Sanktionen wirken nicht, Russland ist auf dem Vormarsch und die westlichen Medien ändern ihren Ton
Ein Kommentar von Nebojša Malić
Auch wenn der kollektive Westen weiterhin – entgegen aller beobachtbaren Realität – darauf beharrt, dass der Konflikt in der Ukraine für Kiew gut läuft, werden die großen Medien angesichts der Lage an der wirtschaftlichen Front zunehmend unruhig. Immer mehr Beobachter räumen ein, dass die von den USA und ihren Verbündeten verhängten Sanktionen, nicht wie ursprünglich beabsichtigt die russische Wirtschaft erdrosseln, sondern die eigene.
Inzwischen haben einige große Publikationen damit begonnen, über die tatsächliche Situation an der Front zu berichten, anstatt wie bisher unkritisch Mythen wie den "Geist von Kiew" oder die "Die 13 von der Schlangeninsel" zu kolportieren, die vom Büro von Wladimir Selenskij propagiert wurden. Es gab sogar vage Andeutungen, dass der Westen vielleicht aufhören sollte, Kiew bedingungslos zu unterstützen und stattdessen eine Lösung am Verhandlungstisch forcieren sollte.
"Russland gewinnt den Wirtschaftskrieg", stellte der Wirtschaftsredakteur des britischen Guardian, Larry Elliott, am vergangenen Donnerstag fest. "Es sind jetzt drei Monate her, seit der Westen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen hat, und er verläuft nicht nach Plan. Im Gegenteil, die Dinge laufen wirklich sehr schlecht", schrieb er.
Elliott argumentierte sogar, dass die jüngste Ankündigung der USA, Mehrfachraketenwerfer in die Ukraine zu liefern, ein Beweis dafür sei, dass die Sanktionen nicht funktionieren: "Die Hoffnung ist, dass moderne Militärtechnologie aus den USA das erreichen können, was Sanktionen im Energiesektor und die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte bisher nicht erreicht haben: Den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zwingen, seine Truppen abzuziehen."
In einem Aufsatz vom 30. Mai schrieb Simon Jenkins, ein Kolumnist des Guardian, dass die Sanktionen einen russischen Rückzug nicht erzwingen konnten, stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass die EU zwar "an der Unterstützung der Kriegsanstrengungen der Ukraine festhalten", aber gleichzeitig die Sanktionen zurücknehmen sollte, weil diese "selbstzerstörerisch und sinnlos grausam sind." Jenkins betonte, dass durch die Sanktionen die Marktpreise für russische Exportgüter wie Öl und Getreide in die Höhe getrieben wurden – und damit Moskau eher bereichert als verarmt haben –, während den Europäern das Benzin und den Afrikaner die Lebensmittel ausgehen.
Man beachte, dass Jenkins sich in Bezug auf die angebliche Wirksamkeit westlicher Waffenlieferungen irrt, wenn man bedenkt, dass russische Truppen im vergangenen Monat eine Reihe von taktischen Siegen errungen haben – von Popasnaja bis Liman. Am 26. Mai veröffentlichte ausgerechnet die Washington Post einen erschreckend offenen Bericht darüber, wie eine ukrainische Einheit bei Sewerodonezk mehr als die Hälfte ihrer Mannschaft verlor und sich zurückziehen musste. Die Kommandeure dieser Einheit wurden anschließend wegen Hochverrats festgenommen, nachdem sie mit der Zeitung gesprochen hatten.
Diese Realität konnte selbst der Redakteur für Militär und Verteidigung des britischen Telegraph, Con Coughlin, nicht ignorieren, der zu einer Art Internet-Meme geworden ist, weil er quasi wöchentlich eine Niederlage Russlands prophezeite und jetzt allmählich zurückrudern musste, indem er schrieb, dass Moskau einen "Schocktriumph" erringen könnte, allerdings um damit sein Argument zu untermauern, weshalb Kiew noch mehr Waffen aus dem Westen benötige.
