Meinung

Alexander Dugin: "Ich plädiere für eine Vielfalt der Zivilisationen"

Der Philosoph Alexander Dugin gilt als einflussreicher Einflüsterer Wladimir Putins. Er geißelt die "liberale Diktatur" des Westens und sieht Russland in der Ukraine am Abgrund. Es drohe eine nukleare Apokalypse. Dabei sei eine friedliche Koexistenz möglich.
Alexander Dugin: "Ich plädiere für eine Vielfalt der Zivilisationen"Quelle: AFP © Kirill KUDRYAVTSEV / AFP

Von Guy Mettan

Bei einer Russlandreise im Dezember 2022 hatte ich die Gelegenheit, auf dem Rückflug von Sibieren nach Moskau mit Alexander Dugin zu sprechen. Vier Monate nach dem Mord an seiner Tochter Darja unterhielt ich mich mit dem bärtigen Philosophen, der oft als rechtsextremer Nationalist dargestellt und in westlichen Medien als "Putins Rasputin" und "Ideologe des Kreml" beschrieben wird, über sein Denken, seine radikale Kritik an der westlichen Moderne und den Krieg in der Ukraine. Das Gespräch wurde auf Französisch geführt – Dugin spricht ein Dutzend Sprachen.

Weltwoche: Herr Dugin, am 20. August kam Ihre Tochter Daria bei einem Mordanschlag, der offensichtlich auch Ihnen galt, ums Leben. Wer sollte einen Philosophen und dessen Tochter ermorden wollen?

Alexander Dugin: Der einzige Grund waren meine patriotische Haltung und meine Opposition gegen die Hegemonialpolitik des Westens. Vor diesem Attentat wurde ich als "gefährlichster Philosoph für den Westen" bezeichnet. Ich glaube, dass ich als Zielscheibe ausgewählt wurde, weil meine Ideen gegen die Herrschaft der Globalisten gerichtet sind und weil ich einen immer despotischer auftretenden Westen kritisiere. Der Übergang von Worten zu kriminellen Handlungen ist sehr ernst. Denn er bedeutet, dass niemand mehr sicher ist, wenn er die Globalisten kritisiert. Es ist ein Zeichen dafür, dass eine neue Diktatur kommt, die liberale Diktatur. Ich habe die totalitäre Natur des Liberalismus immer angeprangert.

Weltwoche: Warum machen Sie dem Westen so viel Angst?

Dugin: Ich vertrete die Theorie des Eurasianismus. Dieser schlägt eine alternative Struktur zu einer liberalen Weltordnung vor. Ich plädiere für eine multipolare Weltordnung, für eine Vielfalt der Zivilisationen, die untereinander einen Dialog führen und zu denen auch Eurasien gehört. Andere große Zivilisationsräume sind China, Indien, Afrika, Lateinamerika und die arabisch-muslimische Welt. Die eurasische Vision schmälert die Macht des Westens. Sie bekräftigt die Freiheit und das Recht anderer Zivilisationen, unabhängig zu existieren. Und das gilt nicht nur für Russland, sondern für die ganze Welt.

Weltwoche: Wie meinen Sie das genau?

Dugin: Jede Zivilisation hat das Recht, die menschliche Existenz, die Zeit, Gott, den Tod, das Gute und das Böse selber zu bestimmen. Russland kämpft für das Recht aller Zivilisationen, ihre eigenen Wertesysteme zu besitzen. Das Hauptproblem des Westens ist es zu akzeptieren, dass der Westen nur eine Provinz der Menschheit sein könnte, nicht der Mittelpunkt.

"Jede Zivilisation hat das Recht, die menschliche Existenz, das Gute und das Böse selber zu bestimmen."

Weltwoche: Was ist das Wesen der russischen Zivilisation? Woher kommt der Eurasianismus?

Dugin: Er ist die Fortsetzung der Theorie der Slawophilen, die der Ansicht waren, dass Russland kein europäisches Land sei, sondern eine besondere Zivilisation, die sowohl aus westlichen Elementen als auch aus östlichen, asiatischen Einflüssen resultiert. Dieser doppelte Einfluss bildete die Grundlage für ein eigenständiges Gebilde, das auf der Tradition von Byzanz und der Orthodoxie einerseits und der Mongolen andererseits aufbaute.

