Meinung

Auf zur nächsten Impfung? Eine STIKO-Empfehlung mit Risiken

Die Ständige Impfkommission empfiehlt eine "weitere Auffrischimpfung" gegen COVID-19 nun für "Vorerkrankte" und über 60-Jährige. Doch einige Daten widersprechen ihrer Begründung, andere fehlen ganz, ebenso wie eine nachvollziehbare Risiko-Nutzen-Analyse.
Auf zur nächsten Impfung? Eine STIKO-Empfehlung mit RisikenQuelle: www.globallookpress.com © www.imago-images.de

von Susan Bonath

Auf zur vierten, fünften oder gar sechsten Impfung gegen Corona? Nur zu, ermuntert die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut (RKI) nicht nur alle über 60-Jährigen. Auch Pflegekräften und Vorerkrankten ab einem Alter von fünf Jahren empfiehlt sie den nächsten Stich sechs, in Ausnahmefällen vier Monate nach dem vorherigen. Doch die immergleiche Begründung wird zunehmend unplausibler.

Die STIKO verzichtet diesmal ganz und gar darauf, zu beziffern, um die die wievielte Impfung es überhaupt gehen soll. Es muss nicht unbedingt die vierte sein, denn 24 Prozent der über 60-Jährigen haben diese laut RKI bereits, und die könnte bei einigen sogar bald länger als vier bis sechs Monate zurückliegen. Diesen Abstand empfiehlt die STIKO nämlich. Zwar gibt es für so ein Impfabonnement keine ernstzunehmenden Studien, aber egal, das Motto scheint zu sein: Immer noch mal nachlegen, wenn's nicht genug wirkt.

Wichtige Daten fehlen weiterhin, die vorhandenen ermöglichen weder eine nachvollziehbare Abwägung von Risiken und Nutzen, noch überhaupt irgendwelche Aussagen zur tatsächlichen Krankheitslast in der Bevölkerung, gegen die man sich schützen soll. Die Daten stützen auch nicht ihre folgende Behauptung:


"Durch eine weitere Auffrischung mit den verfügbaren Impfstoffen wird in den genannten Personengruppen weiterhin ein sehr hoher Schutz gegen schwere COVID-19-Verläufe erzielt. Es ist daher für die genannten Risikogruppen nicht empfohlen, auf einen angepassten Impfstoff zu warten und eine indizierte Impfung zu verschieben."

"Sehr hoher Schutz"?

Der angeblich "sehr hohe Schutz" vor einem schweren Verlauf ist mangels Fremdschutz das Impf-Lockmittel seit vielen Monaten. Das impliziert, man brauche nur ausreichend Spritzen, um nicht auf einer Intensivstation zu landen. Die Daten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die das RKI in seinen Wochenberichten publiziert, sagen etwas anderes.

Demnach sackte der Anteil der ungeimpften Intensivpatienten irgendwann im März sogar unter diesen in der Gesamtbevölkerung und verharrt seither auf diesem niedrigen Niveau. Der Anteil der drei- und mehrfach Geimpften ist dabei erschreckend hoch. Für den gesamten März registrierte die DIVI noch knapp 24 Prozent ungeimpfte Patienten, das entsprach ihrem Anteil im Land allgemein. Im April lag dieser mit 20,3 Prozent schon unter jenem in der Bevölkerung (23,4 Prozent). Im Mai meldete der Verband schließlich nur noch 15,5 Prozent Ungeimpfte, fast acht Prozentpunkte weniger als in der Bevölkerung. Seither schwankt ihr Anteil zwischen etwa 14 und 16 Prozent.

Interessant ist auch der hohe Anteil drei- und vierfach Geimpfter auf den Intensivstationen: Seit Juni beziffert ihn die DIVI mit durchweg fast 70 Prozent, zwischen 13 und 14 Prozent hatten sogar vier Spritzen. Beide Zahlen übersteigen ebenfalls die jeweilige Impfquote in der Gesamtbevölkerung.

Das RKI kontert auf Nachfragen, man könne diese Zahlen nicht vergleichen. Denn das Alter der Patienten sei nicht angegeben. Man erhebt es einfach nicht und basta. Doch selbst wenn man es täte, änderte dies nichts an den hohen Zahlen zwei-, drei- und vierfach Geimpfter auf den Corona-Intensivstationen. Das erweckt natürlich Misstrauen, wenn es in seinem Monatsbericht behauptet, Ungeimpfte hätten, je nach Alter, ein etwa drei- bis fünfmal so hohes Risiko, schwer zu erkranken.

