Was bedeutet Russlands Einstufung als "staatlicher Sponsor des Terrorismus" durch das EU-Parlament?
Von Rachel Marsden
Vergangene Woche verabschiedeten Mitglieder des EU-Parlaments eine Resolution, in der Russland als staatlicher Sponsor des Terrorismus bezeichnet wird. Der Schritt folgte einer ähnlichen Abstimmung im parlamentarischen Ausschuss der NATO nur zwei Tage zuvor als Folge einer Forderung der ukrainischen Delegation.
Bei der NATO hätte es kein anderes Ergebnis geben können, da die Allianz sein Fortbestehen nach dem Kalten Krieg mit der Notwendigkeit rechtfertigt, Moskau entgegentreten zu müssen. Ohne das ständige Heraufbeschwören einer "russischen Bedrohung" wäre die NATO überflüssig. Aber was genau soll das Endspiel im EU-Parlament sein? Die Union kennt nicht einmal die tatsächliche Bezeichnung eines "staatlichen Sponsors des Terrorismus", worauf die Resolution selbst hinweist.
"Die EU führt eine Liste von Personen, Gruppen und Einrichtungen, die an terroristischen Handlungen beteiligt sind und die Sanktionen unterliegen. Aber der derzeitige Rechtsrahmen legt im Gegensatz zu jenen von Ländern wie den Vereinigten Staaten und Kanada keine Möglichkeit fest, mit der ein Staat als Sponsor des Terrorismus bezeichnet werden kann", heißt es im Text der Resolution. Diese Resolution ist rechtlich nicht bindend, Russland wurde bereits von einer beispiellosen Anzahl von Sanktionen getroffen, und es kommen ständig weitere hinzu. Was hofft also Brüssel zu erreichen, abgesehen davon, dass es zu einer vom Westen angeführten PR-Nummer beiträgt, "Russland" und "Terrorismus" in den Köpfen der Öffentlichkeit zu verschmelzen?
Das Parlament hat die vergangenen Jahre damit verbracht – lange bevor der Ukraine-Konflikt glühend heiß wurde –, neben tatsächlichen Terrorgruppierungen wie ISIS auch auf Russland zu verweisen. "Die Abgeordneten des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten kamen in einer Resolution zum Schluss, dass der Propagandadruck von Russland und von islamistischen Terrororganisationen auf die EU wächst", kündigte beispielsweise Straßburg bereits im Oktober 2016 an. Es ist eine besonders ungeheuerliche Vermischung von "Terrorismus", "ISIS" und "Russland", da Moskau damals auf Einladung von Präsident Baschar al-Assad an vorderster Front im Kampf gegen die Brutstätte des Islamischen Staates in Syrien stand, gegen die von Washingtons mit Ausbildung und Ausrüstung unterstützten "syrischen Rebellen", von denen sich einige schließlich einer tatsächlichen dschihadistischen Gruppe anschlossen: Al-Qaida.
Die Resolution von vergangener Woche kehrt die Geschichte einfach um, indem sie die Regierung Syriens als terroristisch bezeichnet. "Russland hat terroristische Regime und Organisationen unterstützt und finanziert, insbesondere das Assad-Regime in Syrien, an das Russland Waffen geliefert hat und zu dessen Verteidigung es vorsätzliche Angriffe auf die syrische Zivilbevölkerung verübt hat", heißt es in der Resolution.
In ähnlicher Weise hatte die EU ganze acht Jahre Zeit, um die westliche Ausbildung, Ausrüstung und Finanzierung von Kämpfern des Bataillon Asow anzuprangern – nichtstaatliche Gewalttäter in der Ukraine, die zuvor von der westlichen Presse als regelrechte Neonazis bezeichnet wurden –, bevor sie in Mariupol eingekesselt und in Freiheitskämpfer gegen Russland umbenannt wurden. Der demokratische US-Kongressabgeordnete Ro Khanna wies bereits 2018 darauf hin, dass das Finanzierungsgesetz des US-Kongresses seit Jahren kein Wort mehr darüber enthält, mit dem die Lieferung amerikanischer Waffen und die Finanzierung "einer umstrittenen ultranationalistischen Miliz in der Ukraine, die offen Neonazis in seine Reihen aufgenommen hat", verboten wird.
Während die EU nichts unternommen hat, um den Konflikt in der Ukraine zu verhindern oder zu beenden – zum Beispiel indem man sich geweigert hätte, die eigene billige Energieversorgung aus Russland zu kappen und stattdessen darauf gepocht hätte, dass Kiew und sein Hauptgönner Washington die Dinge mit Moskau regeln –, verschärft die Resolution die antirussische Rhetorik der EU zusätzlich.
"Russlands Versuch, Energieexporte als Instrument geopolitischen Zwangs zu nutzen, läuft darauf hinaus, Energielieferungen als Waffe einzusetzen", heißt es dort und ignoriert die Tatsache, dass es EU-Beamte sind, die damit prahlen, ihre eigene Energieversorgung "für die Ukraine" gekappt zu haben.
"Die Beschädigung der Pipelines Nord Stream 1 und 2 am 26. September 2022 führte zu großen Gaslecks in der Ostsee, was auch einen Angriff auf die Umwelt der EU darstellt", heißt es in der Resolution weiter und impliziert ohne jegliche Beweise vorzulegen, dass es unbestreitbar Russland war, das seine eigene Energieinfrastruktur in die Luft gesprengt hat, anstatt vielleicht gewisse westliche Interessengruppen, die eine Abhängigkeit der EU von ihren eigenen Gasverkäufen sichern wollen.
Die Resolution auf EU-Ebene ist nicht bindend, was bedeutet, dass es sich größtenteils um einen symbolischen Beschluss handelt. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat wiederholt Aufrufe des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij zurückgewiesen, Russland eine ähnliche Bezeichnung anzuhängen. So auch US-Präsident Joe Biden, der zugab, dass ein solcher Schritt nach hinten losgehen könnte, was wiederum Auswirkungen auf die amerikanische Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte haben könnte.
Amerikas eigene Verwendung der Bezeichnung "Terrorismus" passt wunderbar zu seiner außenpolitischen Agenda. Die iranische Oppositionsgruppe Mudschaheddin-e-Khalq (MeK) wurde bequemerweise von Washingtons offizieller Liste terroristischer Organisationen gestrichen, als mehrere hochkarätige US-Beamte damit begannen, die Gruppierung zu hofieren, um über einen Regimewechsel in Iran zu sprechen. Als der frühere Präsident Donald Trump versuchte, mit seinem Abraham-Abkommen einen Erfolg bei der Sicherung des Friedens im Nahen Osten zu erringen, ließ er vor dem Sudan die Karotte der Streichung aus der Liste der terroristischen Staaten baumeln, wenn das Land sich mit Israel friedlich arrangieren würde. Kuba wurde vom ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama von der Terror-Liste gestrichen, als er eine Politik der Normalisierung der Beziehungen mit Havanna verfolgte. Trump jedoch setzte Kuba erneut auf die Liste und befriedigte damit seine Wählerbasis.
Jetzt ist also offenbar die EU an der Reihe, das Etikett "Terrorismus" zu verteilen, um die Aufmerksamkeit von den eigenen schlechten Entscheidungen der Union abzulenken, unter denen ihre Bürger weiterhin leiden.
Übersezt aus dem Englischen.
Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com
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