So war es unter Shinzō Abe
von Sergej Strokan
Wäre Shinzō Abe, der am 12. Juli in seiner Heimatstadt Shimonoseki beigesetzt wurde, in der Lage aufzuerstehen, könnte er ruhig aufatmen: Die von ihm begonnene Arbeit ist in sicheren Händen. Auch wenn Japan keine Politiker seines Formats mehr hat.
Dabei war Abe kein Falke oder Kriegstreiber des 21. Jahrhunderts wie George W. Bush, der Afghanistan und den Irak zerstörte, sondern ein entschiedener Befürworter einer Revision von Artikel 9 der Verfassung, der vorsieht, dass Japan keine eigene Armee haben und sich nicht an Kriegen und Konflikten beteiligen darf. Gegenwärtig verfügt Japan über eine sogenannte Truppe zur Selbstverteidigung. Eigentlich handelt es sich um eine Armee, die sogar zu den am besten ausgebildeten in Asien gehört. Doch diese Armee ist an die Verfassung gebunden und hat nicht immer das Recht, so zu handeln wie vollwertiges Militär.
Abe hatte es auf sich genommen, eine historische Kehrtwende in Japan einzuleiten und dafür zu sorgen, dass das Land nicht nur über moderne Streitkräfte verfügt, sondern auch über eine Verfassung, die dieselben nicht ihrer Zweckmäßigkeit einschränkt. Gerade er war es, der als erster und entgegen der öffentlichen Meinung lautstark von der Notwendigkeit einer Verfassungsänderung gesprochen hat. In Japan, wo die pazifistische Einstellung seit dem Krieg traditionell stark ausgeprägt ist, wird die Idee einer Revision des Artikels 9 von einer überwältigenden Anzahl von Bürgern noch immer negativ gesehen.
Wenn aber Abe kein Falke war und nicht die Absicht hatte, jemanden anzugreifen, warum kämpfte er dann für das Recht der japanischen Armee, de facto Krieg führen zu können?
Der Verzicht auf eine eigene Armee hat Japan zu einem Land mit begrenzter Souveränität gemacht, dessen Sicherheit nicht von Japan selbst, sondern von den USA gewährleistet werden soll, wie es der Vertrag von 1960 vorsieht. Aus diesem Grund sind Tausende US-Soldaten im Land stationiert, einschließlich der Stützpunkte auf Okinawa. Nach einem Besuch dieser entlegensten japanischen Provinz, wo US-Marines patrouillieren, und einem Gespräch mit der lokalen Bevölkerung, kann ich bezeugen, dass die Einwohner Okinawas von einer Zeit träumen, in der es hier keine US-Stützpunkte mehr geben wird. Sie erwarten eine Zeit, in der Militärtransportflugzeuge nicht mehr über ihren Köpfen fliegen, in der ihre Töchter und Frauen sicher durch die eigene Heimat Okinawa spazieren können, ohne Angst haben zu müssen, vergewaltigt zu werden.
Doch die Rebellion gegen die US-Stützpunkte, die hier eine lange Tradition hat, steht vor einem gewichtigen Gegenargument: "Wer sollte uns verteidigen, wenn es zu einem Krieg mit Nordkorea oder China kommt?" Abe hatte darüber nachgedacht, wie dieser Minderwertigkeitskomplex gegenüber den USA überwunden werden kann, um Japan zu ermöglichen, sich notfalls selbst zu verteidigen. Sicherlich nicht mit einer Armee, die das Ziel verfolgt, Russland anzugreifen, mit dem Abe einen Friedensvertrag zu schließen hoffte, sondern eine Armee zur Stärkung der Souveränität des Landes.
Ungeachtet der engen Beziehungen zu den USA erlaubte sich Abe, Washington eine Absage zu erteilen. Kurz vor seinem Rücktritt im Sommer 2020 lehnte Tokyo ein Abkommen über die Stationierung US-amerikanischer Aegis-Ashore-Raketenabwehrsysteme im Land ab.
Dem Weißen Haus teilte man höflich und deutlich mit: "Wissen Sie, wir haben darüber nachgedacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir diese Raketenabwehrsysteme nicht benötigen. Diese sind viel zu teuer und überhaupt nicht sicher."
So war es unter Shinzō Abe.
Übersetzt aus dem Russischen
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