Fortgesetzte Intransparenz

Als Berechnungsgrundlage für seine Behauptung präsentiert das RKI sogar 107 Intensivfälle mit COVID-19 nach ihrem Impfstatus. Doch nicht nur, dass die Berechnung anhand dieser Fälle auch nicht nachvollziehbar ist: Es handelt sich dabei um nicht einmal drei Prozent der laut DIVI tatsächlichen 3.639 Behandlungsfälle in dem abgebildeten Vier-Wochenzeitraum.

Auf die Frage, nach welchen Kriterien das RKI die Fälle denn herauspickt, erklärte das dem Gesundheitsministerium unterstellte Bundesinstitut lediglich: Man könne nur die Fälle einbeziehen, für die es genügend Daten, wie eine Altersangabe gibt. Und warum erhebt es sie dann nicht? Hier kommt sinngemäß nur Folgendes: Machen wir eben nicht, basta.

Da die Pandemie nicht erst gestern begann und das seit vielen Monaten so läuft, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich hierbei schlicht um fehlenden Willen handelt, entsprechende Daten anzufordern. Wenn Intensivstationen den Impfstatus von Patienten übermitteln können, wäre wohl auch eine Altersangabe möglich. Und eine Berechnung, die nicht einmal auf einer nachvollziehbaren Grundlage fußt, ist erst einmal nur eine bloße Behauptung. Zur Erinnerung: Es geht um Daten, mit denen die STIKO ihre Hauptbegründung für die Impfempfehlung schon aus Sicherheitsgründen untermauern müsste.

Aufgebauschtes Krankheitsrisiko

Auch das nächste Problem ist ein alter Hut: Es wird noch immer nicht unterschieden, ob jemand wegen oder nur mit Corona behandelt wird. Bereits im Januar berichtete der FOCUS, dass immer mehr Patienten nur zufällig positiv getestet würden. Das ist aktuell auch in der österreichischen Hauptstadt Wien nicht anders, wie Der Standard jüngst mitteilte.

Flächendeckende Daten dazu gab es nie. Bestenfalls die eine oder andere Klinik oder Kommune schaut hier einmal genauer hin. Um Entsprechendes zu finden, muss man schon sehr gut suchen. So teilte beispielsweise die Stadt Halle am 12. August mit , dass von neun gemeldeten "Coronatoten" binnen einer Woche lediglich zwei tatsächlich an COVID-19 starben. Zwischen zwei und neun liegt ein gewaltiger Unterschied.

Mit anderen Worten: Die Krankheitslast in der Bevölkerung ist offensichtlich weit geringer als stets behauptet wird. Man kann also nicht einmal sagen, wie viele schwere Coronafälle tatsächlich aufgetreten sind und damit auch nicht, wie viele Menschen in den einzelnen Altersgruppen geimpft werden müssen, um einen solchen zu verhindern. Es fehlt damit bereits an den banalsten Erhebungen, um auch nur ansatzweise die Wirksamkeit der Vakzine bemessen zu können.

Aktuelle Sicherheitsdaten fehlen

Von Impfnebenwirkungen ist in der STIKO-Mitteilung indes keine Rede. Dabei müsste sie eigentlich Nutzen und Risiko gegeneinander abwägen. Die STIKO ist eine ehrenamtliche Kommission am RKI, die keine eigene Pressestelle hat. Fragt man das RKI nach dem Grund, verweist es trotzdem an die STIKO sowie an das für die Impfstoffsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI).

Der Datenstand des PEI reichte am 19. August bis lediglich Ende März. Auf seiner Webseite heißt es dazu, ein neuer Sicherheitsbericht mit Meldezahlen bis Ende Juni sei in Arbeit. Schon die letzten Erhebungen des PEI dieser Art erschienen immer seltener und mangelhafter. Immer mehr grundlegende Informationen fehlten. Zuletzt beschränkte es sich auf eine abstrakte Promilleangabe zu schweren Impfnebenwirkungen, gemessen an den verabreichten Impfdosen. Für Kinder und Jugendlichen fehlten diese sowie Daten zu Todesfällen zuletzt ganz und gar.

