Meinung

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein – Briten im Dienst von "Asow"

Nach der endgültigen Sicherung des Asow-Stahlwerks in Mariupol durch das russische Militär wird weiterhin ermittelt, wie viele nichtukrainische Soldaten und Armeeangehörige sich unter den festgenommenen Personen befinden. Dazu gehört auch eine unbekannte Zahl von britischen Bürgern.
Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein – Briten im Dienst von "Asow"Quelle: AFP © Atta KENARE / AFP

von Sergei Aksjonow

Die Arbeit von Fachleuten mit den Gefangenen aus dem Asow-Stahlwerk geht weiter. Unter ihnen befinden sich auch Nicht-Ukrainer, teilte DVR-Chef Denis Puschilin mit. Genaueres – Namen, Dienstgrade, Aufgaben – werde später bekannt gegeben. Bis dahin werden die fast 2.500 Personen durchsucht, befragt und identifiziert. Dennoch kursieren bereits erste Informationen in den Medien. Unter anderem wird über einen gewissen britischen Oberstleutnant namens John Bailey und vier Militärinstrukteure der NATO berichtet. Ein Russe wird sich da bestimmt denken, die Engländer spielen wieder einen üblen Streich. So ist es.

Die ukrainischen Soldaten, die sich den russischen Truppen ergaben, sind bereits dabei, die Briten an russische Ermittler auszuliefern. So war etwa die Rede von einem gewissen Shaun Pinner, einem angeblichen Scharfschützen, der sich im April in der Nähe der Iljitsch-Hüttenwerke als Teil einer Einheit der 36. separaten Brigade der ukrainischen Marines ergeben hatte. Der Brite selbst behauptete, dass – obwohl er als Freiwilliger den ukrainischen Streitkräften beitrat –, er eher zur Kampfunterstützung eingesetzt wurde und als Koch arbeitete. Dem Söldner wird jedoch der Angriff auf das Leben eines russischen Soldaten vorgeworfen.

Auf den britischen Inseln macht man sich nun Sorgen um die eigenen Leute. Mindestens drei ehemalige britische Soldaten säßen im Asow-Stahlwerk fest – zwei Infanteristen mit Afghanistan-Erfahrung und ein Militärarzt, schrieb der Daily Express einige Tage vor der kollektiven Kapitulation. Die drei kamen bereits vor Beginn der Sonderoperation in die Ukraine, um im Osten des Landes zu kämpfen, wurden dann aber in den Süden geschickt, um das "Asow"-Regiment zu unterstützen. Unter den Festgehaltenen befand sich auch ein schwer verwundeter Brite, der bereits seit dem Jahr 2014 im Einsatz war. Interessanterweise begingen die "Asow"-Männer keinen Selbstmord, obwohl sie jeweils eine Kugel zurückbehielten, so der Daily Express.

Eine Beteiligung der Briten bestätigte auch der frühere ukrainische Held und Oberst Wladimir Baranjuk, Kommandeur der 36. Brigade, der bereits zuvor kapituliert hatte. Einer der Briten hieß ihm zufolge Aiden, an den anderen könne er sich angeblich nicht erinnern. Beide waren "Abenteurer", also Privatpersonen. Was nicht ungewöhnlich ist: in jedem Volk gibt es Draufgänger oder solche, die so erscheinen wollen, und denen es bei historischen Turbulenzen schwerfällt, zu Hause zu bleiben. Erinnert sei an Lord Byron, der gleichermaßen den Nervenkitzel suchte und in Griechenland auf absurde Weise starb. Das heißt, das offizielle London hat an diesem konkreten Fall wohl keinen Anteil.

Allerdings bedeutet das keinen Freispruch für den systematischen militärischen Einfluss Großbritanniens auf den Ukraine-Konflikt. Vielmehr gibt es Hinweise über die Beteiligung eines Majors der britischen Streitkräfte an der erfolglosen Attacke seitens Kiews auf die Schlangeninsel, bei der in mehreren Wellen ukrainische Landungstruppen und Ausrüstung durch das russische Militär zerstört wurden. Auch im Gebiet Saporoschje wurden britische Offiziere dabei gesichtet, wie sie Landkarten über die operative Lage anfertigten. Bekannt ist, dass die Briten vor Beginn der Sonderoperation im Hauptquartier der ukrainischen Anti-Terror-Operation (ATO) in Kramatorsk tätig waren, sie gaben nachrichtendienstliche Informationen der NATO an die Ukrainer weiter. Ihre Tätigkeit war somit direkt gegen Russland gerichtet.

Besondere Bedeutung wird in London ohnehin der Arbeit der Geheimdienste beigemessen. Die Herstellung und Verbreitung von Falschinformationen sind ein wichtiger Bestandteil der informationellen und psychologischen Kriegsführung. Die berüchtigte Erfahrung der "Weißhelme" in Syrien, die skrupellos inszenierte Videos drehten, um das Regime von Baschar al-Assad zu diskreditieren, wird jetzt hier auch gegen das russische Militär eingesetzt. Es entsteht generell der Eindruck, dass die traditionelle Kriegsführung auf dem Schlachtfeld heute weitgehend um des Handelns auf dem politischen Feld willen geführt wird.

Dabei sind es einzig und allein die Ukrainer, die tatsächlich kämpfen, wohingegen die Briten die Gewinne abschöpfen.

