Meinung

Ermittlung gegen Björn Höcke oder: Wenn umdrehen zur Nazi-Methode wird

Im Jahr 2023 erfährt ein Politiker aufgrund der Formulierung "Alles für Deutschland" eine Anklage. Wem obliegt dabei die Deutungshoheit in diesem Land zum Thema einer möglichen Sprachadaption des Dritten Reiches? Eine Spurensuche, auch nach den Gründen bedenklicher Schwingungen im Land.
Ermittlung gegen Björn Höcke oder: Wenn umdrehen zur Nazi-Methode wirdQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Jacob Schršter

Von Bernhard Loyen

Die Staatsanwaltschaft Halle (Saale) hat gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke Anklage wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erhoben, so der mdr am 5. Juni. Dabei geht es um eine Rede, die Höcke am 29. Mai 2021 in Merseburg auf einer Wahlkampf-Veranstaltung seiner Partei gehalten hat. Sein Vergehen – drei Worte in Form eines Satzes: "Alles für Deutschland!"

Die Nachricht versickerte zuerst in der persönlichen Flut von Meldungen täglicher Meinungsbildung. Dem weiterhin aufrichtigen Interesse verstehen zu wollen, was passiert hier eigentlich gerade in Deutschland? Es ist diese stetig sich dynamisierende Stimmung im Land, die aufhorchen lässt und sensibilisiert. Allerorts, wo man hinblickt und -hört, angespannte Stimmung bei den Menschen. Schwingungen der Gesellschaft.

Worum geht es nun bezüglich der Meldung einer staatsanwaltlichen Ermittlung gegen Höcke? Der Mann benutzte bewusst oder unbewusst, das ist die nun juristisch zu klärende Frage, sogenanntes SA-Vokabular. Ja, der Satz "Alles für Deutschland" war nachweislich im Dritten Reich eine Losung der SA. Die Verwendung ist strafbar. Wer ist für die Anzeige gegen Höcke verantwortlich? Das Grünen-Mitglied Sebastian Striegel. Striegel hatte im Jahr 2019 vor dem Landtag im sachsen-anhaltinischen Magdeburg je nach Blickwinkel um politisches Mitleid oder Verständnis für seinen Twitter-Text aus dem Jahr 2015 gebeten. Dieser hatte gelautet:

"Zuwanderung bis zum Volkstod"

Die Abgeordneten hatten ihm geglaubt, ein AfD-Antrag war abgelehnt worden, in dem es darum gegangen war, ob Striegel hinsichtlich seiner "Gesinnung" weiterhin den Verfassungsschutz mit kontrollieren darf. Er durfte, und daher könnte die Anzeige gegen Höcke als späte plakative "Rache" gewertet werden. Striegels Parteikollegin Cornelia Lüddemann hatte den Antrag der AfD im Jahre 2015 "Schaufensteraktionen" genannt.

Björn Höcke sprach am 29. Mai 2021 im Rahmen einer Wahlkampfveranstaltung der AfD folgende Sätze an seine Zuhörer:

"Alles für unsere Heimat … Was für ein toller Titel, dem ich mich voller Inbrunst stellen kann. Im Brustton der Überzeugung sage ich: Ja, alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland. Gehen wir gemeinsam in Sachsen-Anhalt einen großen Schritt in eine bessere Zukunft! … Für Sachsen-Anhalt, aber letztlich auch für Deutschland."

Muss man hier als "Normalbürger" umgehend Nazi-Jargon wittern, beziehungsweise steht hinsichtlich der erfolgten Anzeige doch die arg erzwungene Diskreditierungsabsicht eines "Nazi-Jägers" schon sehr offensichtlich im Vordergrund? Zumindest lassen beide Formulierungen im unmittelbaren Vergleich jeweilige politische Schwerpunkte erkennen. Der eine mag sein Land, der andere anscheinend nicht wirklich. Je nach Blickwinkel:

"Ja, einer für alle, alle für einen. Wir halten fest zusammen. Und ist der Sieg dann unser, sind Freud und Ehr für uns alle bestellt."

