Meinung

Eine Truppe gegen "Staatsfeinde"? – Bundeswehr bekommt Inlandskommando

Zusätzlich zur Finanzspritze von 100 Milliarden Euro soll die Bundeswehr ein zentrales Kommando für Inlandseinsätze bekommen. Die Verteidigungsministerin begründet das mit Naturkatastrophen und – Putin. Ins Visier geraten könnte aber auch, wer Staat und Politiker zu kritisieren wagt.
Eine Truppe gegen "Staatsfeinde"? – Bundeswehr bekommt InlandskommandoQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Droese

von Susan Bonath

Während die NATO wächst und sich immer weiter gen Osten ausbreitet, viele Staaten, darunter auch Deutschland, ihre Polizei aufrüsten, wachsen auch den Armeen immer neue Aufgaben zu. Jetzt soll die Bundeswehr nach der beschlossenen Hundert-Milliarden-Spritze ein offizielles Führungskommando für Einsätze im Inland erhalten – theoretisch also auch gegen die eigene Bevölkerung.

Zentrales Kommando für Inlandseinsätze

Bereits am 1. Oktober soll das sogenannte territoriale Führungskommando der Bundeswehr stehen. Bislang sei die operative Führung der Soldaten im Inland auf viele Bereiche des Heeres verteilt gewesen, erklärte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) gegenüber den Medien.

Nun werde dies in Berlin gebündelt und direkt ihrem Ministerium unterstellt. Leiter des Aufbaustabes und erster Befehlshaber soll demnach Generalmajor Carsten Breuer werden. Dieser führte zuletzt den sogenannten Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt.

Die Politiker begründen den Aufbau der Inlandstruppe, verniedlichend "Kommando für Heimatschutz" genannt, mit Corona und sonstigen Krisen wie Flutkatastrophen, aber auch mit "Terrorgefahren" und natürlich mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine. Insbesondere letzterer habe "die Notwendigkeit unterstrichen, die Führungsorganisation der Streitkräfte verstärkt auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten", teilte Lambrechts Ministerium verklausuliert mit. Spätestens im März kommenden Jahres soll es einsatzbereit sein, und zwar "im Rahmen des Heimatschutzes einschließlich der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der zivil-militärischen Zusammenarbeit".

Dann, so hieß es, werde die Bundeswehr zwei Führungskommandos haben: Eines für Einsätze im Ausland mit Sitz in Schwielowsee bei Potsdam, das neue – für Einsätze im Inneren – mit Sitz in Berlin. Das Ministerium orientiere sich dabei an seinen Erfahrungen mit dem Corona-Krisenstab. Die Zentralisierung sei Voraussetzung für die rasche Bildung eines Krisenstabes im Ernstfall. 

Truppe darf Polizei unterstützen

Doch wer definiert wann und wie einen "Ernstfall"? Denn keineswegs ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren allein auf Hilfe bei Naturkatastrophen beschränkt. Wobei auch dafür kein bewaffnetes Militär eingesetzt, sondern vielmehr der zivile Katastrophenschutz, etwa das Technische Hilfswerk ausgebaut werden müsste. Die Bundesregierung beruft sich für das Vorhaben auf bereits mehrfach geänderte und aufgefüllte Passagen im Grundgesetz, konkret auf den Artikel 87a.

Darin heißt es beispielsweise, die Bundeswehr könne "im Verteidigungs- und Spannungsfall" auch "zur Unterstützung polizeilicher Maßnahmen" herangezogen werden, etwa – und hier wird es kritisch – "zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes". Dazu gehöre unter anderem "die Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer".

Unklar bleibt jedoch, wer aus welchem Grund als Gefahr für die viel beschworene Grundordnung eingestuft werden kann und ab wann die zu Gefährdern erklärten als "organisiert" oder "bewaffnet" gelten. Dies ist Auslegungssache der staatlichen und politischen Organe. Und hier weht der Wind aus einer unguten Richtung. 

Verfassungsschutz erklärt Kritiker zu Staatsfeinden

So definiert das Bundesamt für Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2021 unter anderem all jene zu "Gefährdern", die den Staat im Zuge der Corona-Maßnahmen "verfassungsschutzrelevant delegitimieren". Wörtlich heißt es darin auf Seite 112, dass die "Akteure" – also jene, die den Maßnahmen kritisch gegenüberstehen – darauf abzielten,

"… wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen erheblich zu beeinträchtigen. Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative verächtlich, sprechen ihnen öffentliche die Legitimität ab und rufen zum Ignorieren behördlicher oder gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen auf."

Dies, so behauptet der Verfassungsschutz weiter, würden sie jedoch nicht offen äußern. Stattdessen kritisierten sie einzelne Politiker oder staatliche Institutionen öffentlich. So könne "das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden".

Damit erklärte der Verfassungsschutz praktisch alle, die gegen staatliches und politisches Handeln demonstrieren oder sich an einer solchen Demonstration beteiligen, zu einer Gefahr für die "freiheitlich-demokratische Grundordnung", welche es daher zu bekämpfen gelte – und was gegebenenfalls einen Einsatz des Militärs rechtfertige. Das kommt einer Drohung an alle gleich, die Politiker, Gesetze oder staatliche Repressionen kritisieren, und zwar völlig unabhängig von Corona. Es könnte auch Friedensaktivisten, Antifaschisten, Kapitalismuskritiker oder Gegner von Waffenlieferungen treffen. Der Grundstein dafür ist somit längst gelegt.

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