Das Versagen des kollektiven Westens, Russland das Rückgrat zu brechen, wurde sogar für den Economist offensichtlich, eine Wirtschaftspublikation, die nicht gerade bekannt dafür ist, mit Moskau zu sympathisieren. Die Zeitung gab vor einem Monat widerwillig zu, dass sich die russische Wirtschaft vom anfänglichen Sanktionsschock erholt habe. Unterdessen muss sich der Westen mit Energieknappheit, steigenden Lebenshaltungskosten und einer Rekordinflation auseinandersetzen. Es sind die Amerikaner, die Engpässe bei Babynahrung in den Läden vorfinden und sich fast kein Benzin mehr leisten können, nicht die Russen. Das mag der Grund sein, weshalb dieser "Frühling der Unzufriedenheit" über die westliche Sanktionspolitik nicht an der europäischen Küste des Atlantiks Halt gemacht hat.
Am Dienstag veröffentlichte die New York Times (NYT) einen Kommentar von Christopher Caldwell, in dem er die Regierung von Joe Biden dafür kritisierte, dass sie "Verhandlungswege verschließt und daran arbeitet, den Krieg zu intensivieren", indem sie immer mehr Waffen nach Kiew liefert. "Die Vereinigten Staaten versuchen, die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Bewaffnung eines Verbündeten nicht dasselbe sei wie die Teilnahme an einem Krieg", schrieb Caldwell und wies darauf hin, dass diese Unterscheidung im Informationszeitalter "zunehmend konstruiert" wirke. Einen Tag später gab der Leiter des Cyber-Kommandos der USA zu, im Auftrag der Ukraine offensive Operationen im Cyberspace gegen Russland durchgeführt zu haben.
Die USA hätten "den Ukrainern Grund zu der Annahme gegeben, dass sie in einem Eskalationskrieg siegen können", schrieb Caldwell, weshalb Kiew nicht darauf bedacht sei, Frieden zu schließen. Als dann kein Geringerer als Henry Kissinger versuchte, in Davos für eine schnelle Beilegung des Konflikts zu argumentieren, wurde er vom Büro von Selenskij dafür verflucht und umgehend zum Feind des ukrainischen Staates erklärt.
Es gab schon früher im Konflikt Aufrufe nach einem Ausweg aus diesem Desaster zu suchen, – wenn auch nur zaghaft und untergegangen im Lärm der anhaltenden Kakofonie der Medien in ihrem Jubel für Kiew. Bereits am 18. Mai empfahl der üblicherweise als Falke auftretende Charles Kupchan vom Council of Foreign Relations der Ukraine "es gut sein zu lassen".
"Russland wurde bereits eine entscheidende strategische Niederlage zugefügt", schrieb er. "Für die NATO und die Ukraine spricht strategische Vorsicht dafür, diese Erfolge einzusacken, anstatt weiterhin den Kampf zu forcieren und die entsprechenden Risiken einzugehen." Die NATO, fügte Kupchan hinzu, sollte die ukrainische Regierung dahingehend beraten, wie das Blutvergießen beendet werden kann, und zwar bald. Nach den offiziellen Erklärungen zu urteilen, die sowohl aus dem Weißen Haus als auch aus Kiew kamen, fand das von Kupchan und der NYT empfohlene Gespräch jedoch nie statt. Stattdessen stellen die USA der Ukraine weiterhin einen Blankoscheck aus.
Apropos Analogien zum Ersten Weltkrieg: Ein hochrangiger Politikwissenschaftler der RAND Corporation, einer Denkfabrik, von der das Pentagon beraten wird, hat am vergangenen Dienstag eine solche in der Publikation Foreign Affairs gemacht. Laut Samuel Charap war die Gründung Belgiens als neutraler Staat durch seine Nachbarn fast ein Jahrhundert lang zum Vorteil aller, wobei Großbritannien im Jahr 1914 sogar bereit war, gegen Deutschland zu kämpfen, um Belgien zu erhalten. Die bei den Gesprächen in Istanbul Ende März vorgeschlagene Neutralitätsvereinbarung könnte der Ukraine dasselbe bieten, schrieb er.
Schade also, dass – Berichten zufolge – der britische Premierminister Boris Johnson bereits im April persönlich eingegriffen haben soll, um diese Gespräche zum Scheitern zu bringen, wie die Kiewer Ukrajinska Prawda schrieb, indem er der Ukraine deutlich machte, dass, wenn es einen Deal mit Moskau eingehe, der kollektive Westen dies nicht tun werde.
Nebojša Malić ist ein serbisch-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der von 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und heute Senior Autor bei RT ist. Man kann ihm auf Telegram @TheNebulator und auf Twitter @NebojsaMalic folgen.
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