Nach der ukrainischen Eroberung beginnt das Schlachten der Zivilbevölkerung
von Gert Ewen Ungar
Die Ukraine führt seit einigen Tagen ihre lange angekündigte Gegenoffensive durch. Sie war dabei erfolgreich. Die alliierten Truppen zogen sich weitgehend kampflos zurück und gruppieren sich neu. Die Ukraine besetzt nun große Gebiete, die bisher von den alliierten Truppen - der Donbasser Volksmiliz und russischen Kräften - gehalten wurden.
In westlichen Medien wird dieser Vorstoß als "Rückeroberung" gefeiert. Man träumt von einer Kehrtwende, durch die die Ukraine ihre "territoriale Integrität" zurückerobert. Zur Unterstützung dieser Entwicklung werden erneut Forderungen nach verstärkter Lieferung schwerer Waffen laut.
Die Folgen für die Zivilbevölkerung werden von deutschen Medien und in der deutschen Politik nicht thematisiert.
Dort ist man sich einig, dass es sich beim Einmarsch Russlands um einen Akt der Aggression handelt, der einen Völkerrechtsbruch darstellt und daher zu verurteilen ist. Die Ukraine ist das unschuldige Opfer russischer Gewalt, ist man sich in Deutschland über Parteigrenzen hinweg einig. Waffenlieferungen sind daher nicht nur gerechtfertigt, sondern notwendig, ist das Argument. Auch Vertreter von "russlandfreundlichen" Positionen stellen eine Verurteilung des "russischen Überfalls" als Einleitung ihren Forderungen nach Verhandlungen und einer diplomatischen Lösung voran.
Dabei mehren sich die Zeugnisse, dass diese "Rückeroberung" mit einem Rachefeldzug gegen die russischsprachige Bevölkerung und gegen all jene einhergeht, welche in der Einnahme der Territorien durch die alliierten Kräfte eine "Befreiung" sahen. Es mag in Deutschland verwundern, aber die russische Armee wird im Donbass nicht als Besatzer gesehen. Zumindest nicht von der Mehrheit.
Die Ukraine liefert nun den Beweis, dass die Begründung für die "militärische Spezialoperation", in der Ukraine einen Genozid zu verhindern, von Russland nicht frei erfunden war.
Auf dem Messenger-Dienst Telegram schießen die Internet-Pranger wie Pilze aus dem Boden. Wie beispielsweise dieser hier. Diese Gruppe listet mutmaßliche Kollaborateure und Verräter der Kleinstadt Woltschansk auf. Es ist eine Einladung zur Lynchjustiz. Die dort Angeprangerten sind einfache Bürger.
Die Vorwürfe sind immer die Gleichen. Lehrern wird vorgeworfen, in russischer Sprache unterrichtet zu haben, Beamten die Zusammenarbeit mit russischen Behörden. Wer einen russischen Pass beantragt hat, machte sich schuldig. Das Denunziantentum läuft in der Ukraine zur Hochform auf.
Kiew hat erst kürzlich den Pflegeeinrichtungen im Regierungsbezirk Charkow verboten, Hilfe aus Russland anzunehmen. Die Annahme von sowohl Medikamenten als auch Lebensmitteln ist untersagt. Selbst die Annahme der russischen Staatsbürgerschaft steht unter Strafe.
Der ukrainische Einmarsch hat daher eine umfassende Fluchtbewegung aus dem Donbass in Richtung Russland ausgelöst. Seit Beginn des Konflikts hat Russland nach offiziellen Angaben mehr als vier Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Diese Flüchtlinge berichten von ukrainischen Gräueltaten, von zielgerichteten Attacken auf Zivilisten, von Plünderungen und anderen Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee. Sie erzählen von einer Verherrlichung des Faschismus schon in Schulbüchern. Von alledem will man im Westen nichts wissen. Die Ukraine ist in diesem Krieg das Opfer. Wer etwas anderes behauptet, wird mundtot gemacht. Faschismus ist eine ansteckende Krankheit.
Dabei sind die Zeugnisse der Vorgänge öffentlich. Ukrainische Soldaten und ausländische Kombattanten verkünden in den sozialen Netzwerken lachend und mit vor Stolz geschwellter Brust ihren Willen, die "Orks", den russischen Untermenschen, auszumerzen. Jetzt ist die Gelegenheit dazu endlich gekommen, lassen sie ihre Zuschauer wissen.
Viel dreht sich um die russische Sprache. Die Verwendung im öffentlichen Raum ist in der Ukraine gesetzlich untersagt. Die Diskriminierung der russischen Sprache war mit ausschlaggebend für die Eskalation im Osten der Ukraine. Die EU hält sich angesichts der offensichtlich diskriminierenden Sprachgesetze weitgehend bedeckt. Sie deckt übrigens ähnlich diskriminierende Gesetze gegen die russische Sprache im Baltikum. Die Vorgänge in der Ukraine beweisen in diesem Moment, dass alle Besorgnis Russlands absolut berechtigt war - die Ukraine ist bereit zum Genozid.
