Ein Kommentar von Ian Miles Cheong
In ihrer Naivität hofften Techno-Utopisten, dass eine Gesellschaft, die auf der sogenannten "Informations-Schnellstrasse" unterwegs ist, sich mit Fakten bewaffnen wird und damit das bürgerliche Leben, über die müde Dialektik der Parteipolitik hinaus, entwickeln könne. Was diese Utopisten vorhersagten und was letztendlich eintraf, sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Weit entfernt von einer Erleuchtung, stehen wir vor einer Welt voller Verschwörungstheorien und alternativen Fakten, die in Echokammern produziert und über soziale Medien weiter verbreitet werden.
Während sogenannte Aktivisten der Anti-Desinformation wie eine gewisse Nina Jankowicz eine aktive Rolle darin spielen, ukrainische nationalistische Kämpfer schön zu reden, die nachweislich Kriegsverbrechen im Donbass begangen haben, versuchen andere Protagonisten in den Medien, konservative Sprachrohre wie Tucker Carlson von Fox News für Verbrechen verantwortlich zu machen, die von einheimischen Amokschützen begangen wurden.
Bevor wir verstehen können, warum die Dinge so sind, wie sie sind, müssen wir uns daran erinnern, was in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts passiert ist. Bei all dem Utopismus und den Hoffnungen, die das Ende des 20. Jahrhunderts geprägt haben, haben wir immer noch nicht den Hunger in der Welt oder die soziale Ungleichheit beendet, den Weltfrieden errichtet oder eine Kolonie auf dem Mars gegründet. Stattdessen haben wir einen Kulturkrieg und eine Vielzahl von Trivialitäten, mit denen die menschliche Rasse in niedrigschwellige Beschäftigungen verwickelt wird, wie etwa die korrekte Wahl des bevorzugten Pronomens oder Fälle von Mikroaggressionen.
Wir können die Art und Weise beklagen, in der sich ein neues Zeitalter der Aufklärung, angetrieben durch technologische Prozesse, als schwer fassbar erwiesen hat. Das Scheitern dieser Utopie ist in hohem Maße ein Ergebnis der monokulturellen Hegemonie von Big Tech, das den aktuellen Stand des politischen Diskurses geprägt hat und von linken Überzeugungen neutralisiert wurde – sowohl von innen als auch von außen.
Der Liberalismus im Silicon Valley und das Anti-Establishment
Erinnern sich noch jemand an Usenet? Wahrscheinlich nicht. In den 90er Jahren war Usenet eine Art elektronisches Schwarzes Brett, das vor der Dominanz des "World Wide Web" (WWW) in einem alternativen Netzwerk existierte.
Usenet und andere Netzwerke existierten parallel zum WWW – und tun dies auch weiterhin. Das Usenet war etwas, auf das jeder mit einem entsprechenden Programm zugreifen konnte, so wie man heute über Browser wie Google Chrome, Safari oder Firefox auf das WWW zugreifen kann. Dieses dezentralisierte Netzwerk von Schwarzen Brettern – auch "Newsgroups" genannt – diente als Resonanzboden für Diskurse. Sie wurden ähnlich betrieben, wie heutzutage Foren betrieben werden, und widmeten sich normalerweise einzelnen Themen oder Interessengebieten.
Viele der Begriffe, die heutzutage von den LGBT+ und anderen Gemeinschaften der sozialen Gerechtigkeit verwendet werden, sind zuerst in diesen Usenet-Gemeinschaften aufgetaucht oder haben dort an Bedeutung gewonnen, einschließlich des Begriffs "Cis-Gender" (was eine Person beschreibt, deren Geschlechtsidentität ihrem biologischen Geschlecht entspricht – das Gegenteil also von Transgender). Das Konzept der Geschlechtsidentität war nie wirklich eine große Sache, bis dann die Bewohner dieser Newsgroups ihren Weg zu Proto-Social-Media-Seiten wie Tumblr fanden und schließlich auf den heutigen Social-Media-Plattformen landeten. Jetzt haben sich diese Gender-Konzepte, die in Echokammern ausgebrütet wurden, in den Mainstream des politischen Diskurses ausgebreitet. Sogar Politiker geben mittlerweile ihre bevorzugten Pronomen bekannt.
Aber genauso wie radikale und liberale Ideen begannen, aus dem isolierten Usenet-Schwarm herauszudringen, um sich schließlich an den zentristischen Liberalismus des Establishments zu klammern, tat dies auch das Gegen-Establishment auf den sogenannten "Image Boards" – das erste davon war 4chan. Dieses Anti-Establishment orientierte sich am Konservatismus.
Zugegeben, dies ist eine Art des Konservatismus, der sich zweifellos von dem unterscheidet, mit dem sich die Gründerväter der USA oder die klassischen Liberalen des Zeitalters der Aufklärung identifiziert hätten. "Modernität ablehnen – Tradition umarmen", so lautet deren Slogan. Das ist eine Plattitüde, die oft bis zum Erbrechen ausgesprochen und dann von abgehängten, selbsternannten Konservativen wieder herausgewürgt wird, die den gegenwärtigen Zustand des Konservatismus als "Progressivismus in Zeitlupe" betrachten. Unzufrieden damit, wie die Dinge sind, wenden sich die Entrechteten einer Form des kulturellen Neofundamentalismus zu, der mit einem Gefühl der Nostalgie für Dinge beladen ist, die es nie gab.
