträge wurden unterzeichnet, Bildungskooperationen vorangetrieben, neue Zusammenarbeit im Sportbereich geplant.

Den Abschluss bildete die große Schiffsparade auf der Newa anlässlich des Tages der russischen Flotte. Nach einem stürmischen kühlen Tag waren die Wettergötter diesem Ereignis wohlgesonnen und das vom Regen frisch gewaschene Sankt Petersburg strahlte wahrhaftig. Nach Tagen in Konferenzräumen war diese Parade auf dem Wasser zweifellos ein feierlicher Höhepunkt, der für die Gäste vielleicht auch deshalb unvergesslich sein wird, weil mit der Ausnahme des Nils die Flüsse auf dem afrikanischen Kontinent nie in dem Umfang schiffbar waren und sind wie jene Europas – ein nicht zu unterschätzender Grund, warum die wirtschaftliche Entwicklung eine andere war.

Der Präsident der Afrikanischen Union erinnerte an das Fenster zum Westen, das Peter der Große einst öffnete, und würdigte die neue geographische Ausrichtung Russlands. Die Welt dreht auf Ost-Süd-Ost und der Süden wird hier seine Rolle spielen. In Moskau hat man dies nun auch bekräftigt. In Europa ist man wieder einmal mit sich selbst beschäftigt oder dort dominiert der Ukraine Krieg jegliche Debatte. Europa verliert zweifellos den Anschluss. Es werden wohl wieder Europäer nach Afrika emigrieren, aber nicht als Abenteurer, sondern als Wirtschaftsflüchtlinge.

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