Die Ukraine ist ein tief gespaltenes Land, in dem ein kruder Nationalismus gezüchtet wurde. Die Ukraine wurde durch westliche Einflussnahme zu einer Hölle aus Hass. Daran war und ist auch Deutschland beteiligt. Unter vielen anderen Akteuren gießt der mit staatlichen Geldern unterstützte Thinktank "Zentrum Liberale Moderne" in voller Absicht und mit Kenntnis dessen, was er dort tut, Öl ins ohnehin schon hell lodernde nationalistische Feuer. Doch dieser Thinktank ist nicht allein. Die Heinrich-Böll-Stiftung tut das ebenso wie andere parteinahe Stiftungen und staatlich geförderte NGOs. Damit ist Deutschland für das mitverantwortlich, was in den nächsten Tagen und Wochen in der Ukraine passieren wird.
Natürlich kann Politik auch dieses Mal auf die deutschen Medien vertrauen, die über die Pogrome in der Ukraine den Mantel des Schweigens breiten werden. Das allerdings macht sie nicht ungeschehen. Man weiß außerhalb der westlichen Hemisphäre sehr wohl, wer die Waffen in großer Zahl liefert, mit denen ukrainische Zivilisten getötet werden.
Generell ist anzumerken, dass der Westen überall dort, wo er einfällt, Extremismus züchtet. Auch in Belarus stärkte westliche Einflussnahme nationalistische Kräfte. In Nahost fördert der Westen Islamismus, wenn er seiner Sache nach einem Staatsstreich dienlich ist. In der Ukraine wurde ein rechter Nationalismus gefördert, der übrigens allen so oft beschworenen Werten der EU völlig widerspricht.
Offener Rassismus, Lynchjustiz, Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung bis hin zu physischer Gewalt, Folter und Mord - all das, wofür die Ukraine ohnehin schon steht, wird sich in den nächsten Tagen noch einmal verstärken. Das ist es, was die Kiewer Regierung für diejenigen Ukrainer darstellt, die für sich in Anspruch nehmen, auf dem Gebiet der Ukraine in ihrer russischen Muttersprache zu kommunizieren. Die Obrigkeit in Kiew steht für einen gewichtigen Teil der ukrainischen Bevölkerung nicht für westliche Werte, Demokratie oder Freiheit, sondern für Unterdrückung und Diskriminierung. Es wäre an der Zeit, dies auch in Deutschland zur Kenntnis zu nehmen. Die deutschen Medien schwiegen und schweigen zu den Gewaltexzessen in der Ukraine. Das macht dann aber gleichzeitig der Welt deutlich, dass Deutschland eben nicht an der Seite des Rechts und der Gerechtigkeit steht.
Will sich der Westen, will sich Deutschland tatsächlich für Frieden einsetzen, muss Politik in Deutschland zu den Werten zurückkehren, von denen Minsk 2 getragen war. Das umfasst den Schutz der russischen Sprache zumindest in den Regionen, in denen sie gesprochen wird. Das umfasst auch die Anerkennung und den Schutz der kulturellen Identität der Menschen in der Ostukraine.
Es ist völlig unverständlich, wie die "territoriale Integrität" wiederhergestellt werden soll, ohne dass es diese Form der Anerkennung gibt. Der Westen und mit ihm Deutschland hat diese Kultur des Miteinanders in Vielfalt in der Ukraine zerstört. Der Ablösungsprozess der Ostukraine ist ein Resultat westlicher Intervention.
Es ist mir völlig unverständlich, wie sich deutsche Politik einen Aussöhnungsprozess vorstellt, in dem die Massaker und das Bombardement von Zivilisten so verarbeitet werden, dass ein friedliches Zusammenleben wieder möglich wird. Ich würde dazu gern einmal einen Vorschlag von einem der selbsternannten Ukraine-Experten wie Ralf Fücks vom Zentrum Liberale Moderne, von Annalena Baerbock (Die Grünen) oder der Rheinmetall-Lobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hören. Die territoriale Integrität der Ukraine wurde durch deutsche Intervention zum Scheitern gebracht.
Das, wovon die nächsten Tage Zeugnis ablegen werden, ist, wie unmöglich dieser Aussöhnungsprozess und wie notwendig die Abtrennung der Südost-Ukraine vom Kernland ist. Diese Grenze dient dem Schutz der russischsprachigen Bevölkerung vor einem Genozid, zu dem die westliche Einflussnahme aufstachelt. Russland weiß darum, Deutschland will es allerdings nicht wahrhaben.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.