Erst auf mehrfaches Nachhaken gab es im Juni konkrete Zahlen preis: Knapp 37.000 schwerwiegende Nebenwirkungen seien bis März 2022 insgesamt aufgetreten, darunter gut 1.200 bei Minderjährigen. Neun Kinder seien kurz nach der Impfung verstorben. Insgesamt gab es 2.810 Todesfälle nach der Impfung. Rechtsmedizinisch untersucht werden davon die wenigsten.

Kampf gegen Windmühlen

Eine Nachfrage der Autorin vom Donnerstag, wann es den nächsten Bericht veröffentlichen wolle, beantwortete das PEI bis Freitagnachmittag nicht. DIVI-Sprecher Jochen Albrecht verwies an das RKI, denn dieses habe "die Kommunikation zu allen Themen rund um das DIVI-Intensivregister kürzlich übernommen".

Das RKI erklärte am Freitag, man sei zu beschäftigt und könne so rasch nicht antworten. Gefragt wurde, wie alt die Intensivpatienten in den zurückliegenden Monaten waren und wie viele wirklich wegen COVID-19 behandelt wurden. Allerdings war schon in der Vergangenheit auf ähnliche Fragen nichts Substantielles vom RKI (und anderen Behörden) zu erfahren. Die Kommunikation mit den verantwortlichen Behörden gleicht einem Kampf gegen Windmühlen.

Personalnot, Inkompetenz oder Vorsatz?

Man kann das Ganze so zusammenfassen: Die STIKO veröffentlicht eine Impfempfehlung, ohne sie mit Daten aus Deutschland, sowohl hinsichtlich des Nutzens als auch der Risiken, begründen zu können. Ihrer Behauptung von einem "sehr hohen Schutz vor schwerem Verlauf" widersprechen die Daten von den Intensivstationen, wonach der Anteil geimpfter Patienten sogar höher ist, als in der Bevölkerung.

Diese Daten wertet das zuständige RKI, auf das sich die dort ansässige STIKO beruft, aber nicht weiter aus. Stattdessen leitet es aus einem intransparent herausgepickten Anteil von nicht einmal drei Prozent der Intensivpatienten bestimmte Impfwirksamkeiten gegen schwere Verläufe ab, die nicht nur fragwürdig erscheinen, sondern die auch niemand nachprüfen kann.

Auf eine öffentliche Risikoabwägung bezüglich der Impfstoffe verzichtet die STIKO einfach gänzlich. Das zuständige PEI hat dafür keine aktuellen Daten parat, und die veralteten Zahlen belegen zumindest eins: Für keinen anderen Impfstoff gingen bisher so viele Meldungen für mutmaßliche schwere Nebenwirkungen und Todesfälle ein, wie für die Corona-Vakzine.

Insgesamt ist nicht einmal klar, wie hoch das reale Risiko für bestimmte Personengruppen derzeit überhaupt ist, schwer zu erkranken. Man weiß also nicht, wogegen man man sich nun zum vierten oder fünften Mal impfen lassen soll.

Dass die Intensivstationen trotz der vielen gefundenen Testpositiven insgesamt immer noch leerer sind, als vor der Pandemie, wie aus dem Datenbrowser des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) hervorgeht, wird zwar gern den Impfstoffen zugeschrieben. Viel eher aber liegt es daran, dass sich das Virus abgeschwächt hat. Andernfalls wären die Stationen wohl voll mit Ungeimpften.

Es mangelt demnach an der Einhaltung wissenschaftlicher Minimalstandards, um auch nur irgendwas in Sachen Pandemie, schon ganz und gar den Nutzen immer neuer Impfungen, adäquat beziffern zu können. Über den Grund lässt sich nur spekulieren. Ist es Personalmangel in den Instituten? Das hätte man in zweieinhalb Jahren vermutlich ändern können – und müssen, nicht nur um Gefahren für die Bürger zu minimieren, sondern um überhaupt Grundrechte einschränken zu dürfen. Andernfalls bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Inkompetenz oder Vorsatz.

Mehr zum Thema – Wie die Regierung die Öffentlichkeit mit Daten zu gemeldeten Impfnebenwirkungen täuscht

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