Weltwoche: Ist in dieser Perspektive der Mongolenherrscher Dschingis Khan ein Ahnherr Russlands?

Dugin: Das von ihm gegründete Reich vereinte Dutzende verschiedener Völker und Kulturen und diente als Vorbild für den Aufbau des übernationalen russischen Imperiums. Die Moskauer Fürsten ließen sich stark davon inspirieren. Das mongolische Großreich lieferte den Rahmen für eine politische und soziale Organisation, die es Völkern unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Religion ermöglichte, harmonisch zusammenzuleben.

Weltwoche: Und der andere Einfluss?

Dugin: Er kam, insbesondere auf religiöser Ebene. Aus Byzanz und der Orthodoxie, die die Idee des Katechon, des christlichen "Aufhalters", des Kaisers, entwickelten. Er besaß eine eschatologische, metaphysische Dimension. Seine Aufgabe war es, den Antichristen daran zu hindern, die gesamte weltliche Macht auf der Erde an sich zu reißen. Dieses doppelte Erbe hat das geopolitische, historische und zivilisatorische Bewusstsein Russlands geformt. Ihm ist es zu verdanken, dass Russland nicht nur ein Land, sondern eine eigenständige Zivilisation ist.

Weltwoche: Die Russen als auserwähltes Herrenvolk? Können Sie westliche Kritiker verstehen, die in solchen Visionen Überheblichkeit erkennen?

Dugin: Das ist völlig falsch. Wenn ich ein Rassist, Faschist, Nationalist oder Suprematist wäre, würde ich das gerne gestehen. Aber die multipolare Welt, für die ich mich einsetze, ist das Gegenteil von Suprematismus, egal, wie er aussieht, ob amerikanisch, russisch oder sonst wie. Ich glaube, dass alle Zivilisationen, insbesondere die sogenannten archaischen, traditionellen oder auf vormodernen oder antimodernen Werten beruhenden Kulturen, genauso wertvoll sind wie die moderne westliche, technologisch entwickelte, säkulare, atheistische und materialistische Zivilisation. Ich verteidige das Recht jeder Zivilisation, sie selbst zu sein. Das gilt auch für den Westen und seine postmodernen, ultraliberalen oder wokistischen Werte. Es ist der mörderische globalistische Westen, der andere Zivilisationen daran hindert, sie selbst zu sein.

Weltwoche: Welche Rolle spielt die Nation in diesem Konzept?

Dugin: Ich bin ein Feind der Nationalisten. Die Nation ist eine westliche, moderne, bürgerliche Erfindung. Ich befürworte eine traditionelle Organisation der Gesellschaft mit verschiedenen und vielfältigen Staaten, eine Aristokratie des Geistes, die über der Herrschaft des Wirtschaftlichen steht. Ich bin antimaterialistisch, antibürgerlich, weil ich glaube, dass der Triumph der Bourgeoisie tödlich war.

Weltwoche: Das müssen Sie einer Schweizer Zeitung, die bürgerliche Werte hochhält, bitte erklären.

Dugin: Die Bourgeoisie hat historisch die anderen Stände und gesellschaftlichen Schichten entmachtet. Der größte Teil des Volkes bestand immer aus den Bauern und nicht aus den Bourgeois. Nun war es die kleine bürgerliche Minderheit, die die Macht auf Kosten der Mehrheit des Volkes an sich gerissen hat. Der Aufstieg der Bourgeoisie war eine Pathologie, ein Rückschritt und kein Fortschritt. Ich hasse die Bourgeoisie. Und ich bin antiliberal, weil der Liberalismus zur dritten Form der totalitären Ideologie in der modernen Geschichte geworden ist.

Weltwoche: Liberalismus steht für Freiheit, Selbstbestimmung. Wie kommen Sie darauf, dass liberale Vorstellungen totalitär werden können?

Dugin: Meine Kritik konzentriert sich auf die westliche Moderne, weil ich glaube, dass sich diese Moderne im diktatorischen Kommunismus und im Faschismus manifestiert hat. Beide entstanden im Westen. Auf eine stärker verschleierte Art gilt das auch für den Liberalismus. Er ist hegemonial und kolonial. Er betrachtet seine Werte als universell. Er duldet keine Vielfalt. Die Liberalen sind totalitär, weil sie ihre LGBT+- und Gender-Normen, die Ehe für alle, den Wokismus und den Ultrakapitalismus als einzig mögliche Werte durchsetzen wollen. Dieser Liberalismus hat faschistische Züge, indem er seine Normen um jeden Preis der gesamten Menschheit aufzwingen will. Damit führt er rassistische und koloniale Verhaltensweisen der Vergangenheit fort.