Die "Manosphere" – ein loses, vorwiegend antifeministisches Netzwerk – existiert parallel zum Netzwerk der Aktivisten für soziale Gerechtigkeit, wobei beide Seiten den Standpunkt einnehmen, dass die ganze Welt gegen sie ist – das ist deren gemeinsame Geschichte, die von den zaghaften Kritikern von Big Tech in den Mainstream-Medien häufig ignoriert wird. Es ist einfacher für sie, Dingen wie MAGA, 4chan, Videospielen und einzelnen Schauspielern die Schuld dafür zu geben, dass "Toxizität" im Internet zum Ausdruck gebracht wird, anstatt dem Internet die Schuld zu geben, unser ausdrucksstarkes Leben so zu erfassen, wie es das gegenwärtig tut.
GamerGate: Der Prügelknabe der Liberalen im Silicon Valley
Die liberale Tech-Journalistin Taylor Lorenz schimpft – so wie andere Mitglieder der etablierten Medien – häufig und gerne gegen Big Tech, weil es angeblich Minderheiten und ausgegrenzte Menschen "entmachtet".
Aber sie nimmt diese Entmachtung durch die Linse der Belästigung wahr. Belästigung, schreibt sie, ist ein bedeutendes Thema in der heutigen Social-Media-Landschaft. Wenn man von jemandem niedergeschrien wird, der sich über den IQ, das Aussehen oder die Tatsache lustig macht, dass man 3 Gallonen Wasser pro Tag in sich hineingießt, und man diese Person nicht gleich am Bildschirm ohrfeigen kann, dann wird es verständlich, warum man sich unter Umständen "entmachtet" fühlt.
Die etablierten Medien zitieren häufig den Begriff "GamerGate", der jene soziale Bewegung der wütenden Gamer-Nerds im Internet beschreibt – hauptsächlich weiße, christliche Männer –, die sich ermächtigt genug fühlen, jeden zu belästigen, der ihnen das Gefühl gibt, klein oder entfremdet zu sein und wie die "Racheengel der Nerds des 21. Jahrhunderts" auftreten. Und Unternehmen wie Twitter, so argumentieren sie weiter, würden diese jungen Männer nicht ernst genug nehmen, um etwas gegen sie zu unternehmen.
Für diejenigen, die es nicht wissen, "GamerGate" war die Anti-Establishment-Bewegung, die von Gamern, als Reaktion auf die woke Gentrifizierung in Videospielen, im Jahr 2014 ins Leben gerufen wurde. Aus der Anschuldigung gegen eine feministische Entwicklerin von Computerspielen, sie habe von Vetternwirtschaft profitiert, entwickelte sich ein Kulturkrieg rund um die Computerspiel-Branche. Der Begriff "GamerGate" wird in der liberalen Gaming-Presse als Synonym verwendet für "männlicher, rassistischer Asozialer, der damit droht, Frauen in der Computerspiel-Industrie zu vergewaltigen und zu töten."
Aktuell wird der Begriff "GamerGate" häufiger von Journalisten zitiert als von jenen, die damals daran beteiligt waren. Eine einfache Google-Suche offenbart allein im vergangenen Monat nicht weniger als ein Dutzend Verweise auf "GamerGate" – allesamt im Zusammenhang mit der Schießerei in Buffalo, der geplanten Übernahme von Twitter durch Elon Musk oder den Forderungen nach einer tiefer greifenden Zensur und dem Ende der Meinungsfreiheit.
Tatsache ist, dass "GamerGate" ein Symptom der kulturellen Hegemonie war, die vom Silicon Valley ausging. Es war eine Reaktion gegen das Establishment. Und Elon Musk, der vor Kurzem den Aufkauf von Twitter ankündigte, ist zum Avatar all jener Entmachteten geworden, die sich jetzt gegen das Establishment wehren. Und die Existenz dieses Anti-Establishments zeigt uns etwas auf, das die Tech-Journalistin Taylor Lorenz und ihre Kollegen gerne ignorieren. Heute durchdringt linkes Denken den Mainstream, zum Teil wegen der enormen Menge an kulturellem Kapital, das Technologen neben ihrem Reichtum anhäufen und weltweit exportieren. Viele dieser techno-liberalen Ideen sind eindeutig anti-männlich und in gewissem Maße anti-weiß.
Man schaue sich zum Beispiel den "Contributor Covenant" (zu deutsch etwa: Verhaltenskodex für Mitwirkende) der Transgender-Feministin Coraline Ada Ehmke an – eine kodifizierte Reihe von Geboten und Verboten für einen integrativen – sprich: "woken" – Arbeitsplatz, der im Silicon Valley weit verbreitet ist. Die Autorin dieses Verhaltenskodex war auch Co-Autorin des "Post-Meritocracy Manifesto" (Manifest für die Zeit nach der Meritokratie), einem Versprechen, Prinzipien aufzuheben, die "hauptsächlich denen mit Privilegien zugute kommen, unter Ausschluss von unterrepräsentierten Menschen im Technologie-Bereich."
