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Blitzerkenntnisse im Mainstream zum "Post-Vac-Syndrom" – oder: Wer war hier der "Schwurbler"?

Bisher war das Thema Impfschäden medial weitgehend tabu. Wer darüber sprach, galt schnell als Desinformant und Schlimmeres. Doch plötzlich berichtet selbst das Magazin Spiegel darüber, denn die Probleme scheinen überhandzunehmen. Kritische Selbstreflexion gibt es aber nicht.
Blitzerkenntnisse im Mainstream zum "Post-Vac-Syndrom" – oder: Wer war hier der "Schwurbler"?Quelle: www.globallookpress.com © David Young/dpa

von Susan Bonath

Inzwischen kennt wohl jeder einen Mitbürger, der seit der Corona-Impfung mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Zu unübersehbar sind die Schäden wohl, als dass sie weiterhin zu leugnen wären. Selbst das der autoritären Corona-Politik treue Magazin Spiegel berichtete nun über "unerklärliche Symptome" nach der Impfung. Und man reibt sich verwundert die Augen, denn tatsächlich steht dort: "Und alle ducken sich weg."

Der Artikel sticht inhaltlich heraus. Er widerspricht dem gesamten Tenor, den das Blatt zweieinhalb lange Corona-Jahre im Chor mit der Bundesregierung und fast allen Leitmedien rauf und runter publizierte. Denn in erster Linie haben sich Spiegel und Co. selbst bei diesem Thema weggeduckt, und zwar so tief, dass der Vorwurf der Verbreitung von Regierungspropaganda definitiv nicht zu hoch gestapelt wäre.

Mit "Prügel" und "Keule" gegen Ungeimpfte

Aber von vorn: Nach ungezählten Jubelorgien auf härteste, teils irreale Corona-Maßnahmen wetterte Spiegel-Kolumnist Nikolaus Blome bereits vor über einem Jahr gegen "Impftrödler und Impfverweigerer". Unter der Überschrift "Prämie oder Prügel" (wobei Ersteres für brave Impfwillige, Letzteres für Skeptiker galt), bezeichnete er sie als "Kleister", die den Fortschritt im Kampf gegen Corona behinderten. Man müsse sie mit harten gesellschaftlichen Nachteilen bestrafen und Geimpfte im Gegenzug belohnen, befand er. Schließlich gefährdeten Ungeimpfte die sogenannte "Herdenimmunität".

Wenig später, im September 2021, befragte der Spiegel genüsslich zwei Hardliner für den autoritären Corona-Staat: die Virologin Melanie Brinkmann und den Verhaltensökonomen Marcus Schreiber. Beide durften ihren Bestrafungsfantasien und ihrem Hass auf Ungeimpfte freien Lauf lassen. Die große Keule, so hieß es schon in der Überschrift, "sollten wir erst später auspacken". Vorher müsse man es mit fiesen Dauerschikanen versuchen – von 2G bis hin zur Behandlungsverweigerung in Kliniken. Man möchte gar nicht wissen, welche konkrete "Keule" den Apologeten in letzter Konsequenz wohl vorschwebte.

Schon tags darauf, am 1. Oktober 2021, durfte der Leiter des Wissenschaftsressorts des Spiegel, Michael Hengstenberg, weiter auf die Menschen feuern, die Impfbusse und Gratisbratwürste samt Spritze verschmähten. Er sprach von sich und allen anderen Geimpften als "Geiseln der Impfverweigerer". Es folgt eine klassische Sündenbock-Geschichte: Die "gute" geimpfte Mehrheit müsse konsequent gegen die "böse" impfverweigernde Minderheit vorgehen.

Ausgegrenzt in die "Psycho-Ecke"

Der Spiegel pathologisierte Ungeimpfte auch als quasi Unzurechnungsfähige, die in einer "Parallelwelt" lebten und konsequenterweise kriminell seien. Er scheute nicht vor Endlosergüssen über konkrete Personen zurück, die faktenresistent und geistig irgendwie unterentwickelt die gesamte Menschheit gefährdeten.

Sogar eine ganze Krankenkasse bekam Ende Februar dieses Jahres die Spiegel-Denunzierungskeule ab: Die BKK Provita sei unter die Schwurbler gegangen, weil sie Patientendaten zu abgerechneten Impfnebenwirkungen ermittelt und sich wegen ungeahnt vieler Fälle warnend ans Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gewandt hatte. Deshalb solle man dort lieber nicht nachfragen, so die Speerspitze der Impf-Werbeabteilung der Regierung. Denn die Kassendaten seien eh Quatsch, die Interpretation erst recht, und überhaupt: Der (kurz danach entlassene) BKK-ProVita-Chef Andreas Schöfbeck stehe wohl Corona-Leugnern nahe.