Weltwoche: Sie setzen dem die "Vierte Politische Theorie" entgegen. Was verstehen Sie darunter?

Dugin: Mit ihr will ich die westliche Auffassung überwinden, dass man nur zwischen drei Systemen wählen kann: Kommunismus, Faschismus oder Liberalismus. Wenn Sie keines der drei sind, haben Sie keinen Platz in dieser Welt. Die Vierte Politische Theorie will die Unabhängigkeit des Denkens bewahren. Sie ist das Gegenteil von Dogmatismus. Sie steht für Multipolarität und den Kampf gegen die schädlichen Dogmen der Moderne. Ich habe kein Problem damit, dass man kapitalistisch ist, aber nur, wenn man auch antikapitalistisch sein kann, wenn man das möchte.

Weltwoche: Wo steht da die liberale Demokratie?

Dugin: Die liberale Demokratie ist kein absoluter Wert. Der Westen verhält sich jedoch so, als seien Menschen, die sich seinen Ansichten widersetzen, Kriminelle und Terroristen. Wer sich nicht an diese Weltanschauung hält, wird eliminiert, wie man beim Mord an meiner Tochter gesehen hat.

Weltwoche: Ist der Westen überhaupt stark genug, seine Ansichten durchzusetzen? Viele sehen dem Westen im Niedergang.

"Wenn ich ein Rassist, Faschist, Nationalist oder Suprematist wäre, würde ich das gerne gestehen."

Dugin: Zu Trumps Zeiten dachte ich, der Westen werde die Multipolarität friedlich akzeptieren, sich auf den atlantischen Raum beschränken und so den dritten Weltkrieg vermeiden. Doch mit extremistischen Fanatikern wie Joe Biden, George Soros und den US-Demokraten steht die Welt am Rande des Abgrunds. Diese Globalisten sind bereit, die Menschheit für ihre Ideen zu opfern. Sie wollen nicht anerkennen, dass es auch einen Nicht-Westen, andere Zivilisationen gibt, die ihre Hegemonie ablehnen.

Weltwoche: Biden gilt als eher gemäßigter Demokrat, er ist doch kein Fanatiker.

Dugin: Mit ihm sind wir in ein Zeitalter der Katastrophe eingetreten, weil der Westen entschlossen ist, die Multipolarität um jeden Preis zu bekämpfen. Das ist sehr gefährlich, weil Russland Widerstand leisten und seine Zivilisation verteidigen will. China wird das nächste Ziel sein, und die anderen werden folgen. Wir möchten, dass der Westen unsere Einzigartigkeit akzeptiert. Wir möchten in einer multipolaren Welt in Frieden mit anderen leben, aber uns wird keine Chance dazu gegeben.

Weltwoche: Wie sehen Sie den Konflikt in der Ukraine?

Dugin: Der Krieg in der Ukraine ist schwieriger, als anfangs angenommen wurde. Man muss wissen, dass wir diesen Krieg nicht verlieren dürfen, da es um unsere Existenz geht. Wir stecken in der Klemme: Wir können nicht verlieren, aber es ist sehr schwer, zu siegen. Das macht die Situation dramatisch, vielleicht sogar katastrophal. Denn Russland wird bis zum Ende kämpfen, und dieses Ende kann die nukleare Apokalypse sein. Dieser Ausgang wird immer greifbarer.

Weltwoche: Der Westen wirft Russland vor, die Ukraine vernichten zu wollen.