Kein Nazi-Lied, sondern der Erfolgsschlager der deutschen Nationalmannschaft zur Fußball-WM im Jahr 1974 – undenkbar im Jahr 2023. Im Vorjahr ging es den sportlichen Nachfolgern nicht um Nationalstolz, als sie sich kollektiv für das Teamfoto bei der WM in Katar den Mund zuhielten. Das Streitthema der Stunde war eine "One Love"-Binde, die "gegen Diskriminierung jeder Art" stehen sollte. Wahrnehmung trifft Beliebigkeit, aber bunt muss sie sein. Ein Jahr zuvor mussten Millionen Deutsche medial-politisch flankiert, hofiert und erwünscht mal eben ein bisschen Nazi-Jargon ertragen – etwa durch die ZDF-Satire-Zuarbeiterin Sarah Bosetti. Wer auf die Brisanz ihrer "Satire", die historische Belastung aus dem Dritten Reich verwies, war Querdenker, Schwurbler und Nazi. So verrückt sind die aktuellen Zeiten.

Bosetti gegen Höcke damit nachweislich 1:3 (Worte des Dritten Reiches), also hat der AfD-Nazi gewonnen, aber auch verloren. Die besorgniserregende Logik der Gegenwart. Schlagzeilen im Juni dieses Jahres:

  • Die Zeit: "Alternative für Deutschland: Die Lüge hat einen langen Atem: Warum ist die AfD im Aufwind, während der Klimaschutz nicht vorankommt?
  • Tagesschau: "Diskussion in der Bundespolitik: Parteien streiten über Gründe für AfD-Hoch"

Brauchen sie nicht, dafür gibt es ja Satire-Bosetti, die in ihrem jüngsten Youtube-Video "Wer macht Werbung für die AfD?" einleitend mitteilen lässt: "Bosetti erklärt ironisch, dass sie die Einzige ist, die Werbung für die AfD macht, jedoch steht ihre 'AfD' für 'Antifaschistische Demokratie'." Bosetti erhält für ihr wortgewandtes, "ironisches" und demokratisches Verständnis im Juni den Joachim-Ringelnatz-Preis.

Im November 2021 reichte die Entschuldigung des Arbeitgebers ARD aus, um die sprachliche Entgleisung ihres Mitarbeiters Nils Dampz abzuhaken, der ungeimpfte Mitbürger in einem Tagesschau-Kommentar als "Ratten" bezeichnet hatte, die "in ihre Löcher zurückgeprügelt werden" sollten. Die Erklärung der ARD lautete lapidar: "Wir bitten um Entschuldigung für die Wortwahl. Es war nie das Ziel, jemanden zu entmenschlichen." Möchte oder wollte Höcke jemanden "entmenschlichen"?

Grünen-Mitglied und ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hatte es nicht gestört, als sie im Jahre 2015 einer Demonstration beigewohnt hatte, auf der skandiert worden war: "Deutschland, Du mieses Stück Scheiße" und "Deutschland verrecke". Im Jahr 2023 ist sie "Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien". Das passt sehr gut zu den aktuellen Schwingungen im Land. Im Jahr 2018 war sie in einen "Nazi-Vergleichsskandal" verwickelt, verursacht durch die AfD. Anscheinend ein fortlaufendes politisches Pingpong-Phänomen. Die Tagesschau hatte im Mai 2018 getitelt:

"Grünen-Politikerin Roth – Wenn umdrehen zur Nazi-Methode wird." 

Es war um den Twitter-Beitrag eines AfD-Politikers nach einer Bundestagssitzung gegangen: "Angewidert wendet sich Claudia Roth von der gerade im Bundestag sprechenden Alice Weidel ab. Es ist ein Abwenden vor der Realität, es ist die Ignoranz vor der eigentlichen Aufgabe." Der Tagesschau-Titel beruhte wiederum auf einer diesbezüglichen Facebook-Bildcollage des AfD-Kreisverbandes Rottweil/Tuttlingen:

Diese Deutung eines AfD-Kreisverbands im Jahr 2018 ist genauso erzwungen und übertrieben (Roth hatte sich lediglich kurz zum Gespräch weggedreht) wie die politisierte Wahrnehmung des Grünen-Politikers Striegel im Jahr 2023. Die Anklage gegen Höcke wurde übrigens bereits am 16. Mai erhoben. Sie erfährt aber jetzt erst durch jüngste Umfragewerte eine lancierte breitere mediale Aufmerksamkeit. Bewusste Absicht oder gewohnte Klamaukroutine in diesem Land?

