Die EU hat zu dem gegriffen, was sie sonst als "totalitäre Zensur" anprangert
Von Rachel Marsden
Offenbar reicht es der Europäischen Union (EU) nicht aus, den Zugang zu russischen Medien im Fernsehen und im Radio zu sperren und zu verlangen, dass Youtube und alle anderen sozialen Medien den Zugang zu ihnen in ganz Europa einschränken. Jetzt haben sie mit der neunten Sanktionsrunde die Vermögenswerte und Gelder verschiedener russischer Medien eingefroren, darunter jene der Muttergesellschaft von RT DE, ANO TV-Nowosti.
"Durch seine untergeordneten Medien, einschließlich RT, verbreitet ANO TV-Nowosti Kreml-Propaganda und Desinformation und unterstützt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine", heißt es in der neuen Sanktionsankündigung.
Und ich dachte, dass einige von uns hier sich lediglich unerbittlich über die Unfähigkeit und das Missmanagement der Europäischen Union lustig machen und darüber scherzen, wie "demokratisch" die EU sich gerne gibt. Das ist etwas, das viele von uns während ihrer gesamten Karriere in einer Reihe sehr prominenter westlicher Medienunternehmen getan haben.
Aber die EU sieht es dann anders, wenn ein Medium, das diesen Stimmen eine Plattform bietet, zufällig russisch ist. Und ohne spezifische Details zu nennen, wird behauptet, dass dieses Medium "materiell oder finanziell Handlungen unterstützt, mit denen die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedroht werden".
Echt jetzt? Einfach, weil über Geschehnisse berichtet und kommentiert wird? Oder ist es eher so, dass alles, was das offizielle Narrativ der EU infrage stellt, zensiert werden muss, weil es möglicherweise dazu führen könnte, dass die Europäer die Schuld für ihre Probleme bei ihren nationalen und supranationalen Oberherren ausmachen werden? Das mag für eine Weile funktionieren, aber nicht für ewig. Wie Winston Churchill einmal sagte: "Die Wahrheit kann nicht abgestritten werden. Man kann sie mit Boshaftigkeit angreifen, mit Unwissenheit verspotten, aber am Ende bleibt sie da."
Das Heraufbeschwören der "Sicherheit" – sei es jene der Ukraine, jene von Europa oder wovon auch immer – zur Rechtfertigung von Einschränkungen bei den Grundrechten ist für niemanden neu, der während der COVID-Krise zu Hause im Lockdown festsaß oder sich an das elektronische Schleppnetz der NSA erinnert, das Edward Snowden inmitten des globalen "Krieges gegen den Terror" enthüllt hat. Aber gegen die eigenen Grundsätze zu einer freien Presse mit pauschaler Zensur zu verstoßen unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit, ist vielleicht die perverseste Anwendung dieses Prinzips – und eine Verletzung dessen, was man routinemäßig für sich selbst beansprucht.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen tatsächlicher Desinformation einerseits und Informationen oder Analysen, die einem einfach nicht gefallen, andererseits. Wenn ein Journalist oder ein Medienunternehmen etwas veröffentlicht, das sachlich falsch ist, besteht tatsächlich eine ethische und regulatorische Verpflichtung, dies zu identifizieren und zu korrigieren. Dafür gibt es in ganz Europa nationale Medienaufsichtsbehörden. Diese beobachten die russischen Medienplattformen schon seit Langem wie die Falken und lauern geradezu auf irgendwelche Verstöße. Es ist schwer vorstellbar, dass man sich zurückgehalten hätte, auf solche Verstöße hinzuweisen, hätten welche stattgefunden.
Journalisten machen ihre Arbeit öffentlich. Warum also nicht auch die EU, wenn sie mit einem Federstrich Zensur begeht? Was die EU mit diesen neusten Sanktionen getan hat, ist nichts Geringeres als ein Ausdruck von Totalitarismus. Ein supranationales Organ hat eine bestimmte regulatorische Rolle an sich gerissen, die bisher von nationalen Regierungen von angeblich souveränen Staaten eingenommen wurde, und sich damit zum ultimativen Schiedsrichter darüber gemacht, was die Bürger sehen, lesen und hören dürfen. Die EU hat zu dem gegriffen, was sie sonst als "totalitäre Zensur" anprangert. Wenn ein EU-Bürger buchstäblich das Gebiet der Europäischen Union verlassen muss, um auf Nachrichten zuzugreifen, die für Menschen in Vietnam oder Brasilien frei zugänglich sind, dann ist das ein Eiserner Vorhang für Informationen – Made in Europe.
Noch beunruhigender ist der Jubel einiger Exponenten des Medien-Establishments, die Russland einfach nicht mögen und diese Tatsache nutzen, um die Arbeit ihrer Kollegen auf den russischen Medienplattformen lächerlich zu machen oder sie gleich zu zensieren. Journalisten, die sich für die pauschale Zensur von Informationen einsetzen, auf der Grundlage, dass sie nicht aus einer Quelle stammen, die sie mögen oder die von ihrer Regierung genehmigt oder toleriert wird, behindern effektiv die Suche nach der Wahrheit, indem sie Debatten und Informationsvielfalt ersticken.
Aber als Elon Musk – der milliardenschwere neue Besitzer von Twitter, einer privaten Social-Media-Plattform – kürzlich die Konten einer Handvoll etablierter westlicher Journalisten, darunter welche von der New York Times und CNN, kurzzeitig deaktivierte, reagierten verschiedene westliche Journalisten so, als hätte er gerade ein Massaker mit einer Machete begangen.
Noch ironischer war es, dass die EU über die wenige Stunden andauernde Sperre von Journalisten auf einer privaten Plattform, die Musk persönlich gehört, ausflippte. Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für "Werte und Transparenz", Věra Jourová, twitterte: "Nachrichten über die willkürliche Suspendierung von Journalisten auf Twitter sind besorgniserregend. Das EU-Gesetz über digitale Dienste verlangt die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte. Dies wird durch unser #MediaFreedomAct bekräftigt. @elonmusk sollte sich dessen bewusst sein. Es gibt rote Linien. Und bald Sanktionen." Wo bleiben die Werte der Vizepräsidentin angesichts der seit Februar wiederholten Sanktionen gegen russische Journalisten durch die EU?
Hätte sich die EU an den gleichen Standard der Medienfreiheit gehalten, den man von Musk einfordert, dann hätte sie sich bereits selbst sanktionieren müssen. Das ist tatsächlich etwas, worin die EU wirklich effektiv geworden ist, da die Auswirkungen ihrer antirussischen Sanktionen auf ihre eigene Bevölkerung zurückschlagen. Viel Glück damit, dies zu zensieren.
Aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com.
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