Dugin: Es geht nicht um die Ukraine, sondern um das globale Sicherheitsgleichgewicht zwischen Russland und dem Westen. Es ist ein Krieg der Zivilisationen. Russland hatte nichts gegen die Ukraine als unabhängigen Nationalstaat. Eine solche Ukraine wäre eine Brücke zwischen uns und Europa gewesen, offen zu uns, weil die Hälfte der ukrainischen Bevölkerung ursprünglich russisch war – auch wenn das heute nicht mehr der Fall ist –, und offen zu Europa, weil die andere Hälfte der Ukraine prowestlich ist. Doch diese historische Chance wurde vertan, und der ukrainische Staat wurde faschistisch, ultranationalistisch und russophob. Er verwandelte sich in die Speerspitze des Kampfes gegen Russland, was wir nicht tatenlos hinnehmen konnten. Deshalb ist dieser Krieg ausgebrochen. Er war nicht von uns gewollt.

Weltwoche: Wie kann Russland dem westlichen Hegemonialstreben Einhalt gebieten?

Dugin: Der richtige Weg ist der Aufbau einer multipolaren Welt. Hegemonie ist per Definition unipolar in allen Bereichen, wirtschaftlich, kulturell, sozial, informationstechnisch, zivilisatorisch, ideologisch, spirituell, wissenschaftlich. Daher muss sie auf jeder Ebene bekämpft werden. Kapitalismus, nein! Liberale Demokratie, nein! Gender-Politik, nein! Kulturverzicht, nein! Weltregierung, nein!

Weltwoche: Betrachten wir andere Zivilisationen. Sie haben insbesondere Ihre Bewunderung für die chinesische und afrikanische Zivilisation zum Ausdruck gebracht. Was bewundern Sie an ihnen?

Dugin: Ich war Professor an der Fudan-Universität in Shanghai und habe China gut studiert. Die chinesische Zivilisation ist beispielhaft, weil sie Moderne und Tradition miteinander in Einklang bringt. Die große konfuzianische Zivilisation strukturiert zudem die Beziehungen zwischen dem Individuum und dem Staat. Es ist das verborgene Genie der chinesischen Kultur, ein Gleichgewicht zwischen dem Individuum und dem Kollektiv, zwischen der menschlichen Person und dem Staat, zu schaffen. Chinas Kapitalismus beruht auf Solidarität und nicht auf Konkurrenz. Man strebt danach, in Harmonie mit dem Anderen zu handeln. Der chinesische Kapitalismus ist nicht westlich. China hat es geschafft, die Prinzipien des Kapitalismus mit denen der östlichen Kultur zu vereinen.

Weltwoche: Und Afrika?

Dugin: Afrika verfügt über einen großen Reichtum an Kulturen, den es allzu oft ignoriert. Als die Entkolonialisierung begann, wollte man den Westen nachahmen und importierte den Kapitalismus, den Sozialismus, den Nationalismus und den Kommunismus, die in Wirklichkeit nur eine Fortsetzung der Kolonialisierung waren. Heute muss Afrika zu den Ursprüngen unabhängigen afrikanischen Bewusstseins zurückkehren. Afrika ist nicht homogen. Es hat unzählige Völker, Kulturen, Sprachen und Ethnien. Die postkolonialen Grenzen haben große Einheiten aufgebrochen und Ethnien und Kulturen geteilt, um künstliche Nationen zu schaffen, die sich bekämpften und die Entstehung eines panafrikanischen Bewusstseins verhinderten. Man sollte die afrikanischen Völker sich so entwickeln lassen, wie sie es wollen, auf ihrem eigenen Weg, mit ihren eigenen Werten, im Einklang mit ihren eigenen Kulturen.

Weltwoche: Wo steht der Islam?

Dugin: Die islamische Kultur ist eine weitere Inspirationsquelle, ebenso die Kultur Indiens oder Lateinamerikas, die weder europäisch noch liberal noch asiatisch sind. Man muss ihnen erlauben, sich unabhängig zu behaupten, und darf ihnen keine fertigen Gebote aufzwingen. Die Russen können übrigens dazu beitragen, aber ohne ihre eigenen Visionen aufzuzwingen.

Weltwoche: Ist das der Unterschied zum Westen?

"Tradition ist keine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine Wiederentdeckung der Ewigkeit."

Dugin: Ja. Für uns Russen hat der Andere das Recht, ein Anderer zu sein. Für den Westler sind Afrikaner, Araber oder Lateinamerikaner erst respektabel, wenn sie nicht mehr Afrikaner, Araber oder Lateinamerikaner sind und sich verwestlicht haben, indem sie europäische Gepflogenheiten übernommen haben, von der Kleidung bis zu Gender-Theorien. Diese Unfähigkeit, die richtige Haltung gegenüber dem Anderen zu finden, ist die Todsünde des Westens.

