Liebesgrüße aus Caracas – Normalisierung der Beziehungen zwischen Venezuela und Kolumbien
von Maria Müller
Man nähert sich an – mit karibischem Gefühl. Zum 212. Jahrestag der Unabhängigkeit Kolumbiens sandte der venezolanische Präsident Nicolás Maduro Glückwünsche über die gemeinsame Grenze nach Kolumbien. Wörtlich:
"Wir träumen von Gemeinsamkeit und endgültigem Frieden. Wir lieben die Kolumbianer zutiefst",
lautete die frohe Botschaft am 20. Juli. Und weiter:
"Venezuela sendet einen Gruß der Brüderlichkeit und Zuneigung an das bolivarianische Kolumbien und an sein Volk, das seit 212 Jahren den Tag feiert, an dem es seine ersten Schritte in Richtung Unabhängigkeit unternahm",
schrieb der Präsident auf seinem Twitter-Account.
Das venezolanischen Außenministerium würdigte ebenfalls auf Twitter den Festtag mit einer Veröffentlichung über die Unabhängigkeit Kolumbiens:
"Am 20. Juli 1810 führte der Kampf zwischen einem Kreolen und einem Spanier zu einer Auseinandersetzung, an deren Ende die Unterzeichnung des Unabhängigkeitsvertrages durch das Vizekönigreich von Neu-Granada stand. Es folgten intensive Freiheitskämpfe gegen die spanische Krone."
Gerade noch rechtzeitig einen Stellvertreterkrieg vermieden
Das Thema war nicht von ungefähr Anlass für die ersten offiziellen Grüsse zwischen zwei Nachbarstaaten, die am Rand eines Krieges standen, eines Stellvertreterkrieges, der von den Vereinigten Staaten seit Jahren vorbereitet und angeheizt wurde. Gerade noch rechtzeitig konnte sich das kolumbianische Volk von dieser Katastrophe befreien. Es wählte Gustavo Petro und Francia Márquez zur neuen Regierung. Beide Seiten äußerten öffentlich den Wunsch, die zwischenstaatlichen Beziehungen zu verbessern und die frühere Zusammenarbeit zum gegenseitigen Nutzen wieder herzustellen.
Eine Wiederaufnahme der diplomatischen und konsularischen Beziehungen
Während des Wahlkampfs um die Präsidentschaft Kolumbiens sagte Petro, dass bei seiner Ankunft im Regierungssitz Casa de Nariño neben der Wiederaufnahme der Handelstätigkeit auch die diplomatischen und konsularischen Beziehungen zu Venezuela normalisiert würden.
Drei Tage nach seinem Triumph unternahm er erste Schritte in diese Richtung. In einem Telefongespräch vereinbarten Petro und Maduro,
"die Grenzen zu öffnen und die volle Garantie der Menschenrechte im Grenzgebiet wiederherzustellen."
Außerdem tauschten sie sich aus über "die Bereitschaft zur Wiederherstellung der Normalität an den Grenzen, verschiedene Fragen des Friedens und die erfolgreiche Zukunft beider Völker".
"In der Vergangenheit hat der Handel zwischen Kolumbien und Venezuela 7.000 Millionen Dollar überschritten",
informierte die venezolanische Vizepräsidentin Delcy Rodríguez im Jahr 2021.
Treffen der Außenminister Venezuelas und Kolumbiens
Am 28. Juli 2022 trafen sich dann der venezolanische Außenminister Carlos Faría und der vom gewählten Präsidenten Gustavo Petro zum Außenminister ernannte Álvaro Leyva im Grenzort San Cristóbal. Sie einigten sich bei diesem ersten Treffen auf "die schrittweise Normalisierung der Beziehungen". Man wolle mit der Ernennung von Botschaftern und weiteren diplomatischen und konsularischen Beamten beginnen. Laut einer gemeinsamen Presseerklärung erstellten die außenpolitischen Amtsträger einen gemeinsamen verbindlichen Plan zur schrittweisen binationalen Normalisierung.