Man könnte viele weitere Spiegel-Beiträge dieser Art auflisten, doch die genannten sind hinreichend symptomatisch für das gesamte Repertoire: Impfschäden gebe es nicht, Verweigerer seien irgendwie nicht ganz normal und verbreiteten ständig Lügen, seien daher per se schon kriminell und überhaupt allein schuld an jedem neuen Krankheitsfall, weshalb sie hart bestraft gehörten. Und sogar Experten, die es anders sahen als die Regierungs- und Spiegel-Virologen, steckte das Blatt gleich mit in diesen Topf der "Unberührbaren", die in besagter, dunkler "Parallelwelt" existierten.

Die Parallelwelt des Spiegel

In einer Parallelwelt leben die verantwortlichen Spiegel-Redakteure und -Autoren anscheinend selbst. Ganz so, als hätte es all diese Berichte aus ihren Federn nie gegeben, schrieb das Blatt nun, fast anderthalb Jahre nach dem Start der Impfungen, plötzlich über "unerklärliche Symptome nach der Corona-Impfung", das sogenannte "Post-Vac-Syndrom", und kritisierte dabei scharf, dass viele sich einfach "wegducken", also die Augen vor schweren Nebenwirkungen verschlössen. Zwar gehörte der Spiegel bis dahin selbst zu den "Wegduckern", und zwar an vorderster Front, aber von Selbstkritik ist keine Spur zu finden.

Ist es ein Alibi-Artikel, um sich später nicht einer eventuellen Verantwortung stellen zu müssen? Denn man weiß ja nie, wie die Massenimpfungen in einigen Monaten oder Jahren im Rückblick gesellschaftlich bewertet werden könnten. Möglicherweise ließ sich das Blatt nur deshalb dazu herab, die Themen jener aufzugreifen, denen es über viele Monate genüsslich den "Aluhut" aufgesetzt, die es – bei Weitem nicht als einziges Medium – beleidigt und beschimpft hatte, hart hatte bestrafen wollen und quasi als unzurechnungsfähige, verwirrte Spezies dargestellt hatte, die man nicht behandeln müsse wie Menschen mit Grundrechten.

Wahrscheinlich spielt aber noch etwas anderes eine Rolle: Impfkomplikationen gibt es viele, vermutlich auch in der "Blase" der Redakteure. Möglicherweise gehört auch die Verwaltungsmitarbeiterin im Bundestag dazu, die im Artikel "Martina Wirth*" genannt wird, weil sie ihren echten Namen lieber geheim halten wollte. Denn beispielsweise sie hat es hart getroffen, sie hat seit ihrer Impfung mit neurologischen Problemen wie Kribbeln und Taubheit zu kämpfen.

Sogar über ein Forum für Impfgeschädigte schreibt der Spiegel, so eines von der Sorte, das er kurz zuvor mutmaßlich noch der "Schwurbler-Szene" zugeordnet hätte. Die Nutzer dort berichteten von zahlreichen dauerhaften Komplikationen wie "Sehstörungen, Muskelzuckungen, Herz- und Lungenbeschwerden, Schwindel, Stechen in den Kniekehlen und Waden oder Brainfog". Die "andauernden kognitiven und neurologischen Störungen" hätten sogar einen Namen: Post-Vac-Syndrom – Syndrom nach Impfung. Betroffen seien meist junge Menschen, vor allem Frauen, heißt es weiter. Und selten bekämen sie adäquate Hilfe. Es gebe bundesweit nur zwei Ambulanzen für die Betroffenen – in Marburg und Berlin.

Nicht selten genug zum Totschweigen?

Allerdings ist der Spiegel bei Weitem nicht das erste Medium, das dieses Thema in den vergangenen Wochen aufgegriffen hatte. Bereits im März hatte der MDR einen Bericht über Impfgeschädigte publiziert. Einige weitere Ableger der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ARD, darunter der NDR, legten verhalten nach. In den letzten Tagen allerdings scheint sich der Wind auch in anderen Leitmedien etwas gedreht zu haben.