Der Kampf gegen die "weiße Vorherrschaft", der vielleicht in den 1940er bis 1990er Jahren seine Berechtigung hatte, ist ein alterndes und mittlerweile veraltetes Paradigma, das nur dazu dient, dem Gewebe der Gesellschaft in der Gegenwart Schaden zuzufügen. Der Liberalismus im Silicon Valley ist jedoch besessen von unveränderlichen Merkmalen wie Rasse, Geschlecht und sexueller Orientierung. Und durch diese politische Ausrichtung entschied sich Big Tech dafür, weiße Männer zu entrechten.
Diese Rhetorik – paradoxerweise gefördert von weißen Männern innerhalb von Big Tech, die sich bei ihren Genossen beweisen wollen – fördert ein System, das Identität über Leistung stellt. Dies wiederum hat dazu geführt, dass junge Männer sich um ihre Identität herum versammelt haben und versuchen, an den falschen Orten Ermächtigung zu finden – wie zum Beispiel in der Incel-Subkultur oder auf Discord-Servern der weißen Vorherrschaft, wo sie in der gemeinsamen Opferrolle gegenseitigen Trost finden. Es fällt schwer, ihnen die Schuld zu geben, wenn gleichzeitig Medien und Big Tech uns stetig mit Botschaften bombardieren, die bestimmte unveränderliche Eigenschaften der eigenen Identität verunglimpfen. Man kann sich als Weißer zwar in der Sonne bräunen, man wird dadurch aber nicht zu einem Schwarzen.
So schwer es auch zu schlucken ist, es ist nicht ganz die Schuld dieser "entmachteten" Männer, die versuchen, ihren Platz in der Gesellschaft zurückzugewinnen – unter denen es viele gibt, die tatsächlich die weiße Vorherrschaft anstreben und gegen Gleichberechtigung sind, wenn auch nur aus Rache. Es ist auch nicht ausdrücklich die Schuld von Linken oder Aktivisten für soziale Gerechtigkeit, dass sich jemand entmachtet fühlt. Und es ist einfach nicht produktiv, ihnen allein die Schuld zuzuschieben.
Big Tech will einen großen Eindruck machen – aber nur für eine kleine Minderheit
Es herrscht ein Kulturkrieg, der im Schatten von Big Tech stattfindet, und der sich trotz all seiner Anbiederung an die "Vielfalt" weigerte, Partei für eine Seite zu ergreifen, bis dieser Kulturkrieg sich auf seine Fundamente auswirkte. Und angesichts der Tatsache, dass die Interessenvertreter und Investoren von Big Tech demselben Reichtum an der Westküste entstammen wie die Ingenieure, die diese Plattformen entworfen haben, ist es nicht verwunderlich, dass sie sich gegen die Werte des Anti-Establishments stellen.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, wie Big Tech, das jederzeit bereit ist, seine Tentakel über jeden Aspekt unseres Lebens auszubreiten, unsere Interaktionen mit anderen in den sozialen Medien steuert. Während Big Tech alle Formen von Bigotterie verurteilt und mit der Fähigkeit prahlt, Menschen zu "ermächtigen", sich Gehör zu verschaffen, spielt es heimlich die Kontrolle darüber, wo und wie diese "Ermächtigung" stattfindet, in die Hände der Elite. Und die Eliten lieben es – sie verdienen viel Geld damit.
Plattformen wie Facebook, TikTok, Instagram und Twitter bewaffnen unseren sehr menschlichen Wunsch sich auszudrücken, als eine Geste, mit der Menschen das Gefühl gegeben wird, "ermächtigt" zu sein. Und sie profitieren gleichzeitig vom viralen Potenzial der Zensurkultur und der allgemeinen Debatte. Aber letztendlich ist diese Geste nur eine Illusion, um uns in unserer Wut auf unsere politischen und ideologischen Gegner abzulenken.
Trotz all der Tugendsignale nährt sich Big Tech immer noch von totalitären Interessen, politischem Lobbyismus und aus Interessengruppen. Und es verkauft Daten seiner Nutzer an nicht so demokratische Regierungen auf der ganzen Welt – einschließlich die US-Regierung.
Wir schlafwandeln, sind naiv und sind uns der Umzingelung von Big Tech nicht bewusst. Die Medien wollen, dass wir unsere Wut auf "entmachtete" weiße Männer oder auf Ausdrucksformen der Gegenkultur richten – währenddessen werden wir von den unzähligen Fangarmen des Silicon Valley erwürgt und werden zu Sklaven einer technologischen Gesellschaft, die anstelle der erhofften technologischen Utopie entstanden ist.
Ian Miles Cheong
ist ein Politik- und Kulturkommentator. Seine Arbeiten wurden in The Rebel, Penthouse, Human Events und The Post Millennial veröffentlicht. Man kann Ian auf Twitter unter @stillgray und auf Telegram @CultureWarRoom folgen.
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