EU will "entschiedene Antwort" auf US-"Inflationsbekämpfungsgesetz" geben
Von Alexander Männer
Der wegen der anhaltenden Energie- und Inflationskrise befürchtete Verlust von Produktionsstandorten in der Europäischen Union war eines der Hauptthemen bei dem kürzlichen Jahresabschluss-Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Denn zahlreiche europäische Unternehmen stehen unlängst vor enormen Wirtschaftsproblemen und sehen wegen fehlender Perspektiven keine andere Möglichkeit, als ihre Produktion teilweise in andere Länder, wo die Produktion billiger ist als in der EU, zu verlagern.
Um der Abwanderung von Unternehmen ins Ausland zu entgegnen, will die EU Vorschläge zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Europa erarbeiten. Diese sollen sich vor allem gegen die milliardenschweren Subventionspläne der Vereinigten Staaten richten, die mit ihrer Politik die Produktionsverlagerung der europäischen Unternehmen nach Nordamerika forcieren.
Die Rede ist von dem sogenannten "Inflation Reduction Act of 2022" (IRA), der mit einem Umfang von knapp 400 Milliarden US-Dollar bislang das größte Investitions- und Subventionsprogramm der USA für den Klima- und Umweltschutz ist und offiziellen Angaben zufolge neben dem Kampf gegen den Klimawandel auch die Inflation eindämmen soll. Allerdings dienen die vorgesehenen Maßnahmen auch dazu, das US-Außenhandelsdefizit zu reduzieren.
Der letzte Aspekt wird nach Ansicht von Experten unter anderem durch den Ersatz von Importen in die USA durch Produktion in den USA selbst angestrebt, wovon unter anderem die Produzenten aus Europa betroffen sind. Damit wollten die US-Amerikaner unter dem Deckmantel der Inflationsbekämpfung im Grunde die Reindustrialisierung ihrer Wirtschaft vorantreiben und durch Zuschüsse im Bereich der erneuerbaren Energien ihre Vormachtstellung als größter Energieproduzent sicherstellen. Und das auch auf Kosten der EU-Volkswirtschaften.
EU-Reaktion auf den IRA
Kein Wunder, dass Kritiker in dem IRA den Beleg für eine aggressive Industriepolitik der US-Regierung erkannt haben wollen. Auch die Staats- und Regierungschefs der EU sehen in dem US-Gesetz eine Gefahr für die europäischen Unternehmen und haben bereits darauf hingewiesen, dass das Vorgehen der "Partner" einen neuen transatlantischen Handelskrieg zur Folge haben könnte.
So pocht diesbezüglich etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der schon bei seinem Besuch in den USA Anfang Dezember den IRA als "super aggressiv" bezeichnet hatte, auf eine starke europäische Antwort. Für ihn und die EU gehe es nach Angaben des Handelsblatts darum, fairen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und die großen Projekte zu grünen Technologien und Zukunftstechnologien in Europa zu verteidigen.
"Ich denke, jetzt müssen wir entschieden reagieren", sagte Macron bei dem EU-Gipfel am Donnerstag. Wichtig sei, dass Europa sich jetzt nicht über Geldfragen zerstreite. Gemeinschaftliche Finanzierungsinstrumente könnten Garantien, Kredite oder Subventionen sein. Darüber werde man nun reden.
Erwartungsgemäß erteilten die Spitzenpolitiker bei dem Treffen der EU-Kommission einen entsprechenden Auftrag, Vorschläge zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Europa zu erarbeiten. Wie ein EU-Beamter laut dpa im Anschluss an die Gespräche mitteilte, geht es um die Frage, wie die Wettbewerbs- und Produktionsfähigkeiten der EU gestärkt werden können. Die Staats- und Regierungschefs hätten in den Beratungen betont, es sei notwendig, eine eigene Strategie zu entwickeln, um die wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis Europas zu sichern. Zudem gehe es auch darum, strategische Abhängigkeiten zu verringern.
Offenbar soll die Reaktion bereits in den kommenden Monaten erfolgen. Wie sie aussehen könnte, darüber sind sich die 27 EU-Staaten noch nicht einig. Meinungsunterschiede gibt es darüber, ob auf EU-Ebene oder auf der nationalen Ebene vorgegangen werden soll. Worüber man sich bereits einig ist, ist die zusätzliche finanzielle Unterstützung für die heimischen Industrien.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich bereits vor dem EU-Gipfel für eine entschlossene und weitreichende Reaktion der Staatengemeinschaft ausgesprochen. Konkret wirbt sie für zusätzliches Geld zur Förderung sauberer Technologien, die durch einen neuen "Souveränitätsfonds" bereitgestellt werden sollen. Zudem will sie EU-Vorschriften für staatliche Investitionen lockern. Dazu erwartet man von der Kommissionschefin nun konkrete Vorschläge.
Geben die USA nach?
Indes versucht die EU-Kommission derzeit noch, über Verhandlungen Zugeständnisse der USA zu erreichen. Dafür bleibt ihr jedoch nicht viel Zeit, denn die US-Regierung muss noch in diesem Jahr festlegen, wie das Inflationsbekämpfungsgesetz am Ende umgesetzt werden soll.
Es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass die Kommission Erfolg hatte. Wie das Handelsblatt zuvor berichtete, könnte die Biden-Administration erwägen, den Europäern in zwei Bereichen entgegenzukommen: der Produktion von Elektrofahrzeugen und der Batterieherstellung.
Eventuell ist das auch nur eine Art Zeichensetzung der US-Amerikaner im Sinne der "transatlantischen Partnerschaft". Weitere Zugeständnisse sind von Washington allem Anschein nach nicht zu erwarten. Zudem werden im US-Kongress bereits Stimmen laut, die die Einhaltung des IRA fordern. Bloomberg zufolge bat der US-Senator Joe Manchin, der auch den Vorsitz im Energieausschuss innehat, die Finanzministerin Janet Yellen in einem am Dienstag publik gemachten Brief darum, an den Anforderungen des IRA für den Elektrofahrzeugbereich festzuhalten. Andernfalls werde man es den Fahrzeugherstellern ermöglichen, "wie gewohnt weiterzumachen und unseren Transportsektor weiter zu gefährden", so Manchin.
Der Senator sagte zudem, er erkenne an, dass "viele unserer Verbündeten möglicherweise verärgert über die strengen inländischen Beschaffungsanforderungen sind, die im IRA enthalten sind, und nach einem Weg suchen, um sie zu umgehen''. "Lassen Sie mich klarstellen, dass dieses Gesetz keinen unserer verbündeten Partner verletzen soll, sondern diesem Land helfen und uns stärker machen soll."
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