Der grüne "Wirtschaftsamokminister" Robert Habeck teilte auf einem Podium in Berlin am 7. Juni zur aktuellen Zerstörungspolitik der Ampelkoalition dem eher jüngeren Publikum mit:

"Man muss dazu sagen, dass wir uns gerade vielleicht davon wegbewegen von einer gesellschaftlichen Mehrheit für Veränderung."

Der interviewende Stichwortgeber hakte ob der Ehrlichkeit irritiert nach mit der Frage: "Ich frage mich, wie wird das denn, wenn noch härtere Maßnahmen nötig sind?" Innenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte diese Woche zur Verweigerung einer unbedachten und desaströsen Einwanderungspolitik durch die Bürger und den bösen unsolidarischen Gedanken der Nichtversteher an ein mögliches Kreuz bei der AfD unmissverständlich mit:

"Und niemand sollte vergessen: Das Asylrecht hat in unserer Verfassung einen hohen Wert. Wer das Asylrecht antasten will, spielt das dreckige Spiel der AfD mit und verschiebt Grenzen, die nicht verschoben werden dürfen."

"Dreckiges Spiel" könnte auch mal irgendwann zwischen 1930 und 1945 seitens der Nationalsozialisten gefallen sein. Es sind aber nur zwei Worte, und die haben auch überhaupt nichts mit dem Geschichtsklassiker "Wer hat uns verraten – Sozialdemokraten" zu tun. So könnten noch weitere künstliche Aufreger gesucht und gefunden werden, gäbe es nicht reale Aussagen mit schlicht bewusst beabsichtigter Wirkung:

"Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht."

Die Faktenchecker von Correctiv hatten im Jahr 2019 offiziell bestätigt: "Ja, Robert Habeck hat sich kritisch zu Vaterlandsliebe geäußert." Wer sich jedoch in der Gegenwart etwas zu euphorisch zu seiner Vaterlandsliebe äußert, ist je nach Wortwahl Nazi und muss angeklagt werden. Das ist die Realität, ob man Höcke nun mag oder nicht, ist dabei vollkommen irrelevant. Die Zeit twitterte todernst und unrevidiert im Mai des Vorjahres:

"Wandern ist unter Neonazis eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Mit Sport hat das jedoch wenig zu tun – dafür mit einer Pervertierung des Begriffs 'Heimat'. #Rechtsextremismus"

Ich war Ende Mai in der wunderbaren Sächsischen Schweiz gleich mehrere Tage wandern und habe aus historischem Interesse in einem Berliner Antiquariat für fünf Euro die Biografie von Albert Speer erworben. Nach neuesten Rechenmodellen zwei glasklare Indizien für einen Nazi? Der Co-Vorsitzende der Grünen Jugend Timon Dzienus teilte im Jahr 2019, ebenfalls durch die Correctiv-Faktenchecker bestätigt, folgende Wahrnehmung mit:

"Natürlich kennen die Grünen Vaterlandsliebe. Wir kennen und verachten sie."

Also Verachtung für einen Großteil der Mitbürger. Vaterlandsliebe ist schlicht der erweiterte Begriff für die berechtigte Sorge um das Land, in dem Deutsche, Ausländer wie auch Migrationsdeutsche, also besorgte Bürger, die aktuelle zerstörerische Innen- wie Außenpolitik nur noch als besorgniserregend empfinden. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Eine Alibi-Aktivismus-Anzeige gegen Höcke dient aktuell niemandem, außer der parteiinternen Wohlfühlstatistik. Eventuell noch den kommenden Wahlergebnissen der AfD. Ob die wiederum das sinnbildlich sinkende Narrenschiff Deutschland noch in sichere Heimathäfen zur dringend benötigten Vollsanierung manövrieren kann, ist dabei ein vollkommen separates Thema.

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