Faría und Leyva bestätigten auch ihre Bereitschaft, "die Bande der Freundschaft und Zusammenarbeit zu festigen". Man wollte alle Angelegenheiten von binationalem Interesse zum Wohle der kolumbianischen und venezolanischen Bevölkerung prüfen.
Der Venezolaner Faría betonte, dass man bei dem Treffen eine "historische Bilanz der großartigen Zusammenarbeit und des Handelsgleichgewichts vor der Unterbrechung der Beziehungen zwischen den Ländern" gemacht hätte. Dafür wolle man nun erneut kooperieren.
Bei dem Treffen war auch der stellvertretende Leiter der Verifikationsmission der UN für das Friedensabkommen in Kolumbien, Raúl Rosende, anwesend.
Geschlossene Grenzen – ein Rückblick
Im Oktober 2021 kündigte Caracas an, seine teilweise geschlossene Grenze "kommerziell zu öffnen". Im Jahr 2019 hatte Venezuela den Grenzübergang zwischen den beiden Staaten geschlossen. Das geschah, nachdem der ehemalige Oppositionsführer Venezuelas, Juan Guaidó, mit Unterstützung von Präsident Iván Duque versucht hatte, angebliche "humanitäre Hilfe" über die kolumbianische Stadt Cúcuta nach Venezuela einzuschleusen. Es handelte sich jedoch um unter Waren versteckte Kleinwaffen und Material für Sabotageakte, die durch einen vermeintlichen "humanitären Korridor" quer durch Venezuela geschleust und verteilt werden sollten.
Im Rückblick erscheinen die damaligen abstrusen Inszenierungen und Umsturz-Aktionen wie ein Arbeitsbeschaffungsprogramm der CIA – einfach grotesk. Hollywood stand Pate.
Bereits im August 2015, während der Regierung von Juan Manuel Santos, wurde der Fahrzeugverkehr an den Grenzübergängen zwischen den beiden Ländern gesperrt. Drei venezolanische Soldaten waren bei einem Hinterhalt kolumbianischer paramilitärischer Gruppen im Grenzgebiet verletzt worden. Die Gefahr eines schrittweisen Eindringens solcher Terrorgruppen auf venezolanisches Gebiet musste gestoppt werden. Sie konnten als potenzielle Vorhut eines größeren bewaffneten Konflikts gelten. Die verstärkte Stationierung venezolanischer Grenztruppen war die Folge.
Auch der große Umfang an Schmuggelwaren aus Venezuela, die in Kolumbien mit einem Gewinn von bis zu 2.000 Prozent verkauft wurden, zwangen die venezolanischen Grenzverbände zum Bewachen der Zone. Der großformatige Schmuggel war für Venezuela ein wirtschaftlicher Aderlass, der dazu führte, dass im Grenzland die Waren des täglichen Bedarfs fehlten. Für die kolumbianischen Grenzorte war er der wichtigste Wirtschaftsfaktor.
Die Spannungen zwischen den beiden Ländern blieben während der Amtszeit des rechten Präsidenten Iván Duque bestehen. Caracas sah sich durch eine wachsende Militarisierung des NATO-Partners Kolumbien bedroht, das die prozentual höchsten Rüstungsausgaben Lateinamerikas verzeichnete. Auch Panzer und Kampfflugzeuge für einen konventionellen Krieg gehörten mit zu den Waffenkäufen, die nur für eine Invasion Venezuelas einsetzbar waren.
Von Caracas aus hat man Bogotá überdies als Zentrum und Basislager für gewaltsame Umsturzpläne gegen Nicolás Maduro wahrgenommen. Die Duque-Regierung ihrerseits beschuldigte den Nachbarn wiederholt ohne Beweise, Mitgliedern kolumbianischer bewaffneter Gruppen Schutz zu gewähren.
Nun herrschen auf beiden Seiten die besten Absichten, diese Geister der Vergangenheit zu verjagen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Allerdings ist die Grenzregion auch weiterhin ein wunder Punkt, um "von außen" einen Keil zwischen die Nachbarn zu treiben. Viel hängt davon ab, ob es der Regierung des Gustavo Petro gelingt, die Souveränität Kolumbiens wieder herzustellen.
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