Bittsteller Scholz am Golf – Wenn aus moralischem Anspruch Scheinheiligkeit wird
Von Gert Ewen Ungar
Selbst die medialen Sprachrohre der Bundesregierung wie die Tagesschau äußern sich zur Reise des Bundeskanzlers an den Persischen Golf verhalten skeptisch. Das will was heißen, denn Kritik an der Bundesregierung hat in den großen deutschen Medien inzwischen Seltenheitscharakter.
Bundeskanzler Olaf Scholz erreichte bei seinem Besuch von drei Ländern in zwei Tagen immerhin, dass es eine Lieferzusage gibt. Zum Jahreswechsel sollen 137.000 Kubikmeter Gas aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert werden. Einmalig. Das war's. Außerdem noch 250.000 Tonnen Diesel pro Monat, ebenfalls von dort. Diese Lieferzusagen liegen angesichts der russischen Lieferkapazitäten und dem tatsächlichen Verbrauch Deutschlands eher im homöopathischen Bereich. Aber ein Anfang sei damit gemacht, heißt es in Regierungskreisen. Man hat einen Fuß in der Tür. Immerhin.
Wer sich jedoch an die Argumentation um die russischen Energielieferungen zurückerinnert, reibt sich nun verwundert die Augen. Russland sei ein autokratischer Staat, der die Ukraine überfallen hat, weswegen das Land zu bestrafen sei. Man werde Moskau daher künftig keine Einnahmen aus dem Energiegeschäft mehr generieren und sich nach anderen Lieferanten umsehen. Auf diese Weise werde man der russischen Regierung den Geldhahn zur weiteren Finanzierung des Krieges abdrehen. Man werde sich neue Partner suchen, verlässlichere, moralisch höherwertige.
Diese neuen Partner wurden jetzt am Persischen Golf gefunden. Die Vorzeigedemokratien Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate sollen Deutschland mit ihren Energielieferungen aus der Abhängigkeit vom autoritären Russland befreien. Der Krieg im Jemen wird dabei ebenso ausgeklammert wie Menschenrechtsfragen oder das Lieblingsthema des deutschen politischen Establishments, die Frage nach LGBT-Rechten. All das, was für Russland gilt, gilt für die Staaten am Golf nicht. Die Bundesregierung agiert nicht nur unglaubwürdig, sondern krankhaft schizophren.
Es ist ein absoluter Witz, was die Bundesregierung hier aufführt. Ein tragischer Witz. Ein Witz auf Kosten der deutschen Verbraucher. Während sie auf der einen Seite das deutsch-russische Verhältnis mit eskalierender, konfrontativer Politik für Generationen beschädigt, fördert sie auf der anderen Seite tatsächlich repressive Regime und zementiert dort mit ihrem Kotau die Herrschaftsverhältnisse. Scholz behauptet zwar, er habe die notwendigen Themen angesprochen – ohne zu spezifizieren, was er genau meint. Aber es ist auch klar, dass Scholz als Bittsteller überhaupt nicht in der Position ist, Bedingungen zu stellen. Die Bundesrepublik tritt hier nicht als souveräner Partner auf. Sie ist daher auch nicht in der Lage, Verträge an die Einhaltung von Grundrechten zu binden. Scholz steht im moralischen Abseits und er weiß das.
Die Bundesregierung hat sich mit ihrer Absage an russische Energieträger selbst schachmatt gesetzt. Sie muss jetzt nehmen, was der Markt ihr bietet, und nach den Regeln, die der Markt macht. Wenn es dringend ist, wenn es wenige Anbieter gibt und der Druck hoch ist, dann wird es teuer, dann diktiert der Anbieter die Bedingungen und den Preis. Für moralische Fragen bleibt da wenig Raum. Und wenn man den Markt durch die eigene Sanktionspolitik nochmals verengt hat, dann muss man eben buckeln und zu Kreuze kriechen. Der Kanzler macht der Welt vor, wie es geht.
Weiterhin kooperieren die Golfsaaten immer enger mit China. Sowohl Saudi-Arabien als auch Katar wurden beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zu Dialogpartnern. Auch den Golfstaaten ist klar, dass die Musik künftig nicht mehr im Westen spielt.
Besonders paradox sind im Zusammenhang mit dem Besuch von Scholz am Golf die zugesagten Lieferungen von Diesel. Die Golfstaaten importieren in zunehmendem Maße Rohöl aus Russland. Ein ausgesprochen gutes Geschäft, denn aufgrund der Selbstkasteiung westlicher Länder, sind die arabischen Staaten in der Lage, das importierte Öl und die daraus raffinierten Produkte mit hohen Gewinnen weiter zu veräußern.
Deutschland wird auf jeden Fall russische Energieträger verbrauchen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis? Deutschland macht gerade die Erfahrung, dass der Markt für Energieträger nicht aufgebaut ist wie ein Supermarkt, wo man sich aus einer Vielzahl von Produkten eines nach seinen individuellen Verbraucher-Kriterien aussuchen kann. Die moralische Hybris jedenfalls, mit der Deutschland gegenüber Russland auftritt, ist voller Scheinheiligkeit. Der Besuch von Scholz in den Golfstaaten führt das in aller Deutlichkeit vor.
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