Weltwoche: Eine letzte Frage. Warum diese radikale Antimoderne? Gibt es in der heutigen Moderne nichts mehr zu retten?

Dugin: Die Moderne ist ein Prozess. Folgt man ihm, wird es zur Überwindung des Menschen durch die Maschine, zum Aufkommen asexueller Persönlichkeiten und zur Reproduktion der menschlichen Gattung ohne menschliches Zutun kommen. Denn der Individualismus, die Triebfeder der Moderne, der Säkularismus, der Atheismus und die Verneinung der Tradition führen uns direkt in die Entmenschlichung. Wir sind uns dessen nicht bewusst, weil wir die Moderne anhand der Kriterien der Moderne selbst und der modernen Werte beurteilen. Wenn wir sie jedoch mit den Augen der Tradition beurteilen würden, könnten wir die zunehmende Entmenschlichung wahrnehmen und sehen, wie der Humanismus, wenn er bis zum Äußersten getrieben wird, zum Verschwinden des Menschen führt. Deshalb muss die gesamte Moderne abgelehnt werden, nicht nur dieser oder jener ihrer Aspekte.

Weltwoche: Stattdessen eine Flucht zurück, in die Tradition?

Dugin: Tradition ist keine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine Wiederentdeckung der Ewigkeit. Die Moderne begann mit der Verneinung der Ewigkeit. Die Ewigkeit existiert nicht um ihrer selbst willen. Es ist von entscheidender Bedeutung, die ewige Dimension des Seins wiederzuentdecken. Die Ewigkeit ist auch keine unbestimmte Dauer, sondern eine andere Dimension des Seins, die senkrecht zur Zeitlinie steht und sowohl vertikal als auch transversal ist. Sie gehört nicht nur der Vergangenheit an, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft.

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Die Weltwoche hat nach dem Interview mit Alexander Dugin noch nachstehenden Text zur Person des Philosophen angefügt, den wir hier unverändert wiedergeben.

WER IST ALEXANDER DUGIN?

Für die einen ist er "Putins Rasputin", der dem Kremlchef üble Ideen einflüstert. Für die anderen steht er in der Tradition großer russischer Denker wie Lew Tolstoi oder Alexander Solschenizyn. Sicher ist, dass sich an Alexander Dugin die Geister scheiden.
Woher er kommt, was er früher getan hat – all dies ist von Geheimnissen umgeben, an
denen der 61-Jährige Philosoph eifrig mitgewoben hat. So soll er entweder für den KGB
oder als Straßenkehrer gearbeitet haben – die Bandbreite ist groß.

Heute ist Dugin der prominenteste Vertreter des Eurasismus, einer Ideologie, die im eurasischen Kontinent ein traditionelles Gegengewicht zum angeblich dekadenten atlantischen Westen sieht. Von 2010 bis 2014 war er Professor für Soziologie der internationalen Beziehungen an der Lomonossow-Universität Moskau. Dugin, der von Nietzsche und Carl Schmitt beeinflusst wurde, lehnt den Liberalismus ab. In seinem Denken finden sich auch rechtsextreme Elemente. Eine Zeit lang war er Co-Vorsitzender der 2005 verbotenen Nationalbolschewistischen Partei Russlands.

Ob er Einfluss auf Putin hat, ist ungewiss. Offenbar hat er ihn nie getroffen. Allerdings gilt sein Standardwerk "Grundlagen der Geopolitik" als wichtiges Lehrbuch für angehende russische Generalstabsoffiziere. In der Ukraine sieht man ihn offenbar als Bedrohung. Die Regierung in Kiew soll hinter dem Anschlag stehen, dem seine Tochter Darja im August 2022 zum Opfer fiel. Eigentliches Ziel soll Dugin gewesen sein. (ky)

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Guy Mettan ist ehemaliger Chefredaktor der Tribune de Genève und Großrat des Kantons Genf (früher CVP, heute parteilos).

Redaktionelle Anmerkung: Das vorstehende Interview erschien zuerst am 21. Januar 2023 in der Weltwoche Nr. 03/2023. RT DE dankt für die freundliche Genehmigung zur Wiederveröffentlichung.

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