Leben in Zeiten der verordneten Sparsamkeit – Europas Weg in die Deindustrialisierung
Von Pierre Lévy
Die Aufregung um die Fußballweltmeisterschaft konnte nicht ewig anhalten. Jetzt sind die Franzosen wieder besorgt: Wird es im Januar zu Stromausfällen kommen? Heute ist es noch schwierig, Gewissheit zu haben. Aber die Tatsache, dass diese Möglichkeit überhaupt in Betracht gezogen wird, ist schwindelerregend. Noch vor einem Jahr hätte sich das niemand vorstellen können.
Die Aficionados der globalen Erwärmung fordern uns auf, das (kurzfristige) Wetter nicht mit dem (langfristigen) Klima zu verwechseln. Das Argument ist sicherlich zulässig. Aber man kann sich nicht daran erinnern, dass sie es besonders hervorgehoben hätten, als vor einigen Monaten Hitzewellen das Land überrollten, die als unwiderlegbare Beweise für die Katastrophen im Zusammenhang mit dem Treibhauseffekt galten... Wie dem auch sei, die Abhängigkeit von einem möglicherweise strengen Winter wirft uns um einige Jahrhunderte zurück – in eine Zeit, als die Grundbedürfnisse des Lebens (Ernährung, Heizung, Beleuchtung, Fortbewegung...) stark von den Launen des Himmels abhingen.
Natürlich wird von zweistündigen Stromausfällen gesprochen, was nicht das Ende der Welt bedeute, wie man uns erklärt. Das mag sein. Aber es bleibt dennoch ein beeindruckender Marker für den Rückschritt, der am Werk ist. In den 1970er Jahren setzte Frankreich auf die Unabhängigkeit im Energiebereich durch ein starkes Atomprogramm. Dabei profitierte das Land von einem einheitlichen öffentlichen Dienst, der nicht den Gesetzen des Marktes unterworfen war – zumindest bis die Europäische Union ab Ende der 1990er Jahre Liberalisierung und Wettbewerb durchsetzte. Aus europäischen, aber auch aus ideologischen und niederen politischen Motiven (Forderungen der Grünen innerhalb der Linksregierung) wurde die Kernenergie zur Zielscheibe und ein programmierter Zerfall des Sektors wurde eingeleitet. Mit unvermeidlichen negativen Folgen für die Investitionen, die Kompetenzen und das Know-how.
Das Land zahlt heute den Preis dafür: Während 16 (von 56) Atomreaktoren momentan gewartet werden, wird diese Wartung beispielsweise durch den Mangel an qualifizierten Schweißern verlangsamt. Welcher junge Mensch hatte in den letzten Jahren denn noch Lust, in diese implizit der Verschrottung geweihte Branche einzusteigen? Ein gewollter Niedergang, der durch die Schließung des Kraftwerks Fessenheim (das sich in perfektem Zustand befindet) symbolisiert wird und dessen Megawatt-Leistung es vielleicht gerade ermöglicht hätte, die heutige Zeit zu überstehen.
Man kann auch auf Folgendes hinweisen: Der Naturschutz, eines der Argumente der Atomkraftgegner, wurde am 6. Dezember erneut angeführt, um das Verbot des... Wasserkraftwerks von Sallanches (in den Alpen) zu rechtfertigen. Eine Umweltorganisation hatte den von ihr geführten Prozess gewonnen und sogar die Zerstörung der gerade fertiggestellten Anlage erreicht. In einer Zeit, in der wir aufgefordert werden, jede Kilowattstunde zu sparen, glaubt man zu träumen, oder eher Albträume zu haben.
Genauer gesagt, es ist die Zeit der verordneten "Sparsamkeit" gekommen. Zumindest ideologisch: Es gibt kaum eine Tagesschau, in der nicht mindestens zwei oder drei Beiträge darüber berichten, warum es sinnvoll ist, Nudeln mit heißem Abwaschwasser zu kochen oder im Büro Daunenjacken zu tragen. Auch der Appell an die Kinder, ihre Eltern zur Rettung des Planeten zu "erziehen", ist ein unverzichtbares Thema.
Zu den Aussichten auf Stromausfälle an sich war die Kommunikation der Regierung derweil chaotisch. Zunächst wurde ihre Wahrscheinlichkeit als verschwindend gering dargestellt. Daraufhin änderte sich die Rhetorik innerhalb von ein oder zwei Wochen: Man forderte nun jeden Tag dazu auf, sich auf diese Möglichkeit vorzubereiten, die sich angeblich erheblich verstärkt habe. Und anschließend hat der französische Wirtschaftsminister die Rhetorik weiterentwickelt, nach dem Motto: "Wir werden es gemeinsam schaffen, Einschnitte zu vermeiden."
In einem Artikel der Zeitung Le Monde vom 13. Dezember geißelte ein Wirtschaftsredakteur den Alarmismus und bedauerte den Ton der Debatte. Dieser erschien ihm vor allem deshalb gefährlich, "weil er die Putin-Propaganda nährt, die alle Dimensionen der Energiekrise ausnutzt." Tatsache ist also: Moskau wird wirklich bei jedem Thema beschuldigt, im Hinterhalt zu lauern. Immerhin ist anzumerken, dass die Russen im Gegensatz zu ihren westlichen Nachbarn nicht von Stromausfällen bedroht zu sein scheinen. Ein schmerzhaftes Paradox für die EU, deren Sanktionen doch darauf abzielten, die russische Wirtschaft in die Knie zu zwingen...
Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Élysée-Palast, wenn in Frankreich der Strom in diesem Winter knapp wird, seine Fähigkeit wird rühmen können, vorausschauend gehandelt zu haben, um so seine Forderung nach Einschränkungen zu rechtfertigen. Wenn man den Strom nicht abstellen muss, wird die Regierung die Franzosen für ihre Opferbereitschaft loben, und sie damit belohnen.
Höchstwahrscheinlich wird man sie dazu aufrufen, weiterhin "sparsam" zu leben, nach dem Motto: Wir haben bewiesen, dass es möglich ist. Jetzt müssen wir diese Askese als Lebensregel übernehmen, um den Planeten zu retten und Putin zu schaden... Das sind alles "Argumente", die bisher nicht ausreichten. Wird die Angst vor dem Mangel (zusammen mit den steigenden Preisen) letztendlich der "richtige" Hebel sein?
Im Hintergrund steht der von der Europäischen Kommission geförderte "Green Deal", der Entwürfe für Richtlinien und Verordnungen enthält, die Europa zum "umweltfreundlichsten Kontinent der Welt" machen sollen. Wir werden wohl bald trauern um die Industrie (die nach Asien und Amerika abwandert) und die Arbeitsplätze...
Mehr zum Thema – Studie: Energiekrise kann zu Deindustrialisierung in Deutschland und Europa führen
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