So berichtete der Stern Anfang Juni von einer "fatalen Angst des Paul-Ehrlich-Instituts vor dem Post-Vac-Syndrom". Die für Impfstoff-Sicherheit zuständige und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstellte Behörde ignoriere dieses Problem, mahnte das Magazin.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), das etliche Zeitungen mit Artikeln bestückt, übte sich gar im Versuch, das "Phänomen" namens Post-Vac, an dem offenbar selbst viele Ärzte scheitern, zu erklären. Auch der MDR legte zum wiederholten Male mit ähnlicher Absicht nach. Die Berliner Morgenpost sprang gleichfalls auf diesen Zug auf: "Wenn die Corona-Impfung krank macht", titelte sie.

Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nutzte die Gunst der Stunde. Die bekannten Werbeeinschübe, wonach es an der Sicherheit der Impfstoffe trotz allem keinerlei Zweifel gebe und schwere Nebenwirkungen nur sehr, sehr selten aufträten, fehlten natürlich nicht. Allerdings: Selten genug, um sie weiterhin einfach totschweigen zu können, sind die Komplikationen offensichtlich doch nicht.

Mittelschicht ist auch betroffen

Der Krankheitsbegriff "Post-Vac-Syndrom" ist immerhin schon seit einigen Monaten im Umlauf. In Marburg gibt es neben einer "Long-COVID-Ambulanz" auch eine mit dem Namenszusatz "Post-Vac", ebenso in der Charité. Für etwa ein gesamtes Jahr seien die Wartelisten bereits voll, heißt es dazu. Die Not vieler Geschädigter scheint groß zu sein und zuzunehmen, aber vor allem: Nicht nur die Armen sind davon betroffen, wie es bei vielen anderen Problemen der Fall ist.

Dass auch wohlhabende Menschen Probleme nach der Impfung haben, dürfte sogar der Hauptauslöser dafür sein, dass das Tabuthema Impfschäden im Mainstream angekommen ist. Denn diese Gruppe sorgt für den höchsten Umsatz in der Wirtschaft, besitzt meist mehr oder weniger Kapital, sitzt auf verantwortlichen Posten, wo es nicht zuletzt darum geht, die Corona-Politik umzusetzen, und hat recht häufig auch Kontakte in die Politik oder Unternehmensspitzen. Auf die Gunst der Mittelklasse sind die Regierenden nun einmal angewiesen, und um laute Kritik aus ihren Reihen kommen sie nicht herum.

Wer hat hier geschwurbelt?

Auch ein Karl Lauterbach nicht: Der SPD-Gesundheitsminister macht sich seit Beginn der Pandemie einen Namen als einer der härtesten No-COVID-Strategen. Er steht für strenge Maßnahmen und rigorose Durchimpfung aller erwachsenen Bundesbürger. Im August 2021 hatte er die Impfungen "nebenwirkungsfrei" genannt. Noch im März sah er "das ganze Land in der Geiselhaft dieser Menschen" – sprich: der Ungeimpften. Derlei Aussagen sind freilich längst widerlegt, doch die sonst übereifrig zensierenden "Faktenchecker" scheint das nicht zu stören.

Wer Lauterbach seit Pandemie-Beginn verfolgt, der könnte nun allerdings aus dem Staunen kaum herauskommen: Frei nach dem Motto "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern" erkennt der Minister nun doch an, dass es Impfschäden gibt, wie der Nordkurier berichtete – freilich ohne gegenteilige frühere Tweets zu löschen. Das Post-Vac-Syndrom müsse "besser untersucht werden", schrieb Lauterbach auf Twitter – unter Berufung auf den Spiegel-Artikel. Ein kurzes Auftauchen aus der Lauterbachschen Parallelwelt?

Allein dies zeigt, dass der Spiegel eine nicht zu unterschätzende ideelle Macht über das Denken der überdurchschnittlich betuchten Mittelschicht hat. Nicht einmal die ARD hatte es zuvor mit ihren Berichten über Impfgeschädigte vermocht, Lauterbach so ein Eingeständnis zu entlocken. Und auch die meisten anderen Medien schwiegen danach weiter.

Fraglich bleibt dennoch, ob sich die Regierenden und ihr Kampfblatt in einigen Monaten, wenn die Testzahlen so sicher wie das Amen in der Kirche wieder in die Höhe stellen werden, noch an ihre Worte von heute erinnern werden. Eine Rücknahme der Impfpflicht im Gesundheitswesen ist auch nicht zu erwarten. Noch nicht, denn die letzte Messe zu den neuartigen Corona-Impfstoffen ist definitiv noch nicht gesungen. Die Antwort auf die Frage, wer letztendlich wie "geschwurbelt" und Desinformationen verbreitet hat, steht noch aus. 

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