Ordentliche Arbeit leistete London auch bei der Aufrüstung der ukrainischen Armee und der nationalen Bataillone. Die Lieferungen schwedischer Panzerabwehrlenkwaffen NLAW und eigener Brimstone-Raketen sind nur Teil der großen Menge militärischer Ausrüstung, die den Konflikt anheizt. In der Hauptsache richten sich die Bemühungen auf den weltweiten Aufkauf von Waffen aus sowjetischer Produktion (durch insgesamt 23 Länder) und deren Transport in die Ukraine. Damit beschäftigt sich laut dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace inzwischen "ein erheblicher Teil des Verteidigungsministeriums und der Militärattachés". Natürlich steht Großbritannien hinter den USA mit ihren 40 Milliarden Dollar zurück, doch ist auch ihr Anteil erheblich.

Der wichtigste Beitrag, den London zum Ukraine-Konflikt leistet, ist aber vermutlich die Wut und der Hass auf Russland. Während man in Washington, D.C. gegenüber Moskau im gewohnten und gleichbleibenden Maße feindselig ist, scheinen die Briten neuerdings von der Tollwut befallen zu sein. Ursache dafür ist der menschliche Faktor. "Der Weg zur Einstellung des Feuers wird von den weit entfernten Kriegstreibern blockiert: einem Trio ranghoher Mitglieder der britischen Regierung. Premierminister Boris Johnson, Außenministerin Liz Truss und Verteidigungsminister Ben Wallace benutzen den Ukraine-Konflikt, um ihr politisches Kapital zu stärken", schreibt Bloomberg.

Dem britischen Premier Johnson hilft diese Geschichte unter anderem dabei, die Angriffe seiner Kontrahenten abzuwehren, die ihm beispielsweise die Missachtung seiner eigenen Anti-COVID-Regeln vorwerfen. In jener Zeit, als gesetzestreue Briten aufgrund der Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus isoliert zu Hause saßen, veranstaltete der Premierminister bekanntlich in der Downing Street rauschende Partys. Doch selbst wenn Johnson seines Postens enthoben würde, wäre das nicht das Ende der britischen Hochstapelei. Truss und Wallace sind die denkbar wahrscheinlichsten Nachfolger des zerzausten Blondschopfs, und ihre Kriegsrhetorik und – was wichtiger ist – vor allem ihre Taten könnten sich als noch weitaus hemmungsloser erweisen.

Jedoch – so oft Russland in seiner Geschichte mit den militärischen und politischen Intrigen Londons konfrontiert war, so oft hat es diese Konfrontationen erfolgreich gemeistert. Mag Churchill auch ein hartgesottener und politisch kluger Intrigant gewesen sein, auch er musste vor dem schnurrbärtigen Georgier, Väterchen Joe, zurückstecken. Auch heute, in einem neuen Kapitel der Geschichte, läuft London Gefahr – vom "Krieg" mit Russland mitgerissen –, einen Hieb von einer Seite zu bekommen, von der man ihn nicht erwartet hatte – von den Seinen. Das British Empire könnte in den nächsten Jahren seine Existenz in der uns bekannten Form einbüßen.

Denn der Wunsch nach Unabhängigkeit wohnt nicht nur Kiew, sondern auch Edinburgh inne. Die Befürworter einer Abspaltung von England werden in Schottland immer zahlreicher. Neulich hat ihre Zahl die Hälfte der Bevölkerung überschritten. Bei dem für Ende 2023 geplanten Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands wird sich das Territorium fast sicher für einen eigenständigen politischen Weg entscheiden und womöglich sogar in die Europäische Union zurückkehren. Und der Bruch mit Schottland wäre für England weitaus einschneidender als der Bruch Russlands mit der Ukraine.

Doch das ist noch nicht alles. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich auch in Wales ab. Zwar ist sie dort noch nicht so ausgeprägt wie in Schottland, doch aller Anfang ist schwer. Nach dem Ausscheiden Edinburghs aus Großbritannien könnte man auch in Cardiff den Wunsch hegen, sich von den politischen Intriganten Londons zu befreien. Und zur Krönung – die mögliche Trennung Nordirlands von England, wo die Sinn-Féin-Partei gerade die Wahlen gewonnen und bereits das Ziel einer Wiedervereinigung mit dem irischen Mutterland verkündet hat.

Offenkundig sind die innenpolitischen Angelegenheiten Großbritanniens also im Begriff, aus dem Ruder zu laufen. Der Nachkriegsverlust seiner Kolonien auf der ganzen Welt einschließlich des Kronjuwels Indien war nur der Anfang vom Ende des ehemaligen Hegemonen. Bald folgt die nächste Staffel dieses Prozesses. Nach dem Verlust von Schottland, Wales und Nordirland wird England ein bedauernswertes Fragment von der Größe der Unterkarpaten sein. London wird die Lust auf Abenteuer ukrainischer Art vergehen. Das Land sollte auf die Flammen im eigenen Haus achten. Moskau, das die ukrainische Armee ruhig und methodisch zur Strecke bringt, sollte sich diese Aussicht auf eine ausgleichende Gerechtigkeit vor Augen halten.

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. So sagen die Menschen – auch in Russland.

Übersetzung aus dem Russischen

Sergei Aksjonow ist Journalist, Politologe und Schriftsteller

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