Warum sollte China nicht Kuba im neuen Kalten Krieg beteiligen und unterstützen?
Ein Kommentar von Timur Fomenko
Unlängst behauptete das Wall Street Journal in einem auf den üblicherweise ungenannten Quellen basierenden Artikel, China sei bereit, Kuba für die Beherbergung einer "geheimen Spionagebasis" auf der Insel zu bezahlen. Das am nächsten zu den Vereinigten Staaten gelegene Kuba war lange Zeit ein großer geopolitischer Brennpunkt, nachdem sich das Land nach der Revolution etwa seit 1960 zum Kommunismus bekannte. Höhepunkt der Bedrohungen des Landes in den folgenden Spannungen während des Kalten Krieges war schließlich die sogenannte Kubakrise.
Obwohl es keine greifbaren Beweise dafür gibt, ob diese neue Geschichte rund um eine "geheime Spionagebasis" stimmt oder nicht, ist jedoch klar, dass dieses Land in der Karibik angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und der Volksrepublik China erneut zu einem geopolitischen Spielball wird. Warum sollte China als kommunistischer Staat, dem von Washington mit maßloser Feindseligkeit begegnet wird, nicht die Gelegenheit nutzen, die Lage von Kuba als Verbündeter zu nutzen – zum Ärger der USA? China wäre dumm, dies nicht zu tun.
McCarthys "perfekter Albtraum"
Dennoch gibt es einige Zusammenhänge zu bedenken. Erstens herrscht in den USA derzeit ohnehin eine extreme Paranoia gegenüber China. Bei fast allen Dingen, die in den vergangenen Monaten Peking betrafen, wurde in Washington, D.C. fast immer ohne Beweise beklagt, China würde sich in irgendeiner Art und Weise verdeckter Mittel der Spionage bedienen. Es gibt keine klare Definition für das, was als "Spionage" bezeichnet werden kann, und in Washington wird die Schwelle, was als "Spionage" gelten solle, so niedrig angesetzt, dass ein solches Kriterium genauso gut gar nicht mehr festgelegt sein müsste.
Zweitens werfen die USA der Volkrepublik China ohnehin schon lange grundlos vor, geheime Stützpunkte in Drittländern zu errichten, angeblich mit dem Ziel, die Beziehungen der USA zu diesen Ländern zu überwachen und zu untergraben. Dazu gehören ein Marinestützpunkt in Kambodscha, ein Stützpunkt auf den Salomonen, ein Stützpunkt in Äquatorialguinea in Westafrika und ein Stützpunkt in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Da wäre es nur logisch, dass auch die Behauptungen über einen chinesischen Stützpunkt auf Kuba stimmen, was auch ein perfekter Albtraum eines Joseph McCarthy sein könnte: Ein kommunistischer Staat, dem die USA irrational paranoid gegenüberstehen, der einen anderen kommunistischen Staat, von dem die USA ebenfalls wie besessen sind, als ein Mittel zur Untergrabung der Herrschaft Washingtons benutzt.
Wirtschaftsblockade gegen Kuba seit 60 Jahren
Das alles heißt aber nicht, dass China etwa keine guten Gründe dafür hätte, auf Kuba einen solchen Stützpunkt einzurichten. Bei aller Paranoia sind es nämlich bisher nur die USA, die derzeit eine vollständige Militarisierung rund um die Peripherie Chinas anstreben. Sie drängen Länder zu mehr Militärstützpunkten und Verteidigungsabkommen, führen fast täglich Aufklärungsflüge entlang der chinesischen Küste durch und fahren mit Kriegsschiffen durch das Südchinesische Meer und die Straße von Taiwan. Die USA glauben, dass sie ein göttliches Anrecht darauf haben, China auszuspionieren und zu konfrontieren. Und wenn dann Peking darauf hart reagiert, dann gelten selbstverständlich die Chinesen als die Bösen.
Warum also sollte China nicht die Existenz Kubas ausnutzen, um den USA etwas von ihrer eigenen Suppe kosten zu lassen? Kuba seinerseits begrüßt natürlich ganz offen den Aufstieg und die glänzende Rolle Chinas in der Welt. Havanna unterliegt seit 60 Jahren einer Wirtschaftsblockade durch die USA, mit der stets versucht wurde und bis heute wird, das Land zu verarmen und zu zerschlagen sowie seine Regierung zu stürzen.
Kuba und China: Partner der Neuen Seidenstraße
Nach dem Ende des Kalten Krieges isolierte und schwächte zusätzlich noch der Untergang der Sowjetunion diesen von Washington angefeindeten Inselstaat. Angesichts der Ereignisse der letzten Jahrzehnte grenzt es nahezu an ein Wunder, dass sich die USA während der unipolaren Ära niemals wieder zu einer offenen Invasion gegen dieses Landes wie in dessen Anfangsjahren entschlossen haben, während in dieser Zeit weltweit einer großen Zahl anderer "feindlicher Regime" ein solches Schicksal widerfahren ist.
Somit ist für Kuba der Aufstieg Chinas als eines weiteren langjährigen kommunistischen Freundes zu einer wirtschaftlichen Supermacht ein großer Vorteil, da China dem Inselstaat endlich neue Optionen als Handelspartner und Investitionsquelle eröffnet und natürlich ein geopolitischer Schutzgarant sein kann. Kuba ist zu einem wichtigen Partner in Chinas Belt and Road Initiative (der Neuen Seidenstraße) geworden, wobei China die Seehäfen des Landes modernisiert, Infrastruktur in der Telekommunikation aufbaut und im Energiebereich mit Kuba zusammenarbeitet. Praktisch alle lateinamerikanischen Staaten haben ihre Beziehungen zu China gerade deshalb vertieft, weil sie dadurch der US-Hegemonie entkommen können, die in der Region als "Hinterhof" seit vielen Jahrzehnten einseitig die eigenen Vorteile rücksichtslos durchgesetzt hat.
Keine Kubakrise 2.0
Kuba verschafft China vor allem einen adäquaten Einfluss auf die USA angesichts der provokativen Art und Weise, wie Washington sich durch Taiwan bedient, sodass die Idee einer spiegelbildlichen "Spionagebasis" durchaus realistisch wäre. Obwohl Pekings Beziehungen zu Havanna womöglich nie zu einem Militärbündnis werden und obwohl sich wahrscheinlich auch die Ereignisse vor über 60 Jahren während des Kalten Krieges so nicht wiederholen werden, ist Kuba ein wichtiger strategischer Partner Chinas bei der Eindämmung der USA.
Kuba stellt natürlich keine echte Bedrohung für die USA dar, bleibt aber für die Führung in Washington, D.C., damit erst recht ein Ärgernis und eine Bedrohung aus ideologischer Sicht. Gibt es einen besseren Weg zur Reaktion auf die Ambitionen der USA als sicherzustellen, dass jegliche Versuche in Washington, Kuba zu erdrosseln, einzudämmen und am Gedeihen zu hindern, niemals erfolgreich sein können? In Peking ist man davon überzeugt, dass Havanna durch wirtschaftliche Entwicklung unbedingt Erfolg haben sollte, und wird deshalb den Inselstaat dabei nach besten Kräften unterstützen – ob nun mit oder ohne "Spionagebasis".
Übersetzt aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
Mehr zum Thema – Medienbericht: China warnte Blinken bezüglich der Taiwan-Wahl
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