Erdoğan spielt Tischtennis – Deutsche Medien über die vertiefte Zusammenarbeit Eurasiens
Von Gert Ewen Ungar
Mitte Oktober fand in der kasachischen Hauptstadt Astana die Konferenz für Zusammenarbeit und vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA) statt. Zur Konferenz kamen Vertreter aus 27 Ländern, die insgesamt die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren. Neben dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahmen auch der weißrussische Präsident Aleksander Lukaschenko sowie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teil. Wegen des anstehenden Parteikongresses konnte Chinas Präsident Xi Jinping nicht nach Kasachstan reisen. Er entsandte seinen Vize. Indien nahm ebenso teil wie Pakistan, neben dem Iran waren Vertreter der Golfstaaten anwesend. Wie auch der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) gelingt es auch in diesem Format, Länder mit unterschiedlichen Interessen zusammen an einen Tisch zu bringen, um eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln.
Verabredet wurde bei dieser Konferenz die weitere Vertiefung der Struktur und der Umbau des Formats hin zu einer vollwertigen internationalen Organisation. Im Klartext heißt das, die teilnehmenden Staaten verabredeten die Gründung einer Organisation ähnlich der OSZE für den asiatischen Raum – nur eben wesentlich größer.
Erstaunlich ist, was deutsche Medien daraus machen. Die meisten einfach nichts. Das Ereignis hat für den deutschen Medienkonsumenten nicht stattgefunden. Das war bereits beim Treffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) der Fall, das im September stattfand. Auch dieses Treffen fand für den deutschen Mediennutzer praktisch nicht statt, obwohl es für den eurasischen Kontinent von kaum zu unterschätzender Bedeutung war.
Auch über CICA gibt es nur wenige Berichte. Die Berliner Zeitung titelt: "Klassentreffen in Kasachstan. Wie man sich auf Putin, Erdoğan und Co. vorbereitet". Einen Gipfel mit Vertretern von Ländern, welche die Hälfte der Weltbevölkerung repräsentieren, als "Klassentreffen" zu bezeichnen, hat desinformierenden Charakter. Im Beitrag selbst erfährt man dann, dass viele Russen aus Furcht vor Rekrutierung im Rahmen der Teilmobilmachung nach Kasachstan gereist sind, die meisten hätten das Land aber bereits wieder verlassen. Ansonsten vermerkt der Autor noch, Putin habe 30 Sekunden auf seinen kirgisischen Amtskollegen Sadyr Dschaparow, auf Erdoğan sogar 50 Sekunden warten müssen. Vermutlich soll das die russische Isolation illustrieren, von der in Deutschland behauptet wird. In den sozialen Netzwerken gab es laut Berliner Zeitung kritische Wortmeldungen von gleich mehreren (!) Usern zum Besuch Putins.
Auch der Spiegel lässt das Treffen nicht ganz unter den Tisch fallen. Seinen Bericht überschreibt er mit "Autokraten-Tischtennis mit Erdoğan. Athleten auf dem Höhepunkt ihres Schaffens". Am Rande des Gipfels lieferten sich Erdoğan und sein kasachischer Amtskollege Kassym Tokajew ein Tischtennis-Match. Der Spiegel informiert seine Leser zwar nicht über den Gipfel, aber über die ungewöhnliche Handhabung Erdoğans der Tischtenniskelle. "Sagen, was ist", war einst das Motto, das Spiegel-Gründer Augstein seinen Journalisten mit auf den Weg gab. Aus ihm wurde "Verschweigen, was ist, und das Nebensächliche zum Thema aufblasen".
Bei der Tagesschau kommt das Treffen ebenfalls nur am Rande vor. Erdoğan und Putin haben die Schaffung eines Gas-Hubs verabredet, um Europa weiterhin mit russischem Gas versorgen zu können. Die Türkei soll dabei künftig Deutschland als Umschlagplatz für russisches Gas ablösen. Diese Einigung erzielte man am Rande des CICA-Gipfels in Astana, erfährt der Zuschauer. Von der dort verabredeten, tieferen Integration des eurasischen Kontinents unter Auslassung der EU erfährt der Tagesschau-Konsument dagegen nichts.
Auf dem Astana-Gipfel wurden für den eurasischen Kontinent weitreichende Verabredungen getroffen. Wichtigstes Ergebnis: Die Aufwertung des Formats zur internationalen Organisation, die sowohl die wirtschaftspolitische als auch die sicherheitspolitische Integration des eurasischen Raums bis an die Grenzen der EU vorantreiben will. Dem deutschen Medienkonsumenten wird diese Entwicklung verschwiegen, bei der die EU noch nicht einmal Zaungast ist. Das Verschweigen ist kein Versehen, kein Ausrutscher.
Die in Astana verabredete Kooperation ist Ausdruck der Verschiebung der geopolitischen Kräfte-Verhältnisse. Die Vertiefung der Zusammenarbeit um die neuen Machtzentren in einer multipolaren Welt unter Ausschluss der alten Mächte nimmt immer deutlichere Gestalt an. Es bilden sich transnationale Organisationen, auf die der Westen keinen Einfluss hat. Er nimmt nicht teil. Westliche und deutsche Medien behaupten dagegen weiterhin die Hegemonie des Westens. Sie behaupten angesichts des Sanktionsregimes zudem eine Isolation Russlands, die den Fakten nicht entspricht. Also werden die Fakten einfach weggelassen. Am geschichtlichen Ablauf ändert die deutsche Vogel-Strauß-Berichterstattung natürlich nichts. Die Machtpole verschieben sich. Der Westen, allen voran die EU wird unbedeutender.
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